In der Schweiz werden einige Berggebiete seit Jahrzehnten lückenlos überwacht, um die Bevölkerung im Ernstfall rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Eines der «Sorgenkinder» ist der Felsberger Calanda, von dem 2001 schon 300'000 Kubikmeter Fels ins Tal donnerten.
Der unruhige Fels prägt die Gemeinde Felsberg seit ihrer Gründung. Wie die im Internet der Gemeinde veröffentlichte Dorfchronik zeigt, war ein Felssturz am Calanda am 3. September 1843 für die Gründung von Neu-Felsberg verantwortlich. Zunächst hatten sich die Dorfbewohner zwar entschlossen, Felsberg aufzugeben, nachdem «hausgrosse Felsblöcke in die Tiefe» gestürzt waren.
Die Hoffnungen, sich in Chur oder Domat/Ems anzusiedeln, zerschlugen sich aber. So kehrten die Leute zurück und bauten nach und nach das neue Dorf weiter vom Berg entfernt auf.
Im Bündnerland wird auch der Cuolm da Vi nördlich von Sedrun dauernd mit Messgeräten beobachtet und im Kanton Uri der Chli Windgällen ob der Silenen, wie Arthur Sandri, vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) sagte. Sandri ist dort bei der Abteilung Gefahrenprävention Chef der Sektion Rutschungen, Lawinen und Schutzwald.
Die Naturgefahren seien nicht überall gleich ausgeprägt. Wann und wo man genauer hinsehen muss, entnehmen die Experten den Gefahrenkarten, die die Gemeinden für den besiedelten Raum erstellt haben.
«Wenn man sieht, dass es ein Problem an einem Hang gibt, zieht man eine Überwachung auf. Der Aufwand hängt vom Risiko ab.» Dies könne eine Spaltenmessung einmal pro Jahr sein und bis zur Einrichtung eines Messnetzes gehen, das permanente Resultate liefere.
«Ist eine Überwachung aufgezogen, können wir manchmal sogar bis auf wenige Stunden genau sagen, wann der Fels abstürzen wird. Dies ist zum Beispiel beim Felssturz des Calanda 2001 so gewesen», sagte Sandri.
Auch in Bondo hätten die Behörden das betroffene Seitental bereits acht Tage vorher gesperrt. Dennoch hielten sich acht Wanderer im Absturzgebiet auf.
Nicht bestimmen können die an der Oberfläche installierten Messgeräte, wie viel Fels sich lösen wird. Im Falle Bondos rechnete man laut Sandri mit 1.5 Millionen Kubikmetern. Es kamen 4 Millionen.
Lückenlos überwacht werden die Hänge rund um die Stauseen. Die Schweiz will so eine Tragödie verhindern, wie sie sich 1963 am Vajont-Stausee (I) abgespielt hatte.
Damals löste das Aufstauen des frisch fertiggestellten Stausees einen Felssturz am Monte Toc aus. Die Felsmassen füllten den Stausee nahezu auf. Eine riesige Flutwelle stürzte über die Staumauer und löschte das Städtchen Longarone aus. 2000 Menschen starben.
In Zukunft setzt den Alpen der Klimawandel immer stärker zu. «Wir rechnen damit, dass in Höhenlagen zwischen 2500 Metern – in Nordhängen schon ab 2200 Metern – und 3000 Metern der Klimawandel den grössten Effekt haben wird», sagte Sandri. Grund sei der Rückzug der Gletscher.
In diesen Höhen lägen keine Siedlungsgebiete mehr. Menschen seien dennoch betroffen, denn es gebe Ereignisse, die Auswirkungen bis ins Tal hätten wie in Bondo. Zudem gebe es dort touristische Aktivitäten wie Skifahren oder Wandern. Gerade Touristen seien in akuten Gefahrenlagen schwierig zu erreichen.
Für Naturgefahren haben die Behörden verschiedene Instrumente in der Hand, so auch organisatorische Massnahmen wie Strassensperrungen und Evakuierungen. «Das hat im Falle Bondos sicher vielen Einheimischen das Leben gerettet, leider aber vermutlich einigen Touristen nicht», sagte Sandri.
Es gebe weitere technische Massnahmen wie Verbauungen. Schliesslich seien auch Umsiedlungen möglich wie nach dem Felssturz von Preonzo TI geschehen. Dort war im Mai 2012 in der Nähe des Industriegebiets der Leventiner Gemeinde eine grosse Menge Fels ins Tal gestürzt.
Mit Hilfen von Bund und Kanton wurden die meisten Betriebe inzwischen umgesiedelt. (sda)