Das Genfer Appellationsgericht kam zum Schluss, dass Ramadan in einer Nacht im Oktober 2008 im Zimmer eines Genfer Hotels eine Frau tatsächlich sexuell missbraucht hat, wie es am Dienstag mitteilte. Der Islamwissenschaftler hat diese Anschuldigungen stets zurückgewiesen. Im Mai 2023 hatte ihn das Genfer Strafgericht wegen dieser Vorwürfe freigesprochen.
In seiner Medienmitteilung erklärt der Gerichtshof, dass die Berufungs- und Revisionsstrafkammer festgehalten habe, dass mehrere Zeugenaussagen, Bescheinigungen, medizinische Notizen und Gutachten von privaten Sachverständigen mit den von der Klägerin angezeigten Tatsachen übereinstimmen würden.
Die Richter stufen in ihrem Urteil das Fehlverhalten von Ramadan als «sehr schwerwiegend» ein. Der Islamwissenschaftler habe seinem Opfer den Geschlechtsakt sowie andere sexuelle Handlungen aufgezwungen, «indem er brutal, gewalttätig» gehandelt habe, hiess es.
Die Richter warfen dem 62-Jährigen ausserdem vor, dass er die Tatsachen beharrlich bestritten und sich hinter Erklärungen verschanzt habe, die das Opfer in Misskredit bringen sollten und dass er keinerlei Bedauern geäussert habe. «Seine Handlungen erscheinen umso verwerflicher, als er sich als Mann des Guten und der Werte versteht», schreibt der Gerichtshof in seinem Urteil weiter.
Ramadan kam der mildernde Umstand der verstrichenen Zeit zugute. Auch seine schwankende Gesundheit - er leidet an Multipler Sklerose - wurde von den Richtern berücksichtigt. Die unbedingte Haftstrafe wurde daher um sechs Monate reduziert.
Gegen das Urteil kann innerhalb von 30 Tagen beim Bundesgericht Berufung eingelegt werden.
In der ersten Instanz hatte das Opfer gesagt, dass sie während der Nacht, die sie mit Ramadan in einem Hotel verbracht habe, Angst gehabt habe, durch die Schläge von ihm zu sterben. Sie erklärte, dass der Islamwissenschaftler sie auf das Bett geworfen, sich rittlings auf sie gesetzt und ihr ins Gesicht geschlagen habe.
In der Berufungsverhandlung gab die Frau an, dass die von ihr erlittene Gewalt ihre Beziehung zu anderen Menschen erschüttert habe. «Ich schäme mich, verliere mein Selbstvertrauen und habe Albträume», sagte sie. Das Opfer hatte auch zugegeben, dass sie Ramadan bewundert und ihm eine Zeit lang «zwanghaft» geschrieben habe.
Vor der Berufungs- und Revisionsstrafkammer bestritt Ramadan die von der heute 58-jährigen Frau gegen ihn erhobenen Anschuldigungen energisch. Er behauptete, nie eine sexuelle Beziehung zu ihr gehabt zu haben. «Ich bin absolut unschuldig an allem, was gesagt wird und an allem, was behauptet wird, dass ich getan haben könnte», betonte er.
Der Islamwissenschaftler erklärte, dass er in sozialen Netzwerken von der Frau angesprochen worden sei, die sich «extrem unternehmungslustig» gezeigt habe. Er sei neugierig geworden und habe ihr ein Treffen vorgeschlagen. Als er sich mit ihr im Hotel befunden habe, habe er sich wie in einer Falle gefühlt, sagte er.
Für die Anwälte des Opfers, Robert Assaël und Véronique Fontana, hat «die Wahrheit endlich gesiegt». Das Urteil der Berufungs- und Revisionsstrafkammer wische alle phantasievollen Argumente des Angeklagten beiseite, der nicht aufgehört habe, das Opfer zu beschmutzen und in Verruf zu bringen, um sein ohnehin schon angeschlagenes Image zu bewahren, sagten sie.Im Gegensatz zum Strafgericht habe das Berufungsgericht eine würdige, ausgewogene Verhandlung geführt und allen Parteien zugehört, betonten die beiden Anwälte. Sie erklärten, dass ihre Mandantin über das Urteil erleichtert sei und würdigten ihren «Mut, ihre Widerstandsfähigkeit und ihre aussergewöhnliche Entschlossenheit».
Ramadan wird auch in Frankreich von der Justiz verfolgt. Im Frühsommer hatte die Ermittlungskammer des Pariser Berufungsgerichts entschieden, ihn wegen Vergewaltigung von drei Frauen zwischen 2009 und 2016 an das Pariser Strafgericht zu verweisen.
Ramadan ist der Enkel des ägyptischen Gründers der Muslimbruderschaft, Hassan el-Banna. Sein Vater Said flüchtete 1954 in die Schweiz. Ramadan unterrichtete zwischen 1984 und 2004 an mehreren Genfer Schulen. (sda)
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