Am Freitagabend forderte ein Messerangriff auf einem Stadtfest im nordrhein-westfälischen Solingen drei Todesopfer und acht Verletzte. Dringend tatverdächtig ist ein 26-jähriger Syrer. Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hat sich zum Terroranschlag in Deutschland bekannt. Wenige Stunden später, am Samstagmorgen, kam es im südfranzösischen Grande-Motte zu einem Brandanschlag vor einer Synagoge.
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Der Terror, das zeigen die beiden Gewalttaten vom Wochenende, beschäftigt ganz Europa. Am Mittwoch hatte Christian Dussey, Direktor des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» gewarnt, dass sich die Terrorgefahr in den letzten Monaten weiter akzentuiert habe. Er verwies auf die europaweit im Vergleich zum Vorjahr stark gestiegene Anzahl Verhaftungen wegen Verdachts auf die Planung von Terrorattentaten.
Häufig habe man es dabei mit radikalisierten Minderjährigen zu. Das sei hierzulande noch ausgeprägter der Fall, sagte NDB-Chef Dussey:
15-jährig war der Angreifer, der am 2. März in Zürich einen orthodoxen Juden mit einem Messer schwer verletzte. Wenige Wochen später wurden in Neuhausen SH Jugendliche im Alter von 15 bzw. 16 Jahren verhaftet, weil sie für den IS Sprengstoffanschläge auf Ziele in der Schweiz vorbereitet haben sollen. Im Thurgau wurde zudem ein 18-Jähriger verhaftet, der mit den beiden im Kanton Schaffhausen verhafteten Jugendlichen in Kontakt stand.
Das Verfahren gegen den 18-Jährigen wird - wie alle Strafverfahren gegen Erwachsene bei Terrorismusdelikten – von der Bundesanwaltschaft geführt. Für die beiden minderjährigen Terrorverdächtigen ist hingegen die kantonale Jugendstaatsanwaltschaft zuständig.
Bundesanwalt Stefan Blättler beurteilte diese Regelung Mitte April an seiner Jahresmedienkonferenz kritisch. Das sei «durchaus auch ein Handicap», meinte er. Denn Jugendgerichte hätten «nicht unbedingt die Praxis, sich mit mutmasslich terroristischen Jugendlichen auseinanderzusetzen», sagte Blättler gemäss NZZ.
Auch müsse man sich fragen, ob das Grundprinzip des Jugendstrafrechts – Resozialisierung vor Bestrafung und vor Sicherheitsaspekten – für gewaltbereite, radikalisierte Jugendliche adäquat sei. Es gehe um Fragen der Sicherheit, um die Wirkung von Sanktionen und darum, ob die Jugendanwaltschaft die richtige Behörde sei.
Gemäss der «Sonntags-Zeitung» sind die Bedenken des Bundesanwalts nicht aus der Luft gegriffen. Sie zitierte gestern aus dem jüngsten Jahresbericht der Berner Staatsanwaltschaft: Terrorismusverfahren gegen Jugendliche liessen sich mit dem gegenwärtigen Personal «wenn überhaupt nur noch schwer auffangen», heisst es dort.
Auch dem Zürcher SVP-Nationalrat Mauro Tuena, Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission und der Rechtskommission, bereiten die zunehmenden Fälle von radikalisierten jugendlichen Dschihadisten Sorgen. Die Gerichte müssen nicht nur Vorbereitungs- und Anschlagsdelikte, sondern auch die Verbreitung von Terrorpropaganda mit der ganzen Härte des Gesetzes bestrafen, fordert er.
Tuena will ausserdem eine Auslegeordnung, ob es im Bereich der jugendstrafrechtlichen Verfolgung von Terrorverdächtigen Anpassungen braucht: «Ich werde in der Rechtskommission beantragen, dass der Bundesanwalt und eine Vertretung der Schweizerischen Staatsanwaltschaftskonferenz zum Thema angehört werden.»
Auch Mitte-Nationalrat Reto Nause findet die Frage «prüfenswert», ob es angesichts der Zunahme von gewaltbereiten, radikalisierten Jugendlichen eine auf Terrorismusdelikte spezialisierte Jugendstaatsanwaltschaft brauche – möglicherweise auf Bundesebene.
Nause amtet seit über 15 Jahren als Sicherheitsdirektor der Stadt Bern und hat entsprechend viel Erfahrung mit Grossveranstaltungen wie dem Stadtfest in Solingen. Nach den IS-Anschlägen mit Fahrzeugen in Nizza und Berlin 2016 habe man die Sicherheitskonzepte angepasst, um solchen Attentate vorzubeugen «Doch ein Messerangriff einer einzelnen Person lässt sich realistischerweise kaum verhindern», sagt Nause.
Umso wichtiger seien Prävention und Früherkennung, um möglicherweise gewaltbereite Personen zu identifizieren, «bevor sie einen Kipppunkt erreichen». Das sei aber enorm schwierig und aufwendig. Nause unterstützt deshalb die von NDB-Direktor Christian Dussey erhobene Forderung nach mehr Personal für den Nachrichtendienst.
Skeptischer ist SVP-Sicherheitspolitiker Mauro Tuena. Er weist darauf hin, dass der Bundesrat erst 2019 eine Aufstockung des NDB-Personalbestands bewilligte, der unterdessen abgeschlossen ist: «Statt einfach mehr Geld und Leute zu fordern, sollte der NDB ein Konzept für Umlagerungen in jene Bereiche vorlegen, in denen mehr Mittel notwendig sind.» (aargauerzeitung.ch)
2. Würde ich mehr Jugendarbeit begrüssen. Früher haben Vereine wie Jubla, Cevi und Pfadi einen Ort dargestellt, an dem sich jugendliche zurückziehen konnten und etwas schönes erleben. Leider hat es wegen fehlenden Leiter und Finanzierung immer weniger Angebot.
Hoffe, es wird alles getan, dass es hier nie zu solchen Zuständen kommt.