Dass der Schnee in Nordamerika und Europa eine andere Beschaffenheit hat, ist weitum bekannt. Ob wir Durchschnittsskifahrer das auch wirklich spüren, ist eine andere Frage. Was wir aber definitiv bemerken, wenn wir in den USA Ski fahren gehen, sind ganz viele andere Unterschiede.
Das gilt natürlich auch für die umgekehrte Richtung. Sam Weintraub, der Betreiber des unabhängigen Skigebiet-Bewerters PeakRankings, hat seine Eindrücke vom ersten Mal Ski fahren in der Schweiz (oder den Alpen allgemein) gesammelt. Sein Team war dabei in Andermatt, Crans-Montana, Zermatt/Cervinia, Verbier, Chamonix (FR) und 3 Vallées (FR) unterwegs. Er nennt sein Werk «Die schockierendsten Dinge für Amerikaner beim Skifahren in Europa» – und die sind durchaus überraschend. Vor allem der Punkt mit dem Preis.
Die verschiedenen Formen der Berge sind so anders als in den USA und Kanada. Weil die Alpen jünger sind als die Rocky Mountains und Co., wurden sie von der Witterung noch nicht überall so abgeschliffen und die Gletscher formen das Gestein ebenfalls anders. Daher gibt es spektakulärere Formen und es ist nicht so, dass alle Gebirgszüge sehr ähnlich aussehen.
Die grossen Schweizer Skigebiete breiten sich oft über der Waldgrenze aus. Das ermöglicht ganz andere Aussichten. Dem ist aber nicht so, weil die Skigebiete der Schweiz höher liegen als in den USA, sondern weil die Waldgrenze bei uns bei 2000 bis 2350 Metern aufhört, in den USA erst bei 3350 bis 3650 Metern.
In Nordamerika ist man viel öfter in einer Schneise im Wald unterwegs, was die Aussicht einschränkt.
In der Schweiz haben sich grosse Skigebiete zusammengeschlossen. So muss man beispielsweise aufpassen, dass man am Ende des Tages nicht in Arosa landet, obwohl man in der Lenzerheide startete. Das würde eine lange Postautofahrt nach sich ziehen.
In den USA gibt es meist nur einen Zugangspunkt zum Skigebiet. Oder immerhin sind diese alle auf der gleichen Seite des Berges. Schweizer Skigebiete trumpfen oft auch mit viel mehr Pistenkilometern auf, was erfordert, dass man sich den Plan des Skigebiets besser merken muss.
Zudem ist die längste mögliche Abfahrt mit 30 bis 45 Minuten in Europa deutlich länger als in den USA, wo Skigebiete meist nicht so weitläufig sind.
Einer der wohl grössten Unterschiede: In der Schweiz sind die Pisten normalerweise ziemlich schmale Bänder, die dann aber auch gut unterhalten sind. In Nordamerika existieren praktisch keine präparierten Abschnitte, was das Skifahren grundsätzlich schwieriger macht.
So beinhalten Skitickets in Europa auch nicht automatisch eine Versicherung für Unfälle neben der Skipiste. In den USA läuft das anders.
Was gepistete Streifen zur Folge haben, ist natürlich, dass es weniger Powderfahrten gibt. Pulverschnee erlebt man in der Schweiz meist nur neben der Piste. Zudem ist der Niederschlag gemäss den Amerikanern in den Rocky Mountains beispielsweise häufiger als in Europa, was zu mehr Pulverschneetagen führt.
Und weil in der Schweiz sich viele Leute auf schmale Pisten drängen, kommt es häufiger zu vereisten Stellen, welche dann schwieriger zu fahren sind.
Für Amerikaner unverständlich: Warum füllt man die Gondeln nicht auf den letzten Platz? Warum kann ein Vierersessel trotz langer Schlange mit nur drei Personen losfahren (okay, das fragen wir uns ja manchmal auch).
Auf jeden Fall läuft das Füllen der Plätze in den USA koordinierter. Da hilft auch die Single-Line, welche in Nordamerika ohne Aufpreis existiert.
Apropos Transportmittel: Diese sind in Europa meist deutlich moderner – obwohl noch öfter Schlepplifte im Einsatz stehen, was müde machen kann. Und was für die PeakRankings-Truppe faszinierend war: Es fahren gar Züge und (unterirdische) Standseilbahnen in Skigebieten!
Dazu kommt: Skigebiete in der Schweiz sind meist gut mit dem ÖV erschlossen. Überraschend für die Amerikaner auch: die Gratisbusse, welche vom Dorf zu den Talstationen fahren. In den USA bist du – wie so oft – ohne eigenes Auto aufgeschmissen.
Ebenfalls auffallend für Amerikaner, die erstmals in Europa Ski fahren: das grosse Angebot von Restaurants in Skigebieten und die grosse Vielfalt an Gerichten. Da gibt es nicht nur Pommes und Hamburger. Allerdings seien die Preise da doch gesalzen.
Ein grosser Unterschied besteht zudem in der Après-Ski-Kultur, welche in den USA und Kanada viel weniger verbreitet ist als bei uns. Egal ob auf der Piste oder nachher im Tal: Das gehört bei uns fast dazu. In den USA kommt es vor, es steht aber viel mehr das Skifahren im Vordergrund.
Bei diesem letzten Punkt sind wohl eher wir schockiert. Für die Tester von PeakRankings sind die Preise für eine Tageskarte in den grossen Skigebieten überraschend billig. Ja, richtig gelesen. Ein Skipass in den grossen Gebieten Nordamerikas kann locker über 200 Dollar kosten. In Aspen beispielsweise rund 250 Dollar, in Beaver Creek gar fast 300.
Darum rechnen die Amerikaner vor: Trotz Anreise mit dem Flugzeug kann eine Woche Skifahren für eine Familie aus den USA in der Schweiz finanziell fast gleich teuer sein, wie wenn man in Nordamerika bleiben würde.