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Die Schweiz bildet zu wenig Lehrpersonen aus

Die Schweiz bildet zu wenig Lehrpersonen aus – grosse Unterschiede zwischen den Regionen

Bis zu 47'000 neue Primarlehrkräfte braucht es innert zehn Jahren in der Schweiz. So viele werden aber bei weitem nicht ausgebildet, wie neue Zahlen zeigen. Erstmals liegen auch Daten über den Verbleib der Lehrpersonen im Beruf vor.
15.10.2022, 09:20
Mark Walther / ch media
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Kinder sitzen in der 1. und 2. Klasse von Lehrer Micha Kohler und Studentin Lisa Siegenthaler, am Montag, 15. August 2022, an der Primarschule in Lauperswil im Emmental. Wie in der ganzen Schweiz herr ...
Viele Schüler, wenig LehrerBild: keystone

Selten hatten die Schulen so viel Mühe wie dieses Jahr, genügend Lehrpersonen zu finden. Manch eine Schulleiterin stellte in der Not Bewerbende ohne pädagogische Ausbildung ein. Dieses Problem dürfte nicht so bald verschwinden. Das zeigen Szenarien für die Zeit bis 2031, die das Bundesamt für Statistik (BFS) am Freitag veröffentlicht hat.

Der Fachkräftemangel an Schulen wird demnach bestehen bleiben. Zwischen 43'000 und 47'000 neue Lehrpersonen für die Primarstufe müssten zwischen dem laufenden Jahr und 2031 rekrutiert werden, um das Bevölkerungswachstum sowie Austritte und Pensionierungen auffangen zu können. In derselben Zeit werden die pädagogischen Hochschulen (PH) voraussichtlich aber nur rund 34'000 Lehrdiplome ausstellen.

Zwischen dem Bedarf an neuen Lehrpersonen und dem Angebot wird demzufolge in der Primarschule eine Lücke von 20 bis 25 Prozent klaffen. Andere Personen werden sie teilweise füllen, schreibt das BFS: Lehrkräfte mit einer Ausbildung für eine andere Schulstufe, ausländische Lehrpersonen und PH-Studierende, die noch in Ausbildung sind.

Bedarf und Angebot von Lehrpersonen nähern sich an

Es gibt auch eine gute Nachricht: Bis 2031 dürfte sich das Problem leicht entspannen, wobei es regional grosse Unterschiede gibt. In der Nordwestschweiz (inklusive Bern) ist der Lehrermangel heute schon gross und wird es bleiben. Gross heisst laut BFS, dass 50 Prozent mehr Lehrpersonen nötig sein könnten, als verfügbar sind. In der Ostschweiz (inklusive Zürich) und Zentralschweiz dürfte sich der heute grosse Mangel zu einer ausgewogenen Situation entwickeln.

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Die Zahl der Lehrkräfte der obligatorischen Schule dürfte bis 2031 insgesamt um rund sechs Prozent zunehmen. Bei den Schülerinnen und Schülern wird ein leicht höherer Zuwachs erwartet: plus 8 Prozent auf der Primar- und plus 9 Prozent auf der Sekundarstufe.

Auf der Sekundarstufe ist ein Bedarf von 26'000 bis 29'000 neuen Lehrpersonen zu erwarten. Wegen der grösseren Fächerwelt und der Vielfalt der Ausbildungen macht das Bundesamt keine Aussage über die Entwicklung der ausgestellten Diplome auf dieser Stufe.

Männer werden häufiger Schulleiter – Ostschweizer Mütter bleiben öfter zu Hause

Das BFS hat zudem erstmals den Verbleib der Lehrkräfte im Beruf analysiert. Dazu hat es die im Jahr 2015 erfassten Lehrkräfte der obligatorischen Schule über eine Zeit von fünf Jahren untersucht. Die grosse Mehrheit, 90 Prozent der unter 55-Jährigen, arbeitete 2020 immer noch an einer Schule. Ob dieser Wert während der Pandemie gesunken ist, geht aus der Analyse nicht hervor.

Hinweise gibt es jedoch darauf, dass sich Arbeit und Mutterschaft nicht überall in der Schweiz gleich gut vereinbaren lassen. Zwischen den Regionen bestehen grosse Unterschiede im Wiedereinstieg von Lehrerinnen nach der Geburt eines Kindes. In der Ostschweiz kehrten 58 Prozent der Mütter wieder in das Unterrichtswesen zurück. In der Nordwestschweiz waren es 65 Prozent, in der Zentralschweiz 79 Prozent und in der französischen Schweiz 86 Prozent.

Was den Wechsel in eine Führungsfunktion betrifft, offenbart sich ein Unterschied zwischen den Geschlechtern: Lehrer haben häufiger eine Schulleitungsfunktion übernommen (2.2 Prozent) als Lehrerinnen (0.9 Prozent).

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46 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Atavar
15.10.2022 10:09registriert März 2020
Dafür, dass Bildung und Wasser unsere einzigen Ressourcen sind, gehen wir ganz schön dämlich damit um…
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Aruma
15.10.2022 09:33registriert Januar 2020
Eine quirlige Klasse mit mehr als 20 Kindern, die teils wenig deutsch verstehen zu führen, braucht Nerven. Bei kleineren Klassen ist die Chance auf normalen Unterricht grösser. Dann braucht es noch mehr Lehrpersonen. Aber die gehen dann nicht gleich wieder.
Eine sorgfältige Bildung muss ernster genommen werden.
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M
15.10.2022 10:25registriert September 2015
Das Problem beginnt schon bei der pädagogischen Hochschule. Beispiel: wer eine gymn. Matur hat, kann direkt studieren, wer eine Berufsmatur hat, muss noch eine Prüfung und eine Eignungsabklärung machen. 🤷‍♂️ Dabei ist es klar geregelt, dass für den Zugang zu einer Fachhochschule eine Berufsmatura reicht. Hier müsste die Politik schon längst genauer hinschauen und Anpassungen vornehmen.
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