Frau Laskowski, Sie haben das Gesetz entworfen, das in Brandenburg für eine kleine politische Revolution gesorgt hat: eine 50/50-Quote für Wahllisten. Wieso?
Silke Laskowski: Der Grundgedanke der parlamentarischen Demokratie ist die Selbstbestimmung des Volks. Dieses besteht nun mal aus zwei Kerngruppen: Frauen und Männer. Erstaunlicherweise will man das aber weder in Deutschland akzeptieren noch in der Schweiz.
Männer, gerade in linken Parteien, begreifen sich mittlerweile oft als Feministen. Spielt es denn eine Rolle, ob eine Frau oder ein Mann die Gleichberechtigung vorantreibt?
Ja, Männern fehlt der weibliche Blick. Wir alle haben durch Sozialisation erworbene Erfahrungen, erachten unterschiedliche Dinge als wichtig oder als weniger wichtig. Erziehung, Werbung, Vorbilder prägen unsere Sicht auf die Welt, und die weibliche Sicht unterscheidet sich deutlich von der männlichen.
Sollte man denn nicht da ansetzen?
Man hat das in den 60er-Jahren versucht, indem man Mädchen einen Plastikrevolver in die Hand drückte und Buben pinke Zauberstäbe. Am Ende spielen Jungs trotzdem lieber Fussball und Mädchen mögen Pferde, das alles ist auch nicht tragisch. Wichtig ist, dass die so erworbenen Erfahrungshintergründe gleichmässig in den Parlamenten abgebildet werden, denn dort werden die verbindlichen Spielregeln beschlossen, die die Zukunft einer Gesellschaft prägen.
Sie haben in Interviews immer wieder gesagt, man wolle nicht über das Thema Gleichberechtigung in der Politik sprechen. Warum ist das so?
Gleichberechtigung ist ein No-go-Thema, noch immer. Ich beschäftige mich schon lange damit und die Rückmeldung war lange immer die gleiche: «Diskriminierung der Frau? Ach bitte, das gibt es doch spätestens seit den 90er-Jahren nicht mehr!» Männer sind nicht daran interessiert, die Strukturen zu ändern, schliesslich sind sie diejenigen, die am meisten von den Strukturen profitieren. Das geht Jahrzehnte zurück, letztendlich auch auf den verheerenden Einfluss der Nationalsozialisten.
Die Nazis? Das müssen Sie erklären.
Es geht oft vergessen, dass die Nationalsozialisten nicht nur antisemitisch und rassistisch waren, sondern eben auch durch und durch sexistisch. Das wurde in Deutschland interessanterweise nie aufgearbeitet, in den Sozialwissenschaften vielleicht, oder in der Genderforschung. Aber nicht in den Rechtswissenschaften, wo es eigentlich hingehört.
Ein Vorwurf gegen das Gesetz lautet: Wenn die Frauen zu 50 Prozent im Parlament vertreten sein sollten, dann müssten auch alle anderen Minderheiten angemessen vertreten sein. Müssen wir auch Quoten für Langstreckenpendler und Kaninchenzüchter verabschieden?
Zuallererst: Frauen sind keine Minderheit, sie sind die Mehrheit. Ihre Beispiele in Ehren, aber die Relevanz ist bei diesen Gruppen eher bescheiden. In der deutschen Verfassung gibt es Regelungen, die sich speziell um die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann kümmern. Das zeigt, dass es einen besonderen Stellenwert hat und sich abhebt von Diskriminierungsverboten, von denen wiederum andere Gruppen betroffen sind, Migranten etwa.
Spricht man in der Schweiz mit Politikerinnen und Politikern, sagen viele: Die Idee ist gut, aber die Reihenfolge ist falsch. Zuerst müsse man bei den gesellschaftlichen Strukturen ansetzen, die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Politik. Dann werde sich schon alles richten. Ausserdem ist hierzulande nichts so sehr verpönt wie «Zwängerei» per Gesetz.
Ja, das höre ich hier auch immer wieder. Seit 100 Jahren wird die Freiwilligkeit gefordert, seit 100 Jahren wird Geduld gepredigt. Nur: Mit Geduld und Freiwilligkeit ändert man keine Systeme. Warum auch, schliesslich gibt niemand gerne Privilegien ab; Könige danken nicht freiwillig ab, Diktatoren nehmen nicht freiwillig den Hut, Männer entledigen sich nicht freiwillig ihrer Privilegien.
Der Weg an die Spitze sei hart, hört man auch. Da brauche es halt Durchhaltevermögen und Stehkraft. Etwas, das Frauen im Gegensatz zu Männern weniger gegeben sei ...
Dieses Argument ärgert mich masslos. Es geht hier nicht um ein individuelles Problem von Frauen, die zu ängstlich sind oder sich nicht trauen. Es gibt mutige, engagierte und gewillte Frauen. Aber sobald sie in der Politik aufsteigen wollen, merken sie, es gibt Seilschaften, es wird gemauschelt, es wird gedealt und es wird getrickst: und zwar nach Regeln, die von Männern aufgestellt wurden und Männer begünstigen.
Sie sagen, die Chancengleichheit ist in den Parteien nicht vorhanden.
Nein, manchmal ist dies verschleiert, manchmal sehr offen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn man in Deutschland nominiert werden will von einer Partei für ein Mandat, muss man bereit sein, selber zu investieren. Und wenn man dann an die Lohndiskriminierung denkt, merkt man, wie ausgeklügelt dieses System Frauen diskriminiert.
Die Parität bringt Parteien aber in eine verzwickte Lage: Der Frauenanteil ist in den meisten Parteien viel tiefer als 50 Prozent, entsprechend schwierig, so Kritiker, sei es, geeignete Frauen zu finden.
Es liegt doch nicht daran, dass zu wenig Frauen da sind, sondern an den Nominierungsverfahren und an der Vorwahl. Da werden Frauen diskriminiert. Da fällt mir eine Anekdote ein ...