Ist die versteckte Coronawelle in der Schweiz nun vorbei? Das sagt ein Infektiologe
Lange hat uns eine versteckte Coronawelle geplagt, die eigentlich mit Beginn des Frühlings hätte vorbei sein sollen. So wie jeweils bei der Grippewelle, die ausgesprochen saisonal ist. Doch Sars-CoV-2 mit der heute dominierenden Omikron-Variante XBB hat uns diesen Gefallen nicht getan. Tausende haben in den letzten Wochen gehustet, einige hatten Fieber. Allerdings meist ohne dass die Betroffenen wussten, ob wirklich eine Coronainfektion der Auslöser war. Die Coronawelle konnte nicht mit Tests, sondern nur dank der Viruslast im Abwasser der Schweizer Bevölkerung nachgewiesen werden.
Deutlicher Rückgang der Viruslast im Abwasser
Nun zeigen beinahe alle Kläranlagen in der Schweiz einen deutlichen Rückgang der Sars-CoV-2-Last im Abwasser. Somit kann man davon ausgehen, dass die «versteckte» Coronawelle nun tatsächlich vorbei ist. Das bestätigt auch Professor Huldrych Günthard, Leitender Arzt an der Klinik für Infektionskrankheiten am Universitätsspital Zürich. Er sagt: «Die Immunität eines Teils der Bevölkerung wurde auch durch diese Welle noch einmal geboostert.» Zudem kommt jetzt das bessere Wetter und wir sitzen viel weniger zusammengedrängt in geschlossenen Räumen. Aus diesen Gründen werde es wahrscheinlich eine Weile dauern, bis die Ansteckungen wieder zunehmen würden, sagt Günthard. Im Sommer dürfte es daher kaum zu vielen Infektionen kommen.
Ob wir im Herbst eine grosse Welle befürchten müssen, kann man gemäss dem Zürcher Infektiologen nicht sagen. «Klinisch haben wir im Prinzip ja jetzt schon Ruhe gehabt, weil diese Welle uns kaum mehr im grösseren Stil krank machte.» In den Spitälern hatten sich die vielen Omikron-Infektionen kaum niedergeschlagen. In den April-Wochen lagen im Zürcher Universitätsspital jeweils zwischen 10 und 25 Patienten mit einer nachgewiesenen Corona-Infektion, das war auch im Universitätsspital Basel so. Günthard erwartet in den nächsten Monaten nichts anderes. «Ausser es käme wieder eine neue Variante.»
WHO hebt höchste Alarmstufe auf
Entspannung sieht auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie hat beschlossen, dass die Coronapandemie nicht mehr als internationaler Gesundheitsnotstand gilt, und damit sozusagen das Ende der Pandemie erklärt. «Die Pandemie folgt seit einem Jahr einem nachlassenden Trend», sagte der Chef der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, am Freitag in Genf und verwies auf die weltweit gestiegene Immunität durch Impfungen und Infektionen. Deshalb lasse sich die höchste Alarmstufe aufheben. Das Virus sei aber nicht besiegt, sagt Tedros, sondern zirkuliere immer noch weltweit. Das Virus bleibe gefährlich und könne jederzeit noch gefährlichere neue Varianten entwickeln.
Ein WHO-Expertenausschuss hat aber erklärt, man verfüge inzwischen über gute Werkzeuge gegen Sars-CoV-2 wie die Impfungen und Medikamente sowie bewährten Hygienemassnahmen wie Abstand und Masken. Das internationale UNO-Impfprogramm Covax hat gemäss einer Analyse bis Ende 2022 in Ländern mit niedrigen Einkommen 2.7 Millionen Menschenleben durch Coronaimpfungen gerettet, und die Krankheitslast konnte deutlich gesenkt werden. Allerdings schreibt die WHO auch, dass trotzdem allein vom 3. bis 30. April dieses Jahres beinahe 2.8 Millionen neue Infektionen und über 17'000 Todesfälle gemeldet wurden. Allerdings sind die genauen Coronazahlen inzwischen schwierig zu fassen, da in vielen Ländern wie auch der Schweiz kaum noch getestet wird.
Die Aufhebung der Corona-Alarmstufe durch die WHO hat übrigens keine direkten konkreten Folgen, weil jedes Land selbst über seine Schutzmassnahmen entscheidet. Seit 2005 hat die WHO sieben Mal einen internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Corona war der zweitlängste, länger ist nur jener gegen Polio, der seit 2014 gilt. (aargauerzeitung.ch)


