Viele von uns cis Männern haben in den letzten Jahren durch die feministische Bewegung und eventuell sogar unsere eigene Reflexion (!) gelernt, vermehrt in den Hintergrund zu treten. Zum einen, um den FLINTAs in unseren Leben mehr Raum zu geben, sei es bei der Arbeit, in Beziehungen oder einfach bei einem alltäglichen Gespräch – das ist cool. Zum anderen, um feministische Kämpfe nicht für unsere egoistischen Zwecke zu missbrauchen – das ist auch cool. Und drittens, weil es unheimlich praktisch ist, sich komplett aus der Diskussion herauszuhalten und die Probleme woanders zu suchen – das ist überhaupt nicht cool.
Wir dürfen uns nicht in diesem komfortablen Schweigen verstecken und die unangenehme, harte Arbeit einfach wieder den FLINTAs überlassen. Es reicht nicht, selbst keine Gewalt auszuüben. Wir müssen aktiv daran arbeiten, die patriarchalen Machtstrukturen zu überwinden. Denn solange wir unseren Mund halten, dulden und ermöglichen wir Gewalt, Sexismus und Ungleichheit.
Aber eigentlich wissen wir alle, aus welchem Grund wir Männer so gerne zum Thema schweigen. Wir sind halt selber das Problem. Und die Ursache bei einem selber zu suchen ist schwieriger, als mit dem Finger auf die nächstbesten Sündenböcke zu zeigen und eben nicht auf seine Freunde oder sich selbst.
Darum ist es als Mann unbedingt nötig, nicht einfach nur selber nicht sexistisch zu sein, sondern aktiv gegen Sexismus vorzugehen.
Klar, aktiver Anti-Sexismus kann initial ausschliessend, abgehoben, rechthaberisch oder belehrend wirken. Denn es gehört dazu, deinen besten Freund zu hinterfragen, wenn er sich wieder mal über seine lügende «Crazy Ex» auslässt, ob es nicht einfach nur eine Strategie ist, um sein eigenes Fehlverhalten herunterzuspielen. Oder einen Arbeitskollegen mal kurz zu fragen, warum er es in Ordnung findet, die Praktikantin als «fickbar» zu bezeichnen.
Sprich mit deinen Freunden darüber und lass auch mit dir reden. Dass sich dabei einige Männer angegriffen fühlen, gehört dazu. Es wird Diskussionen geben und diese sind gut. Dabei entsteht ein Austausch. Es sollte nicht verbietend wirken, denn nicht alle haben den gleichen Zugang zum Feminismus, oder manche haben sich noch nie wirklich damit befasst. Sondern es sollte in einer Konversation enden, die ultimativ dazu führt, dass Männer Verantwortung für ihr eigenes Verhalten übernehmen und sich nicht einfach mit ihrem Sexismus in ihren Männer-Gruppen-Safe-Spaces verkrümeln können.
Es ist nämlich höchste Eisenbahn, das Patriarchat auch zu unserem Problem zu machen. Denn es schafft ein Machtgefälle und setzt den Mann an seine Spitze. Der Mann ist im Patriarchat definitionsgemäss wichtiger als alle anderen und das ist nichts anderes als diskriminierend.
Kein Mensch gewinnt, vor allem nicht die machtlosesten, wenn ein verurteilter Sexualstraftäter US-Präsident wird und sich mit seinem offenen Frauen- und Transhass zu einer Art Galionsfigur der Anti-Woke-Bewegung aufspielen darf. Ganz ohne Scham – im Gegenteil, mit Stolz gefeiert.
«Die Scham muss die Seite wechseln», sagte Vergewaltigungsopfer Gisèle Pelicot als Begründung darauf, warum sie keinen Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit wollte, wie es die Anwältinnen und Anwälte der Täter forderten. Das Problem muss aus dem Hintergrund gerückt werden. Es braucht keinen neuen Stolz auf Männlichkeit, sondern eine gesunde Portion Scham, damit wir uns endlich unserer Komplizenrolle in der Aufrechterhaltung des Patriarchats bewusst werden und so vielleicht merken, dass es uns allen besser gehen würde ohne es.
Fehlender Respekt im Umgang ist ganz sicher nicht dasselbe wie Hass. Aber ist halt ein kurzes scharfes Wort zur Vereinfachung und Polemisierung, versteht schon.
Erreichen tut ihr damit, wie immer,nur die eigene kleine Bubble.