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Es ist Februar. Und wie so oft in diesem Monat nimmt die Zahl der Grippeinfektionen in der Schweiz stark zu. Auch in den Spitälern stecken sich zahlreiche Patienten mit dem Grippevirus an. Zahlen gibt es dazu keine. Woher die Ansteckungen kommen, ist hingegen klar: Entweder von Besuchern, von anderen Patienten oder vom Spitalpersonal. Erstaunlicherweise ist ein Grossteil dieses Personals nicht gegen die Grippe geimpft; in der Deutschschweiz sind es gerade einmal 16 Prozent. Auffallend: Das Pflegepersonal lässt sich deutlich weniger impfen als die Ärzte. Roswitha Koch, Leiterin Pflegeentwicklung vom Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK, weiss warum.
Die Impfquoten in der Schweiz sind äusserst tief. In Luzern lassen sich nur 10 Prozent der Pflegenden impfen, in Bülach sind es 7,7 Prozent, wie der Tages-Anzeiger schreibt. Warum sind die Quoten bei ihrem Berufsstand so tief?
Roswitha Koch: Man muss unterscheiden. Bei Impfungen, wie zum Beispiel Hepatitis B, ist die Quote unter den Pflegenden hoch. Sie beträgt über 90 Prozent. Bei der Grippeimpfung sieht es tatsächlich anders aus. Dies hat zum damit zu tun, dass die Impfstoffe nicht jedes Jahr gleich wirksam sind und bei gewissen Personengruppen wenig Wirkung erzeugen.
Das Pflegepersonal traut der Grippeimpfung also nicht?
Viele Pflegende sind der Meinung, es gebe andere Wege, den Patienten vor Ansteckungen zu schützen: Erstens konsequent Masken zu tragen bei Erkältungen, zweitens die Hände immer zu desinfizieren und drittens nicht zur Arbeit zu kommen, wenn man krank ist.
Warum weigern sich die Pflegenden in der Deutschschweiz vehementer gegen Impfungen als ihre Kollegen aus der Westschweiz? In Genf zum Beispiel liegt die Impfquote bei 30 Prozent.
Ich weiss, dass am Universitätsspital Genf zum Teil drastische Massnahmen ergriffen worden sind. Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner, die sich nicht impfen lassen, müssen einen Batch tragen auf dem steht, dass sie sich nicht impfen liessen. Zudem gibt es für Nicht-Geimpfte ein Maskentrag-Obligatorium. Wir finden solche Aktionen, sagen wir mal, speziell. Ein weiterer Grund für die höhere Quote dürfte sein, dass es in Genf mehr ausländisches Personal gibt, dass sich weniger gegen Anweisungen von oben wehrt als Schweizer.
Haben Sie sich gegen Grippe impfen lassen?
Ja. Und ich möchte festhalten, es ist eine gute Sache. Wir empfehlen den Pflegefachpersonen, sich impfen zu lassen und unterstützen den Appell des Bundesamts für Gesundheit. Allerdings darf und soll jeder für sich selber entscheiden dürfen. Wir jagen keine Quoten. Wie die Zahlen zeigen, ist der Erfolg mässig.
Kann das damit zu tun haben, dass das Pflegepersonal keine Lust hat, ständig den Ärzten zu gehorchen, ihrem Rat zu folgen?
Ich kenne diese Theorie, glaube aber nicht daran. Ich denke eher, es hat er mit dem massiven Druck zu tun, der aufgesetzt wurde, als die Vogel- und auch die Schweinegrippe ausbrach. Damals wurde viel erzählt, was sich – glücklicherweise – nicht bewahrheitete. Man kann den Verlauf und Schweregrad einer solchen Epidemie nur bedingt voraussagen. Viele Pflegende verloren das Vertrauen.
Müssten die Spitäler nicht alles daran setzten, eine möglichst hohe Impfquote zu erreichen? Könnte es sein, dass Häuser mit tiefen Quoten mit der Zeit Patienten fehlen, weil diese Angst vor Ansteckungen haben?
Das Risiko besteht, ist aber vergleichsweise klein. Wie viele Todesfälle es in Spitälern aufgrund von Grippe-Ansteckungen gibt, weiss ich nicht, es ist die Rede von 400 pro Jahr in der Schweiz. Patienten mit Vorerkrankungen sind besonders gefährdet und sind daher eine wichtige Zielgruppe der Impfkampagne des Bundes. Im Vergleich zu anderen vermeidbaren Todesursachen ist die Zahl aber tief.