Christen-Fundis wittern Schwulen-Verschwörung im Bundesamt
Wochen nachdem die Love-Life-Plakate des Bundesamts für Gesundheit (BAG) schon wieder abgehängt worden sind, zogen 35 Kinder am Dienstag ihre Beschwerde gegen die Kampagne ans Bundesverwaltungsgericht weiter. Die zwischen 10- und 18-Jährigen machen eine «Verletzung ihrer schutzwürdigen Interessen aufgrund der hochsexualisierten Inhalte» der Sujets geltend.
Die Kinder stammen aus christlichen Familien aus dem Umfeld der Stiftung Zukunft CH, denen die Anti-Aids-Kampagne und die gesamte Strategie des BAG schon seit Langem ein Dorn im Auge ist. Wie sehr, beförderte ein Gespräch mit dem Stiftungssprecher Dominik Lusser zu Tage, auf dessen Publikation watson verzichtet.
Homosexualität wird als «normal» dargestellt
Im autorisierten Interview sagt Lusser, dass die BAG-Kampagne Sexualität bagatellisiert, dass die Bilder verstörend auf Kinder wirken und Jugendliche zum tabulosen Ausleben ihrer Sexualität animiert, anstatt vor ansteckenden Krankheiten zu warnen. «Aber sexuelle Gesundheit schliesst vor allem auch die Fähigkeit ein, seinen Sexualtrieb zu zügeln um treue Beziehungen eingehen zu können», sagt Lusser.
Er sieht eine Verschwörung homosexueller Kreise: «Das BAG ist von der Homo-Lobby unterwandert», sagt er. Es wolle programmatisch die Gesellschaft sexualisieren. «Die promiskuitive Lebensweise und somit auch Aids sind in der Homosexuellen-Szene besonders weit verbreitet», meint er. Lusser stört sich überdies daran, wie «normal» Homosexualität auf den Sujets dargestellt werde.
Den Vorwurf, dass die Stiftung und die Eltern Kinder für ihre Interessen einspannen würden, lässt er nicht gelten: «Das ist völlig verkehrt. Wir versuchen nicht, Kinder zu instrumentalisieren, sondern sie vor einer schädlichen Kampagne zu schützen», sagt er. Da es um Personenrecht gegangen sei, hätten nur die Geschädigten selber, nämlich die Kinder, die Beschwerdeführer sein können.
Das Bundesamt für Gesundheit kann zu dem laufenden Verfahren keine Stellung nehmen. Zudem sieht es keinen Anlass, sich zu «unbegründeten über die Medien erhobenen Vorwürfen zu äussern.» Zu seiner Kampagne steht das BAG nach wie vor.
HIV bei Heterosexuellen steigend
Über die Vorwürfe, das BAG sei von der «Homo-Lobby» unterwandert, kann Bastian Baumann von der schweizerischen Schwulenorganisation Pink Cross erstmal nur lachen: «Dieser Vorwurf kommt immer wieder. Dabei kenne ich gar keine ‹Homo-Lobby›, nur Interessensverbände wie wir einer unter vielen sind. Dieser Vorwurf zeugt eher von Homophobie als von Politikverständnis», meint er.
Die Behauptung, dass Aids ein Problem von Homosexuellen sei, sei ebenfalls aus der Luft gegriffen: «Ich würde der Stiftung Zukunft CH empfehlen, die HIV-Statistik etwas genauer zu studieren. HIV betrifft Homo- wie Heterosexuelle. Schwule wissen heute sehr gut über die Krankheit Bescheid und schützen sich vorbildlich», sagt er.
Und die Zahlen geben ihm recht: Der Anteil von HIV-Diagnosen bei Männern, die Sex mit Männer haben, betrug 2013 rund 39 Prozent, jener von heterosexuellen Frauen und Männern 49 Prozent. Im Vergleich zu 2012 haben die Ansteckungen bei Heterosexuellen sogar um 6 Prozent zugenommen. Im letzten Jahr haben sich 575 Schweizer mit HIV angesteckt, rund acht Prozent weniger als im Vorjahr.
