Die Bezeichnung wirkte unverfänglich: «Armeebotschaft 2022» stand auf der Einladung für den Medienanlass vom Donnerstag auf dem Militärflugplatz Emmen (LU). Diese Botschaft aber enthält Zündstoff. Es geht um das umstrittenste Beschaffungsgeschäft für die Schweizer Armee in den letzten Jahren: die Rundumerneuerung der Luftverteidigung.
Zu diesem Zweck sollen 36 F-35-Kampfjets für sechs Milliarden Franken beschafft werden, als Ersatz für die F/A-18, deren Lebensdauer 2030 ablaufe, wie Luftwaffenchef Peter «Pablo» Merz betonte. Hinzu kommen 5 Einheiten des Luftabwehrsystems Patriot für knapp zwei Milliarden. Es kann hochfliegende Ziele treffen und schliesst damit eine Lücke.
Das Geschäft ist umstritten. So wurde die Kampfjet-Beschaffung im September 2020 vom Stimmvolk nur ganz knapp bewilligt, und seit dem Typenentscheid des Bundesrats im letzten Juni hat sich die Kritik verstärkt. Ein linkes Komitee sammelt Unterschriften für eine Volksinitiative, die darauf abzielt, den Kauf des amerikanischen F-35 zu verhindern.
Mit dem Ukraine-Krieg jedoch sind Rüstungsgeschäfte wieder «in». Gemäss einer Anfang Woche veröffentlichten Tamedia-Umfrage würden 60 Prozent die Initiative ablehnen, nur 34 Prozent sind dafür. Das Verteidigungsdepartement VBS allerdings will nichts dem Zufall überlassen und hat deshalb in Emmen eine aufwändiges Programm aufgezogen.
Zwar betonten VBS-Vertreter, man veranstalte zu jeder Armeebotschaft eine Ausstellung. In der Regel findet sie auf dem Waffenplatz Thun statt. Nun wurde aus naheliegenden Gründen Emmen gewählt. Der Aufwand ist beträchtlich: Nebst zwei Patriot-Abschussvorrichtungen kann man zwei F-35 besichtigen, die eigens aus Italien eingeflogen wurden.
Hinzu kommen eine Nachbildung im Massstab 1:1 – die echten Jets kann man nur mit Abstand bewundern – sowie ein Demonstrations-Simulator von Hersteller Lockheed Martin. Der US-Konzern bewirbt sein Hightech-Kampfflugzeug mit dem Slogan «Frieden durch Stärke», was mit Blick auf die Ukraine zumindest irritierend wirkt.
Allerdings wurden die Prospekte lange vor Kriegsbeginn gedruckt, und auch die Ausstellung in Emmen wurde konzipiert, bevor im Osten Europas der Ernstfall eintrat. Das Interesse jedenfalls ist enorm: Die je 500 Plätze für die drei Spotter-Tage waren in etwas mehr als fünf Minuten vergeben. Und am Freitag kann die Bevölkerung die Ausstellung besichtigen.
Diese 450 Tickets waren ebenfalls ruckzuck weg. In Grenzen hielt sich hingegen das Interesse der Politik. Am Mittwoch waren alle 246 Mitglieder der Bundesversammlung nach Emmen eingeladen. Doch ausser den Vertretern der Sicherheitspolitischen Kommissionen von National- und Ständerat nahm nur eine Handvoll Parlamentarier die Gelegenheit wahr.
«Und dann heisst es wieder, sie hätten zu wenig Informationen», ärgerte sich ein VBS-Mann mit Verweis auf die Gripen-Abstimmung 2014 im Gespräch mit watson. Die Verabschiedung der Armeebotschaft 2022 im Herbst dürfte Formsache sein. Dennoch nutzte Divisionär Peter Merz die Gelegenheit, um vor den Medien für den F-35 zu werben.
Der US-Kampfjet habe in der Evaluation in allen Belangen klar besser abgeschnitten als die amerikanische und die europäische Konkurrenz: «Er ist der Wirksamste, der Günstigste und der Nachhaltigste», sagte Merz. Die Schweiz könne den F-35 autonom betreiben («dafür lege ich meine Hand ins Feuer»), und der «fliegende Computer» sei auch miliztauglich.
Schon 15 Länder hätten den F-35 beschafft, betonte der Luftwaffen-Kommandant. Nun komme Deutschland hinzu, weitere Länder würden einen Kauf erwägen. Nicht ohne etwas Neid verwies Merz darauf, dass Finnland sich im Dezember für den F-35 entschieden und schon zwei Monate später den Vertrag unterzeichnet hatte: «Bei uns ist das etwas anders.»
Im Idealfall müsste die Schweiz den Vertrag bis Ende März 2023 unterschreiben: «Sonst haben wir keinen Fixpreis mehr, und die Auslieferung bis 2030 ist nicht gesichert», warnte «Pablo» Merz. Man müsste nachverhandeln, ohne Garantie für gleiche Bedingungen. Mit dem Volksbegehren von SP, Grünen und GSoA droht genau dieses Szenario.
In der SRF-«Tagesschau» vom Mittwoch allerdings machte der Staatsrechtler Felix Uhlmann eine brisante Aussage: Der Bundesrat könne den Kaufvertrag schon jetzt unterzeichnen. «Eine Initiative hat keine aufschiebende Wirkung.» Bürgerliche Politiker hatten bereits gefordert, den Vertrag spätestens nach Annahme der Armeebotschaft 2022 zu bereinigen.
Demokratiepolitisch wäre dieser Vorgang zumindest unüblich, räumte Uhlmann ein: «Es hat eine gewisse Tradition, dass man Initiativen abwartet.» Es sei aber auch unüblich, zweimal über praktisch das gleiche Thema abzustimmen. Und bei einer Annahme der Initiative müsse der Bund die F-35 nicht verkaufen, da eine Initiative keine Rückwirkung entfalte.
Heikel wäre ein solcher Vorgang aber in jedem Fall. Hinzu kommt, dass sich auch ein bürgerliches Komitee formiert hat, das den F-35 verhindern will. Angeblich sind Mitglieder von National- und Ständerat darin vertreten, doch nur zwei Leute stehen mit ihrem Namen hin, was zumindest irritiert bei einem Verein, der mehr Transparenz einfordert.
In der Sache jedoch legt das Komitee den Finger auf zwei wunde Punkte. Zum einen sind es drohende Mehrkosten für den Unterhalt, die auch im Herstellerland USA für rote Köpfe sorgen. Der zweite Kritikpunkt ist die von Divisionär Merz erwähnte Reduktion der Flugstunden um 20 Prozent gegenüber den anderen Kandidaten und dem F/A-18.
Die Schweizer Topographie ist anspruchsvoll, auch wegen der unberechenbaren Wind- und Wetterverhältnisse. Weiter soll der F-35 für verschiedene Zwecke verwendet werden, darunter erstmals seit Ausmusterung der britischen Hunter-Jets auch für den Erdkampf. Und den F-35 gibt es nur in einer einsitzigen Version. Ein zweisitziger Trainings-Flieger befindet sich nicht im Angebot.
Divisionär Merz steht trotzdem «voll» hinter seinen Angaben, wie er im Gespräch mit watson erklärte: «Sie basieren auf unseren Analysen und Gesprächen mit anderen Nationen.» Dort habe man mit mehr Flugstunden begonnen und reduziere sie nun massiv, «teilweise unter unser geplantes Niveau». Möglich machten es die einfache Bedienung und der Simulator.
Dessen Demo-Version vermittelt in der Tat ein cooles «Fluggefühl», wie der watson-Redaktor selber feststellen konnte. Derzeit deutet so gut wie alles darauf hin, dass die Schweizer Luftwaffe den F-35 in einigen Jahre in «echt» fliegen kann, aller Kontroversen zum Trotz.
Es graut mir mehr vor den Linkspolitikern, die dauernd dreinquatschen müssen und von nix 'ne Ahnung haben. Aber genauso vor den verpeilten Sandkastengenerälen, die zuviel Top Gun geschaut haben und meinen, dass unsere Luftwaffe im Kriegsfall auch nur annähernd eine Chance hätte.
Was ist eigentlich aus dem sistierten BoLuf Programm geworden? Wäre m.E. wichtiger als die Superflieger.