Die FDP benutzte es für ihre Kampagne gegen die Rentenreform, Emmanuel Macron und Barack Obama in ihren Wahlkämpfen: Das US-Tool Nationbuilder gilt als eines der modernsten Werkzeuge für Online-Campaigner. Es ermöglicht Politikern, Websites zu erstellen, im Netz Spenden zu sammeln – und Kontakt-Datenbanken anzulegen.
Letzteres beobachten verschiedene Kreise mit Argwohn. Denn es handelt sich nicht um klassische Datenbanken, die von Menschen ausgefüllt werden. Vielmehr reicht dem Programm bereits eine E-Mail-Adresse, um sämtliche Social-Media-Konten einer Person nach Informationen abzugrasen – von Facebook über Twitter bis hin zu Linkedin. Die Daten können verknüpft und zu Persönlichkeitsprofilen zusammengefügt werden. «Social Match» nennt sich dieses Vorgehen im Fachjargon.
In Frankreich haben die Behörden die Funktion im diesjährigen Präsidentschaftswahlkampf verboten. Die Firma Nationbuilder musste reagieren, indem sie die «Social Match»-Option für das Land deaktivierte. Nun wird auch der Schweizer Datenschützer aktiv: Wie eine watson-Recherche zeigt, analysierte das Team von Adrian Lobsiger in den letzten Wochen verschiedene Wahlkampftools. Demnächst wird der Eidgenössische Datenschützer die Ergebnisse in Form eines Positionspapiers auf seiner Website aufschalten.
Im Dokument, das watson vorliegt, hält der Datenschützer fest, dass Kampagnenverantwortliche mithilfe der Tools Rückschlüsse auf politische Interessen und Neigungen von Personen ziehen können. Dabei handle es sich um «besonders schützenswerte Personendaten». Und deren Bearbeitung sei nur mit der «ausdrücklichen Einwilligung» des Betroffenen erlaubt.
Künftig müssen die Parteien deshalb auf ihren Webseiten genau deklarieren, welche Tools sie zu welchen Zwecken einsetzen und wie sie die Daten bearbeiten. Die Informationen müssten «sprachlich leicht verständlich, rasch auffindbar und graphisch übersichtlich sein», heisst es im Papier. Die «Social Match»-Funktion bleibt zwar erlaubt – allerdings muss der Nutzer explizit darauf aufmerksam gemacht werden, dass seine Daten mit Informationen aus den sozialen Medien angereichert werden.
Um ihre «ausdrückliche, selbstbestimmte und hinreichend informierte» Einwilligung kund zu tun, muss sich eine Person, die sich bei der Partei registriert, einverstanden erklären, dass ihre Daten mit den entsprechenden Tools bearbeitet werden. Zudem muss sie jederzeit die Möglichkeit haben, die Einwilligung zu widerrufen.
Kampagnen-Spezialist Daniel Graf begrüsst es, dass der Datenschützer in der Frage aktiv wird. Aus seiner Sicht geht er aber noch zu zaghaft vor: «Auch wenn eine Partei transparent macht, dass sie eine Social-Match-Funktion anwendet, kann sich der Durchschnittsnutzer darunter wenig vorstellen.»
Es sei auch illusorisch zu glauben, dass sämtliche Funktionen eines Tools verständlich aufgelistet werden können. Aus Grafs Sicht wäre es deshalb wichtig, eine Debatte darüber zu führen, ob das Verknüpfen von Daten in jedem Fall erlaubt sein soll.
Verstösst eine Partei gegen die neuen Richtlinien des Datenschützers, kann dieser die Kampagnenverantwortlichen dazu auffordern, ihre Datenbearbeitung anzupassen oder einzustellen. Gegen eine solche «Empfehlung» können die Betroffenen bis vor Bundesgericht rekurrieren, wie Sprecher Francis Meier auf Anfrage erklärt.
Die FDP nutzte die «Social Match»-Funktion von Nationbuilder im Abstimmungskampf gegen die Rentenreform nicht, wie der Kampagnenverantwortliche im Sommer auf Anfrage von watson sagte. Auch die anderen grossen Parteien gaben damals an, Datenbank-Tools für ihre Online-Kampagnen zu benutzen
Update: Die Richtlinien sind inzwischen online. Hier gehts zu den Ausführungen des Datenschützers.