2,5 Millionen Franken stellt der Bund jährlich für die Sicherheit von Minderheiten mit besonderen Schutzbedürfnissen zur Verfügung. Über 95 Prozent dieses Beitrags fliesst an Sicherheitsmassnahmen von jüdischen Einrichtungen wie Synagogen oder Schulen. Doch das Geld reicht bei weitem nicht aus, um allen Gesuchen um Unterstützung nachzukommen, die die gesetzlichen Grundlagen erfüllen.
Die antisemitischen Vorfälle in der Schweiz haben seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und dem darauffolgenden Krieg im Gazastreifen in der Schweiz deutlich zugenommen. Der Nachrichtendienst des Bundes spricht von einer erhöhten Gefährdung für jüdische Einrichtungen.
Trotzdem lehnte die bürgerliche Mehrheit der Finanzkommission des Nationalrats (FK-N) einen Antrag von Nationalrätin Sarah Wyss (SP/BS) ab, den Beitrag zum Schutz bedrohter Minderheiten im nächsten Jahr auf 5 Millionen Franken zu verdoppeln. Gegen das Ansinnen stimmten die Vertreter von SVP, FDP und Mitte, dafür waren SP, Grüne und GLP.
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG), der Dachverband der jüdischen Gemeinden der Schweiz, bedauert den Kommissionsentscheid in einem Communiqué sehr und verweist darauf, dass diese Mittel dringend benötigt würden, da der bislang zur Verfügung stehende Beitrag den Bedarf nicht abdecke. Die ungedeckten Kosten für die notwendigen und jüngst nochmals verschärften Sicherheitsmassnahmen belasteten die jüdischen Gemeinden und seien «mittelfristig aus eigenen Mitteln nicht bestreitbar».
Die jüdische Gemeinschaft befindet sich laut SIG seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel «in einer aussergewöhnlichen und herausfordernden Lage». Die von Nationalrätin Sarah Wyss beantragte deutliche Erhöhung der Mittel zu ihrem Schutz sei darauf die richtige Antwort.
Der Schutz der jüdischen Menschen in der Schweiz sei Aufgabe des Staates, und dieser müsse sich der Verantwortung stellen, schreibt der SIG. Der Nationalrat müsse den Vorentscheid seiner Finanzkommission bei der Budgetberatung korrigieren.
Auch im Parlament gibt der Entscheid der FK-N zu reden. Auf X zeigte sich SP-Co-Präsident Cédric Wermuth «erschreckt und enttäuscht». Es sei unverständlich, dass der Finanzkommission – die gleichentags die Mittel zur Förderung des Absatzes von Schweizer Wein um 6.2 Millionen Franken erhöhte – der Weinexport wichtiger sei «als der Schutz der Minderheiten und der Einrichtungen jüdischen Lebens».
Die Schweiz ist um ein trauriges Alleinstellungsmerkmal reicher. Die wohl einzige Finanzkommission Europas, die findet aktuell seien die Subventionen für Weinexport wichtiger als der Schutz der Minderheiten und der Einrichtungen jüdischen Lebens.https://t.co/dHgjNAQjv6
— Cédric Wermuth (er/ihm) (@cedricwermuth) November 24, 2023
Vor gut einem Monat unterzeichneten alle Parteipräsidenten eine gemeinsame Stellungnahme. Antisemitismus habe in der Schweiz keinen Platz, hiess es dort: «Es ist die gemeinsame Aufgabe von Behörden, Parteien, Verbänden und allen Bürgerinnen und Bürgern, mit Zivilcourage gegen antisemitische Vorfälle vorzugehen.»
Weshalb lehnen die Vertreterinnen und Vertreter der bürgerlichen Parteien in der nationalrätlichen Finanzkommission einen verstärkten Schutz der durch Antisemitismus bedrohten jüdischen Einrichtungen ab? SVP-Parteipräsident Marco Chiesa gibt auf Anfrage schriftlich keine konkrete Antwort auf diese Frage. Er verweist darauf, dass die entsprechenden Mittel bereits per Anfang 2023 von 0,5 auf 2,5 Millionen erhöht worden seien. Ausserdem liege der Schutz jüdischer Einrichtungen und dessen Finanzierung grundsätzlich in der Hoheit der Kantone.
Antisemitismus werde auch mit dem besseren Schutz jüdischer Einrichtungen leider nicht gestoppt. Dass dieser Schutz heute überhaupt nötig ist, sei Ausdruck des zunehmenden Antisemitismus. Besonders gefährlich sei die neue Verbindung aus «linkem Schreibtisch-Antisemitismus» sowie dem importierten Antisemitismus gewaltbereiter Muslime: «Dieses Gebräu muss deutlich benannt und auch bekämpft werden», schreibt Chiesa. Einerseits an den Universitäten, bei NGOs, in den Medien, dem Kulturbetrieb oder den Parteien, andererseits mit einem Stopp der Asylmigration von jungen muslimischen Männern inklusive Familiennachzug.
Mitte-Parteipräsident Gerhard Pfister, dessen Fraktion am Freitag ihre Strategie für die Bundesrats- und Bundeskanzlerwahl beraten hat, reagierte nicht auf eine Anfrage der «Schweiz am Wochenende».
FDP-Parteipräsident Thierry Burkart zeigte sich auf Anfrage wenig zufrieden mit dem Stimmverhalten seiner Parteikollegen in der nationalrätlichen Finanzkommission. «Ich unterstütze den Antrag für zusätzliche 2,5 Millionen klar», schreibt Burkart. Er werde sich auch in der Fraktion dafür einsetzen. Sollte ihm die FDP-Fraktion folgen, ergäbe sich zusammen mit den Stimmen von SP, Grünen und GLP während der Budgetberatung im Nationalrat eine knappe Mehrheit.
(aargauerzeitung.ch)
Am Ende des Tages ist der Schutz der Bürger eine Pflicht des Staates. Oder sollen wir alle zum Waffenhändler und uns selbst schützen? Dann haben wir bald US-Verhältnisse...