Für die einen ist er ein politischer Superstar. Oder eine «Lichtgestalt», wie ihn die «Sonntagszeitung» titulierte. Daniel Jositsch wurde als Zürcher Ständerat auf Anhieb wiedergewählt. Und übertraf dabei sein schon glänzendes Ergebnis von 2019. Bei einer Volkswahl des Bundesrats würde Jositsch mit Pauken und Trompeten durchmarschieren.
Allerdings ist die Bundesversammlung zuständig, doch auch dort hätte Jositsch bei den Bürgerlichen wohl leichtes Spiel. Das schlägt sich in der watson-Wahlbörse nieder. Der Zürcher hat seit dem Wahlsonntag einen Sprung nach oben gemacht und liegt deutlich vor seinen fünf Mitbewerbern um die Nachfolge von SP-Bundesrat Alain Berset.
Das stürzt die Sozialdemokraten in ein Dilemma. Denn für andere ist der 58-jährige Strafrechtsprofessor eine Reizfigur, besonders in seiner Partei. Er gilt als «Rechtsausleger», und man nimmt ihm übel, dass er vor einem Jahr unbedingt Nachfolger von Simonetta Sommaruga werden wollte, obwohl sich die SP auf eine Frauenkandidatur festgelegt hatte.
Für Unmut sorgt, dass Jositsch nach den 58 Stimmen im ersten Wahlgang wie versteinert auf seinem Sitz verharrte. Es spielt offenbar keine Rolle, dass er eine nachvollziehbare Erklärung dafür hat, warum nicht er, sondern der damalige Fraktionschef und heutige Bundesrats-Konkurrent Roger Nordmann ans Rednerpult eilte. Es ist der Eindruck, der zählt.
In der SP-Fraktion geht man laut der «Sonntagszeitung» davon aus, dass Jositsch kaum eine Chance hat, bei der Nominierung am 25. November einen Platz auf dem offiziellen Ticket zu ergattern. Doch das wäre ein heikles Manöver: Kann es sich die SP leisten, ihren bei der Wählerschaft mit Abstand populärsten Politiker zu übergehen?
Ausserhalb der Partei ist unbestritten, dass Daniel Jositsch Bundesratsformat besitzt. Die Zürcher Kantonalsektion nominierte ihn letzte Woche «mit grossem Mehr», und selbst Nationalrätin Jacqueline Badran, der andere «Superstar» der SP, kündigte in der «Sonntagszeitung» an, sie werde sich «sicher darum bemühen, dass er aufs Ticket kommt».
Der «Sonntagsblick» unterstellte ihr prompt Ständerats-Ambitionen. Denn letztes Jahr hatte Badran in die Kritik an Jositsch eingestimmt. Ihr Wort aber hat Gewicht in der Fraktion, seit ihrem eigenen Glanzresultat bei den Wahlen mehr denn je. Wie also soll die SP mit dem Jositsch-Dilemma umgehen, ohne einen bürgerlichen Backlash zu provozieren?
Eine vom Fraktionspräsidium eingesetzte Kommission wird bis Samstag die sechs eingereichten Kandidaturen auf ihre Eignung prüfen. Im Prinzip könnte Jositsch dabei vorzeitig «aussortiert» werden, doch das wäre ein ungeheurer Affront. Deshalb wird Jositsch für tauglich erklärt und den Bürgerlichen damit die Türe einen Spalt weit geöffnet.
Sie werden nicht zögern, den Zürcher am 13. Dezember auch dann zu wählen, wenn er nicht auf dem Ticket steht und dieses zu eindeutig durch Wahltaktik motiviert ist. Etwa wenn die Frauenmehrheit in der Fraktion versucht, die Berner Regierungsrätin Evi Allemann zu «pushen», indem sie sie zum Beispiel mit dem anderen Berner Matthias Aebischer nominiert.
Eine derart fadenscheinige Nummer wäre ein Steilpass für die bürgerliche Mehrheit in der Bundesversammlung, um Daniel Jositsch als «wilden» Kandidaten zu wählen. Solche Manöver waren in den letzten Jahren ziemlich verpönt, doch die SP hätte kaum eine andere Wahl, als einen Bundesrat Jositsch zähneknirschend zu akzeptieren.
Will sie dies verhindern, führt kein Weg an einem überzeugenden Ticket vorbei. In den Medien werden vor allem zwei Namen hoch gehandelt: Beat Jans und Jon Pult. Der Basler Regierungspräsident erfüllt praktisch alle Voraussetzungen für den Job, und der Bündner Nationalrat verkörpert die in der heutigen SP tonangebende «Juso-Generation».
Makellos sind beide nicht. Jans ist, obwohl gelernter Landwirt, beim mächtigen Bauernflügel nicht sonderlich beliebt. Allerdings sind die Bauern mit keinem der sechs Namen glücklich – offenbar befinden sich darunter keine Schafhalter. Pult wiederum sitzt erst seit vier Jahren im Parlament, und sein bisheriger Leistungsausweis ist überschaubar.
Dennoch dürfte es den Bürgerlichen schwerfallen, ein Ticket mit Jans/Pult zu übergehen. Undenkbar ist es nicht. Der Anspruch der SP ist unbestritten, seit sie sich bei den Wahlen als klare Nummer zwei etablieren konnte. Falls sie jedoch den Angriff der Grünen auf die FDP unterstützt, könnte es zur «Retourkutsche» mit Jositsch kommen. Denn die Berset-Ersatzwahl findet am 13. Dezember ganz am Schluss statt.
Es ist für die SP leichter gesagt als getan, einen Bundesrat Daniel Jositsch zu verhindern. Vielleicht setzt sich die Erkenntnis durch, dass sie ihm die Nomination kaum verweigern kann. Zum Beispiel, indem die Fraktion ein Dreier- statt ein Zweier-ticket aufstellt.
Aber die Partei will in nicht, aus Gründen... Das geht bei mir nicht ganz auf. Wieso nicht auf die Wählerschaft hören? Denn in dessen Auftrag arbeiten doch die Parlamentarier...?