Die Gelenke der Münchnerin waren geschwollen, ihr Blutdruckmessgerät zeigte einen zu hohen Wert an. Die 59-Jährige suchte Rat bei ihrer Hausärztin, die ihr mit einem Medikament zu helfen versuchte. Doch: Kurz darauf war die Patientin tot. Die Arznei enthielt den Wirkstoff Metamizol, auf den die Patientin allergisch reagierte, was vermutlich zu ihrem Tod führte.
Ein Extremfall. Doch er zeigt auf: Macht ein Hausarzt einen Fehler, kann dies verheerend sein.
Wissenschaftler des Instituts für Hausarztmedizin der Universität Zürich haben nun erstmals untersucht, wie viele Fehler in Schweizer Hausarztpraxen im Umgang mit Medikamenten passieren. Dafür meldeten 148 Hausärzte und 32 Kinderärzte ein Jahr lang jeden Zwischenfall, der sich ereignete.
In einer Schweizer Hausarztpraxis gibt es pro Jahr zwei Zwischenfälle. Sprich: 46,5 pro 100'000 Patienten. Beinahe keine Fehler gibt es bei Kinderärzten mit 3 Zwischenfällen pro 100'000 Patienten.
Markus Gnädinger, selber Hausarzt und einer der Autoren der Studie, spricht von erfreulichen Zahlen. Damit würden die Hausärzte im Vergleich zum Spital sehr gut dastehen, «auch wenn man die Situation natürlich nicht direkt vergleichen kann».
Der Forscher relativiert die tiefen Zahlen aber: «Viele Fehler haben keine Folgen und werden daher weder vom Hausarzt noch vom Patient bemerkt.»
Zudem gibt es eine weitere mögliche Verzerrung: Die Studienautoren waren darauf angewiesen, dass die Ärzte die Fehler wirklich bei ihnen meldeten.
Fehler Nummer 1) Es wurde das falsche Medikament abgegeben oder verschrieben.
2) Die Dosierung war zu hoch.
3) Die Dosierung war zu tief.
4) Ein wichtiges Medikament wurde nicht verabreicht.
5) Das Medikament wurde zu lange eingenommen.
Offensichtlich war Folgendes: Im Umgang mit Blutverdünner passierten sieben Mal mehr Zwischenfälle als mit anderen Medikamenten wie beispielsweise Antibiotika. Die zum Beispiel deshalb, weil vielfach vergessen wird, sie nach einer Operation wieder einzusetzen.
Für die Fehler verantwortlich war nicht in jedem Fall der Hausarzt. Der Fehler konnte beispielsweise auch bei der Spitex oder beim Pflegeheim liegen. Die folgende Grafik zeigt, wen die Ärzte jeweils als Hauptverantwortlichen des Fehlers sahen:
«Es gibt verschiedene Gründe für Medikationsfehler, doch oftmals sind sie verbunden mit Kommunikationsproblemen», schreiben die Studienautoren in der Arbeit.
Vielfach passieren Fehler dabei bei Schnittstellen. Wie beispielsweise zwischen Arzt und Pflegeheim oder der Spitex.
Trotz Fehlern: In den meisten Fällen geht das ganz gut aus, wie die Studie zeigt. Bei der Untersuchung gab es bei 197 Patienten Zwischenfälle, für die Hälfte von ihnen hatten sie aber keine gesundheitlichen Folgen.
Die meisten der anderen Patienten verspürten wegen dem Fehler entweder leichte oder mittelschwere Symptome. Nicht so glimpflich ging es für sieben Patienten aus. Sie mussten im Spital behandelt werden. Tödlich endete aber keiner der Zwischenfälle.
Die Studie konnte feststellen, dass es Eigenschaften von Patienten gibt, die das Risiko für einen Fehler erhöhen. Und zwar: Je älter, je mehr Medikamente der Patient hat und je mehr er auf Pflege angewiesen ist, desto häufiger kommt es zu einem Zwischenfall.
Auch eine psychische Erkrankung des Patienten scheint zu mehr Fehlern bei der Medikation zu führen.
«In erster Linie zeigt unsere Studie, dass man mit einem guten Gefühl zum Hausarzt gehen kann», sagt Gnädigner. Trotz der aus seiner Sicht erfreulichen Resultaten, sieht er Verbesserungspotential.
«Vor allem bei älteren, polymedizierten Patienten ist eine erhöhte Wachsamkeit vonnöten, insbesondere bei der Verordnung von blutverdünnenden Mitteln.»
Gnädinger empfiehlt, dass Patienten einen schriftlichen Medikationsplan verlangen sollen, den sie dann bei einer Überweisung oder in einer Notfallsituation vorzeigen können. «Damit können viele Fehler präventiv verhindert werden.»