Der Ständerat will die Pädophilen-Initiative nicht direkt anwenden. Die Mehrheit ist der Auffassung, dass es dafür ein Gesetz braucht. Am Montagnachmittag ist die kleine Kammer auf die Vorlage eingetreten.
Die Änderung des Strafgesetzbuchs soll den im Mai 2014 angenommenen Verfassungsartikel konkretisieren. Dieser verlangt, dass Personen, die wegen Sexualdelikten an Kindern oder abhängigen Personen verurteilt wurden, nie mehr eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit Minderjährigen oder Abhängigen ausüben dürfen.
Nach dem Wortlaut der Bestimmung dürfen die Umstände des Einzelfalls nicht berücksichtigt werden. Diesen Automatismus will der Bundesrat mit einer Härtefallklausel entschärfen. Er will auch zulassen, dass ein einmal verhängtes Tätigkeitsverbot nach zehn Jahren überprüft und allenfalls aufgehoben werden kann. Dieser Vorschlag hat in der vorberatenden Kommission keine Mehrheit gefunden.
Bevor der Ständerat über diese Details der Vorlage beraten konnte, hatte er einen Nichteintretensantrag zu behandeln. Eine Minderheit unter Führung des Strafrechtlers Daniel Jositsch (SP/ZH) lehnte das Umsetzungsgesetz grundsätzlich ab.
Zur Diskussion stehe schon wieder eine «Umsetzung light», sagte Jositsch. Im Zusammenhang mit Volksinitiativen sei das eine gefährliche Tendenz. Die Bevölkerung habe im Wissen darum entschieden, dass der Richter keinen Ermessensspielraum mehr habe.
Bundesrat und Kommission versuchten sich nun erfolglos an der Quadratur des Kreises, sagte Jositsch. Deren Vorschläge setzten jedoch weder die Initiative vollständig um, noch wahrten sie in jedem Fall übergeordnete Rechtsgrundsätze. Beides gleichzeitig sei gar nicht möglich. Daher plädierte Jositsch dafür, auf eine Umsetzung zu verzichten und die Anwendung den Gerichten überlassen.
Die Verfassungsbestimmung enthalte unbestimmte Rechtsbegriffe, sagte Kommissionssprecher Fabio Abate (FDP/TI). Diese seien nicht derart präzise, als dass die Bürgerinnen und Bürger ihr Verhalten danach ausrichten könnten. Andrea Caroni (FDP/AR) warnte davor, die heisse Kartoffel an die Gerichte weiterzureichen.
Thomas Minder (SH/parteilos) verlangte eine scharfe Umsetzung ohne Härtefallklausel. Seiner Ansicht nach ist die Initiative schon darum verhältnismässig, weil sie von Volk und Ständen angenommen worden ist.
Beat Rieder (CVP/VS) erinnerte jedoch daran, dass eine Verfassungsbestimmung keineswegs wörtlich umgesetzt werden muss. Vielmehr gelte es, den Volkswillen möglichst unverfälscht, aber im Rahmen aller Verfassungsbestimmungen umzusetzen.
Auch bei der Umsetzung anderer Initiativen seien verschiedene Interessen berücksichtigt worden, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Sie erwähnte die Alpen- oder die Zweitwohnungsinitiative. Der Gleichstellungsartikel sei nach Jahrzehnten noch immer nicht vollständig umgesetzt.
Schliesslich trat der Ständerat mit zu 35 zu 7 Stimmen auf die Vorlage ein. Nun berät er die Details des Umsetzungsgesetzes. (sda)