Über sieben Jahre ist der tödliche F/A-18-Absturz am Sustenpass her.
Zum Unfall kam es am 29. August 2016 beim Kampftraining zweier F/A-18-Kampfflugzeuge. Kurz nach dem Start sahen sich die beiden Piloten aufgrund schlechter Sichtverhältnisse nicht mehr. Deshalb folgte der «Trailer»-Pilot seinem Fluglehrer, dem sogenannten «Leader», mit dem Bordradar. Doch der Leader startete steiler durch die Wolkendecke als sein Kollege, weshalb der Radarkontakt verloren ging. Der Trailer-Pilot funkte dem Fluglotsen im Tower von Meiringen den Vorfall, um Anweisungen zu erhalten.
Wenige Minuten später prallte der 27-jährige Trailer-Pilot in eine Felswand und starb.
Seit Donnerstag müssen sich nun ein Flugverkehrsleiter von Skyguide und ein Pilot der Schweizer Luftwaffe vor dem Militärgericht verantworten. Sie sind beide unter anderem wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Gemäss Anklageschrift wies der angeklagte Flugverkehrsleiter dem Unglückspiloten eine zu tiefe Flughöhe zu. Dem Leader-Piloten wird eine Mitverantwortung zugeschrieben. Hätte er seine Sorgfaltspflicht als Lehrer gegenüber seinem Schüler nicht verletzt, so hätte dieser gar nicht erst den Flugverkehrsleiter kontaktieren müssen, wie es heisst.
Die Hauptverhandlung in Muttenz ist auf vier Tage angesetzt. Das Urteil wird am Nachmittag des 9. Januar eröffnet werden.
Das hat sich am Freitag, dem zweiten Prozesstag, ereignet:
Der angeklagte Flugverkehrsleiter sagte am Freitagmorgen vor dem Militärgericht in Muttenz BL, er habe die fehlerhafte Anweisung für den Unglückspilot zu spät realisiert.
Nach der Nachricht, dass die beiden Flugzeuge nicht per Radar verbunden waren («Break lock»), habe er sich darauf konzentriert, den «Leader» der Zweier-Patrouille und den nachfolgenden später verunglückten «Trailer» voneinander zu trennen.
«Wenn ich nicht separiert hätte, wären vielleicht zwei Kampfjets miteinander kollidiert», sagte der Mitarbeiter der Flugsicherung Skyguide bei der Befragung. Nachdem er gesehen habe, dass sich die Radarechos der beiden Flugzeuge berührten, habe er «instinktiv» reagiert und sich auf die Separation konzentriert – dies sei für ihn als Flugverkehrsleiter auch die Hauptaufgabe. «Das Stresslevel war hoch», erinnerte er sich weiter.
Erst im Gespräch mit der Einsatzzentrale habe er bemerkt, dass er mit seiner Anweisung ein neues Problem geschaffen habe, nämlich mit der fehlerhafte Höhenzuweisung für den Trailer-Piloten. Er vermute, er habe sich bei der Anweisung zur Flughöhe versprochen, sagte der Skyguide-Mitarbeiter weiter. Erst zu spät habe er realisiert, dass er einen Steigflug hätte anordnen müssen.
Der zweite Angeklagte hat am Freitag vor dem Militärgericht in Muttenz BL zum tödlichen F/A-18-Flugunfall am Sustenpass ausgesagt. Der Pilot bestritt jegliche Verantwortung für den Unfall seines Flugschülers, der ihm in der Zweierpatrouille folgte.
«Herr Präsident, ich bin nicht schuldig», sagte der Pilot gleich zu Beginn der Befragung. In der Anklageschrift wird ihm vorgeworfen, als «Leader» in Abweichung zu den Geschwindigkeitsvorgaben geflogen zu sein. Dabei habe ihn das folgende «Trailer»-Flugzeug vom Radar verloren, was als «Break lock» bezeichnet wird.
Dem Leader-Pilot wird vorgeworfen, zur Verkleinerung der Distanz und somit zum Verschwinden aus der Radar-Sichtbarkeit beigetragen zu haben. «Ich bin nicht einverstanden mit dieser Aussage – meine Geschwindigkeit war nicht zu tief», sagte der Angeklagte bei der Befragung. Er sagte, er habe beide Break-Lock-Meldungen gehört. Dies stelle keine Notfallsituation dar, auf die man mit Hektik zu reagieren habe. Er habe auch nicht eingreifen können, da er seinen Trailer nicht fernsteuerte.
Der Auditor hat am Freitag beim Militärgerichtsprozess in Muttenz BL zum tödlichen F/A-18-Unglück beim Sustenpass bedingte Freiheitsstrafen gefordert. Für den angeklagten Flugverkehrsleiter verlangt er zwölf Monate, für den Militärpiloten neun Monate.
Die beiden seien unter anderem der fahrlässigen Tötung schuldig zu sprechen, sagte der Auditor. Bei den bedingten Strafen habe die minimale Probezeit von zwei Jahren zu gelten. Es sei zu berücksichtigen, dass sowohl der Pilot wie auch der Flugverkehrsleiter ihre Fehler, die mutmasslich zum Unglück führten, zu korrigieren versuchten.
Der Auditor sagte zur Begründung des erforderten Strafmasses, es sei erwiesen, dass sowohl der Flugverkehrsleiter wie auch der Leader-Pilot der Zweier-Patrouille gegen die Dienstvorschriften gehandelt hätten.
Die Verteidiger plädierten, den angeklagten Lotsen und einen Piloten von allen Vorwürfen – darunter fahrlässige Tötung – freizusprechen.
So sprach der Verteidiger des angeklagten Flugverkehrsleiters von einer «eigenverantwortlichen Selbstgefährdung». Ein Pilot müsse wissen, dass er die Berge nicht auf einer Flughöhe von 10'000 Fuss oder 3048 Metern überqueren könne. «Das Einhalten der Mindestflughöhe muss jedem Piloten bekannt sein», sagte der Anwalt. Die Verantwortung, Kollisionen mit dem Gelände zu vermeiden, liege somit beim Piloten und nicht bei der Flugsicherung. Diese habe schliesslich keine Kontrolle über die Maschine.
Zudem sei ein Flugverkehrsleiter nicht für den Bezug zum Gelände, sondern nur zu anderen Flugzeugen zuständig, sagte der Verteidiger weiter. Es habe in der Situation eine ernsthafte Gefahr bestanden, dass das sogenannte Trailer-Flugzeug mit der Leader-Maschine vor ihm kollidiere. Hier habe sein Mandant handeln und den Steigflug sofort stoppen müssen, sagte der Verteidiger. Objektiv habe der Lotse des Flugplatzes Meiringen BE vorschriftsgemäss gehandelt.
Der Verteidiger des Leader-Piloten war ebenfalls der Ansicht, sein Mandant trage keine Schuld an dem Unglück – er habe das Flugprofil eingehalten. Beim Steigflug, bei dem sein Schüler ihn auf dem Radar nicht mehr sah, sei er punkto Winkel und Geschwindigkeit im Rahmen unterwegs gewesen. Die Abweichungen seien dabei nicht gravierend gewesen.
(lst/sda)