Der Luganeser Stadtpräsident Marco Borradori ist am Mittwochabend kurz nach 18 Uhr verstorben. Dies teilte die Stadt Lugano mit. Der 62-Jährige war am Dienstag wegen eines Herzstillstandes ins Tessiner Herzzentrum eingeliefert worden.
Sein Herzkreislauf konnte seit der Einlieferung am Dienstagmittag nur noch mit maschineller Unterstützung aufrechterhalten werden.Am Mittwochmorgen machten die Ärzte des Herzzentrums in einer Medienkonferenz deutlich, dass Borradoris Überlebenschancen gering seien. Sämtliche Organe hätten in Folge des Herzstillstands eine Schädigung erlitten, insbesondere auch das zentrale Nervensystem.
Wie sehr Marco Borradoris Zusammenbruch das Tessin bewegte, zeigte am frühen Mittwochabend ein Anlass am Filmfestival Locarno, der kurzerhand umgestellt und bei dem auf den geselligen Teil verzichtet wurde.
Er habe seit vielen Wochen überlegt, was er heute sagen wolle, begann der Präsident des Tessiner Grossen Rats Nicola Pini seine Rede im Palacinema beim Empfang der Abgeordneten. «Ich wollte euch sagen, dass die 74. Ausgabe ein Festival der Hoffnung wird. Dass es die Rückkehr zum Leben wird, die Rückkehr zum Zusammensein.» Doch jetzt fehle hier ein Mann. Es fehle ein Mann, der das Leben liebe, der die Menschen liebe und den Sport.
Auch der Locarneser Stadtpräsident Alain Scherrer rang um Worte und liess wie seine Vor- und Nachredner den Grossteil seiner vorbereiteten Rede weg.
Was er jetzt sage, sage er als Freund und nicht als Politiker, richtete Scherrer das Wort an die Versammelten. Borradori habe ihn immer mit sehr viel Respekt behandelt - und dies bereits vor Scherrers Eintritt in die Politik. An ihn gehe in diesen Stunden «un pensiero affettivo da amico a amico». Borradori sei ein echter Freund.
Marco Borradori wurde am 6. Juni 1959 geboren. Nach einem Studium der Jurisprudenz in Zürich war der Tessiner bis 1995 als Anwalt und Notar tätig. Ab 1991 sass Borradori für die Lega im Nationalrat, ab 1992 auch im Gemeinderat seiner Heimatstadt Lugano. Im April 1995 wählte den Tessiner Souverän Borradori in die Regierung, der er bis 2013 angehörte. Im gleichen Jahr wurde der leidenschaftliche Politiker zum Stadtpräsidenten seiner Heimatstadt Lugano gewählt.
Marco Borradori war in der Südschweiz über die Parteigrenzen hinaus äusserst beliebt. Er galt als umgänglich und war im Ton stets freundlich. Borradori verkörperte eine Lega, die als Teil der Exekutive pragmatisch, umgänglich und kompromissbereit agierte.
Politisch stand Borradori in den letzten Monaten unter grossem Druck. Zu den heikelsten und umstrittensten Dossiers gehörten der Flughafen Lugano-Agno, dessen Betreiberin im April 2020 das Handtuch geworfen hatte, sowie das vom Movimento per il Socialismo (Mps) bekämpfte geplante neue Fussballstadion für den FC Lugano, der eine Mantelnutzung mit Gewerbe, Verwaltung und Wohnungen vorsieht.
Am meisten Kritik brachte der von Borradori präsidierten Luganeser Exekutive aber der im vergangenen Mai über Nacht durchgeführte Teilabriss des Autonomen Zentrums Lugano ein.
Borradoris Parteikollege und Vize-Stadtpräsident Michele Foletti übernimmt interimistisch die Geschäfte des Verstorbenen. (sda)