Diese Woche wurde die Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot» lanciert. Rund 80 Organisationen und Unternehmen unterstützen das Anliegen – darunter Vertreter von der SP und den Grünen sowie verschiedene Tierschutzgruppen und Tierparteien. Die Initianten haben bis am 3. April 2019 Zeit, die nötigen 100'000 Unterschriften zu sammeln.
Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass das Schweizer Stimmvolk über die Forschung an Tieren abstimmt. Tierversuche sind umstritten und lösen immer wieder emotionale Debatten aus, wie die folgende Chronik zeigt.
Am 9. März 1978 stimmte das Schweizer Volk das erste Mal über die Einführung eines Tierschutzgesetzes ab. Vorher war der Tierschutz lediglich im Strafgesetzbuch geregelt. Doch bereits damals wurde das Gesetz harsch kritisiert. Für Tierschützer war es zu lasch. Besonders Tierversuche würden zu wenig eingeschränkt, hiess es.
Als Reaktion wurde eine Initiative lanciert. Sie forderte die Vivisektion bzw. operative Eingriffe an lebenden Tieren, in der ganzen Schweiz zu verbieten. Doch das Begehren kam nicht weit und scheiterte bereits in der Unterschriftensammlung.
Als Reaktion auf das «schlechte» Gesetz lancierte Franz Weber, Journalist und Umweltschützer, 1981 die Initiative «Zur Abschaffung der Tierversuche und der Vivisektion».
1985 konnte das Schweizer Stimmvolk über den Vorschlag abstimmen. Weber und die Initianten scheiterten. Das Stimmvolk schmetterte die Initiative mit 72,2 Prozent Nein-Stimmen ab.
Sieben Jahre nach der ersten abgelehnten Initiative zum Verbot von Tierversuchen wurde der zweite Versuch gestartet. Die Initiative trug den Titel «Zur drastischen und schrittweisen Einschränkung der Tierversuche (Weg vom Tierversuch!)». Sie wollte kein absolutes Verbot von Tierversuchen, forderte aber eine sehr restriktive Einschränkung. Ausnahmen sollten nur vom Bund erlaubt werden.
Aber auch dieser Vorschlag ging unter: Lediglich 39,3 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung stimmte ihm zu.
Die nächste Initiative liess nicht lange auf sich warten: Knapp ein Jahr später und mit einem klareren Titel («Zur Abschaffung der Tierversuche»), forderten Tierschutzorganisationen wiederum ein Verbot sämtlicher Tierversuche in der Schweiz.
Doch auch Initiative Nummer drei scheiterte an einem überwiegendem «Nein». 72,2 Prozent wollten kein Verbot. Selbst Tierschützer kritisierten die Vorlage – zu leicht würde das Verbot durch Outsourcing ins Ausland umgangen werden können, hiess es.
Fünf Jahre später reichte die Arbeitsgruppe «Gentechnologie SAG» die Initiative «Zum Schutz von Leben und Umwelt vor Genmanipulation (Gen-Schutz-Initiative)» ein.
Ein emotionaler Streit entbrannte. An der Seite der SAG kämpften auch Tierschutzverbände. Ihr Ziel: Gentechnische Manipulationen an Tieren zu verbieten.
Wenig überraschend scheiterte auch diese Initiative – sie wurde in keinem einzigen Kanton angenommen. 66,7 Prozent aller Stimmen sagten Nein.
Nach den zahlreichen Niederlagen wurde es längere Zeit ruhig. Doch der Streit um Tierversuche brodelte weiter. 2014 kam es zu einem erneuten Eklat: Nicht wegen einer Initiative, sondern wegen eines Neurowissenschaftlers.
Seit 2009 wurden in Zürich keine Tierversuche an Primaten mehr durchgeführt. Am 24. April 2014 reicht der Neurowissenschaftler Valerio Mante ein Gesuch bei der Tierversuchskommission des Kantons Zürich ein. Er wollte zwei oder drei Rhesusaffen untersuchen, um daraus Erkenntnisse für die Behandlung von psychischen Krankheiten wie Schizophrenie zu ziehen.
Das Veterinäramt bewilligte das Gesuch von Mante. Drei Mitglieder der elfköpfigen Tierversuchskommission erhoben jedoch Einsprache dagegen. Der Versuch verletze die Würde des Tieres, wurde argumentiert. Der Regierungsrat wies den Rekurs im Dezember 2015 ab.
Tierschützer zogen den Fall an das Verwaltungsgericht weiter. Im April 2017 entschied das Verwaltungsgericht über den Fall. Sie gaben dem Neurowissenschaftler recht und bezeichneten den Tierversuch als bewilligungsfähig.
Nach dem Entscheid des Verwaltungsgerichts formte sich Widerstand: Im Mai versammelten sich rund 300 Aktivistinnen und Aktivisten in der Zürcher Innenstadt. Sie demonstrierten für ein Verbot von Tierversuchen. «Die ETH ist schuldig, die Uni macht mit, auf Kosten der Tiere ein Mordsprofit!», skandierten sie. Und immer wieder: «Tiere raus, raus aus den Laboren!»
Fünf Monate später liegt die nächste Tierversuchs-Initiative druckfrisch bereit – und wartet auf die 100'000 Unterschriften. Ziel von Initiant Simon Kälin-Wert und dem Komitee ist es, Tierversuche per Gesetz als Quälerei und Verbrechen einzustufen.
Doch bereits jetzt formt sich der Widerstand. Die Schweiz habe schon heute eine der umfassendsten Tierschutzgesetzgebungen weltweit, so das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Jeder einzelne beantragte Tierversuch müsse von einer kantonalen Tierversuchskommission begutachtet werden.
Ob sich die fünfte und neuste Initiative durchsetzen bzw. überhaupt zustande kommen wird, zeigt sich am 3. April 2019. Bis dann müssen 100'000 Unterschriften gesammelt worden sein.