Herr Meyer, Sie haben heute den «Superveloce» präsentiert, einen Zug, mit dem man Mailand von Zürich aus in weniger als drei Stunden erreichen soll. Ab wann fährt der Super-Zug?
Andreas Meyer: Das wissen wir noch nicht genau. Wir versuchen, ihn auf das Jahr 2020 auf die Schiene zu bekommen, wenn der Ceneri-Basistunnel eröffnet wird. Unter dem Titel «Chance Ceneri» versuchen wir verschiedene Projekte anzupacken, wie wir es schon beim Gotthard getan haben, um möglichst viel aus der Infrastruktur zu machen.
Der Superveloce befindet sich noch in der Werkstatt-Phase. Ihn nun zu präsentieren, ist also eher ein Signal als eine konkrete Neuerung. An wen richtet sich dieses Signal?
Das ist ein Startschuss an alle, die sich mit dem Angebot beschäftigen. Die Herausforderung wird sein, für den Güterverkehr reservierte Trassees zu erhalten. Wir werden versuchen, einzelne reservierte Trassees in gewissen Stunden mit anderen Nutzern abzutauschen. Konkret wollen wir Güterverkehrstrassees in den Morgenstunden gegen Personenverkehrstrassees am Abend tauschen. Dann bleibt noch die Frage, wo der Superveloce halten wird.
Sie sprachen von Lugano. Die Politiker in Bellinzona sind schon nervös, dass er bei ihnen nicht halten wird.
Es ist klar, dass jeder möchte, dass der Superveloce bei ihm anhält. Ob er in Bellinzona oder in Lugano halten wird, entscheidet in der Regel die Nachfrage. Wenn der Superveloce aber an jeder Station hält, wird er eher ein Bummelzug.
Der Gotthardbasistunnel ist seit acht Monaten für Güter- und Personenverkehr offen. Was ist Ihre Bilanz?
Die Erwartungen wurden erfüllt und teilweise sogar übertroffen. Der Personenverkehr nahm um 30 Prozent, der Güterverkehr im Transit um sechs Prozent zu. Das ist eine riesige Leistung von allen, die für die Eisenbahnen arbeiten. Wir haben gleichzeitig unglaublich viele Unterhalts- und Ausbauarbeiten. Die Sperrung der Strecke Bellinzona – Luino ist eine grosse Herausforderung für den Güterverkehr. Erfreulich verläuft die Zusammenarbeit mit dem Kanton Tessin. Ein Beispiel ist das Ticino-Ticket, das den Tourismus im Kanton Tessin deutlich ankurbelt.
Sie haben es gesagt: Es gibt 30 Prozent mehr Passagiere auf der Gotthardstrecke. Dabei kommt es auch zu Engpässen. Neulich mussten zum ersten Mal unter der Woche Reisende in Arth-Goldau wieder aussteigen, weil der Zug überfüllt war. Wie wollen Sie diese Engpässe beheben?
Von den Engpässen betroffen sind nur einzelne Züge. Man muss sehen: Wir haben eine riesige Infrastruktur neu in Betrieb genommen, und da ist es ganz normal, dass wir nicht jede Nachfrage genau voraussehen können. Unser Personenverkehr hat sehr gut reagiert. Er hat zum Beispiel zu Spitzenzeiten neue Züge eingeführt. Etwa am Sonntagabend vom Tessin nach Zürich. Und wir haben begonnen, je nach Wetter zu reagieren und zusätzliche Züge einzusetzen. Aber es kann in diesem offenen System vorkommen, dass ein Zugschef sich einmal aus Sicherheitsgründen dafür entscheiden muss, Personen zu bitten, doch bitte in einen anderen Zug umzusteigen.
Ein Mittel gegen Engpässe ist die Reservierung. Der SBB-Kunde ist sich aber gewohnt, dass er mit seinem GA in jeden Zug einsteigen kann und dort einen Sitzplatz erhält. Ist das nun vorbei?
Reservieren muss man nicht, aber ich empfehle es in Hauptverkehrszeiten. Wenn ich Leute sehe, die von Bern nach Milano fahren und in Kauf nehmen, im Gang auf einem Koffer sitzen zu müssen (sofern dies aus Eisenbahnbetrieblichen Gründen überhaupt möglich ist), tut mir das einfach leid. Darum empfehle ich, bei internationalen längeren Reisen eine Reservation zu machen. Ich reserviere sogar, wenn ich in die Skiferien fahre, damit ich mit den Ski nicht irgendwo anstehen muss.
Das Reservierungssystem funktioniert aber schlecht. Es gibt Softwareprobleme. Können Sie denn den Leuten zumuten zu reservieren, wenn es gar nicht funktioniert?
Selbstverständlich arbeiten wir daran, dass das Reservationssystem besser funktioniert. Aber dort, wo es funktioniert, sollte man es unbedingt nutzen.