Höhere Renten für Teilzeiterwerbstätige und Personen mit tiefen Einkommen, Ende des Reformstaus in der zweiten Säule und mehr Generationengerechtigkeit: Mit diesen Argumenten haben Vertreterinnen und Vertreter von fünf Parteien ihren Abstimmungskampf für die Pensionskassenreform lanciert.
Das Komitee mit Sozialpolitikerinnen und -politikern von SVP, FDP, Mitte-Partei, GLP und EVP trat am Dienstag in Bern vor die Medien. Die BVG-Reform sei überfällig, weil die Renten für Teilzeiterwerbstätige und Personen mit tiefen Einkommen erhöht würden, führte die Allianz ins Feld. Davon profitierten insbesondere viele Frauen.
Heute wird bei der Berechnung des versicherten Lohnes der beruflichen Vorsorge in der zweiten Säule ein fixer Betrag von 25'725 Franken abgezogen. Menschen mit tiefen Einkommen und Teilzeitpensen sind anteilsmässig deshalb viel schlechter versichert als hohe Einkommen oder Vollzeitpensen - das heisst, sie haben kaum eine Chance, relevante Vorsorgevermögen anzusparen.
«Viele Teilzeiterwerbstätige erhalten heute keine oder kaum eine BVG-Rente», sagte die Berner GLP-Nationalrätin Melanie Mettler. Das Gleiche gelte für Erwerbstätige mit mehreren Arbeitgebern oder tiefen Löhnen.
Neu soll der sogenannte Koordinationsabzug 20 Prozent des versicherten AHV-Lohns betragen. Jeder Lohn über der Eintrittsschwelle würde zu 80 Prozent versichert. «Durch diesen Systemwechsel erhalten Teilzeitangestellte und tiefe Einkommen endlich eine deutlich bessere zweite Säule und somit eine anständige Rente», sagte Mettler.
Gesenkt werden soll auch die sogenannte Eintrittsschwelle. Diese legt fest, ab welchem Einkommen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überhaupt in der zweiten Säule versichert werden. Diese Eintrittsschwelle wird mit der BVG-Reform von heute 22’050 Franken auf 19’845 Franken gesenkt.
«Das tönt nach wenig, hat aber einen enormen Effekt», sagte der Berner EVP-Nationalrat Marc Jost. Er zitierte Berechnungen des Bundes, wonach dank dieser Massnahme auf einen Schlag zusätzlich rund 100’000 Einkommen neu im BVG versichert würden - verteilt auf rund 70’000 Personen.
Gleichzeitig sind von der geplanten Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent laut dem Ja-Komitee nur rund 15 Prozent der Versicherten betroffen, wie die Zürcher FDP-Nationalrätin Regine Sauter anmerkte. Beim Rest der Versicherten sei der Umwandlungssatz durch ihre Pensionskasse bereits angepasst worden.
Durch die Reform erhielten insgesamt deutlich mehr Personen eine höhere als eine tiefere Rente, lautet das Hauptargument der Befürwortenden. Das Risiko für Altersarmut werde dadurch gesenkt.
Die Stimmberechtigten können sich am 22. September zur von der Linken bekämpften Reform äussern. Mitte-Präsident Gerhard Pfister warnte vor einer Ablehnung der Vorlage. «Damit würde der Reformstau auch nach zwanzig Jahren weitergehen.»
Tatsächlich sind seit der letzten BVG-Reform viele Jahre vergangen. Verschiedene Versuche für eine Reform der zweiten Säule sind seither gescheitert. Mal an Opposition von Links, wie bei der isolierten Anpassung des Mindestumwandlungssatzes. Mal an Opposition von Rechts, wie bei der Altersvorsorge 2020.
«Das Parlament hat seine Lehren daraus gezogen», sagte Pfister. Einerseits sei auf eine Vermischung der verschiedenen Säulen der Altersvorsorge verzichtet worden. Andererseits sei die Reform keine reine Sanierungsvorlage.
Trotzdem stehen die Befürwortenden der Reform im Gegenwind. Vergangene Woche haben acht Wirtschaftsverbände eine eigene Nein-Kampagne lanciert. Die Vorlage führe zu Fehlanreizen beim Sparen und zu mehr Bürokratie und sei deshalb abzulehnen, argumentiert diese Seite. Zudem seien die Rentenzuschläge falsch kalibriert und unfair verteilt.
Pfister beunruhigt das nicht: «Das linke Lager ist auch nicht geschlossen.» Zudem stünden die Dachverbände der Wirtschaft hinter der Vorlage.
Im Abstimmungskampf müsse sich das Ja-Lager darauf fokussieren, dass die Reform für viele Betroffene bessere Verhältnisse schaffe und nur eine Minderheit von dem tieferen Umwandlungssatz betroffen sei, sagte Pfister. Die Ausgangslage knapp sechs Wochen vor der Abstimmung sei «anspruchsvoll, aber auch reizvoll». (sda)