Zecken sind wie Zahnarzttermine: Man vergisst sie allzu schnell. Dabei sind die Blutsauger aktiver als je zuvor. 28'980 Menschen suchten laut Bundesamt für Gesundheit im Jahr 2016 wegen eines Zeckenstichs einen Arzt auf. Die Frage stellt sich: Sind wir uns der Gefahr durch Zecken zu wenig bewusst?
Keine Region der Schweiz ist vor den blutsaugenden Milben gefeit. Das zeigt die erste Zeckenstichkarte der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein. Grundlage bilden knapp 6500 Stichmeldungen von Nutzern der App «Zecke», die Forscher der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) seit zwei Jahren sammeln. Wer gestochen wird oder eine Zecke sichtet, kann dies über die App melden. Über 45'000 Mal wurde die kostenlose App laut Angaben der ZHAW bisher heruntergeladen.
Bei der Auswertung der gesammelten Daten fällt auf: Die Mehrheit der Stichmeldungen stammt aus dem urban geprägten Mittelland. Rund jeder zehnte Zeckenstich wird dabei im Kanton Aargau verzeichnet. Zürich schwingt mit 986 Stichmeldungen obenaus. Bern (674) und Vaud (630) gehören zu den anderen Sorgen-Kantonen. Dagegen fallen die Stichzahlen in ländlichen Gebieten kleiner aus: Gerade mal 2,8 Prozent der gesamtschweizerischen Zeckenbisse wurden in den östlichen Zentralalpen verzeichnet.
Eine Erklärung für die Diskrepanz zwischen Stadt und Land ist schwierig zu finden: «Die Zeckenstichkarte bietet viel Interpretationsspielraum», sagt Werner Tischhauser, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Phytomedizin an der ZHAW. Durchaus sei möglich, dass Mittelländer die App «Zecke» einfach häufiger installiert haben als Menschen in ländlichen Gegenden. So würden in den urbanen Regionen auch logischerweise mehr Stichmeldungen verzeichnet: Ganze 23 Prozent aller Stichmeldungen kamen aus Siedlungsgebieten. Dies ist laut Tischhauser darauf zurückzuführen, dass es dort auch mehr Leute hat, die sich draussen bewegen. Hierauf nehme die Witterung starken Einfluss.
Die Auswertung der App-Daten zeigt Bedenkliches: Die Blutsauger sind immer häufiger in höheren Gefilden anzutreffen – sogar in Gebieten auf über 1500 Meter über Meer. Die Ausdehnung des Zecken-Lebensraums ist wahrscheinlich eine Folge des Klimawandels, mutmasst Tischhauser.
Angst wolle man den Leuten aber auf keinen Fall machen: «Aus der Karte soll man nicht schliessen, dass die Zeckenpopulation in den markierten Gebieten grösser ist, als anderswo», betont Tischhauser. «Vielmehr wollen wir der breiten Bevölkerung aufzeigen, dass es nicht nur im Wald sondern auch in Siedlungsgebieten Zecken gibt und Menschen dort auch gestochen werden.»
Die App soll deshalb zeigen, wie sich die Menschen schützen können. «Viele wissen zu wenig über grundlegende Schutzmassnahmen Bescheid.» Die ZHAW-App zeigt darum auch auf, wie man Zecken entfernen und die Anzeichen der durch Zecken übertragbaren Krankheiten – Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und Lyme-Borreliose – erkennen und behandeln kann. Das interaktive Hilfsmittel weist die Benutzer zudem mit einer Gefahrenpotenzial-Karte auf lokale Zeckenrisiken hin.
Für den Wanderausflug durch Wald und Wiese empfiehlt die Tischhauser, lange Hosen und geschlossene Schuhe zu tragen, sich vorgängig mit Zeckenschutzmittel einzusprühen und eine Zeckenpinzette einzupacken. Hält man sich häufig in einem bekannten Gebiet mit FSME-infizierten Zecken auf, solle man erwägen, sich vorab gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis impfen zu lassen. (aargauerzeitung.ch)