Er strahlt, jubelt, ballt die Faust: Es ist ein glücklicher Christian Levrat an einem – für die Linke – glücklichen Sonntag. Das Foto zeigt den SP-Parteipräsidenten, umrahmt von Parteifreunden, wie er sich über das Abstimmungsresultat freut. Am Tag nach dem Nein zur Unternehmenssteuerreform erscheint die Aufnahme in vielen Zeitungen: Die SP im Freudentaumel. Ein seltenes Bild, auch deshalb das Bild des Tages.
Ganz am Rand, ein Arm schon angeschnitten, steht eine junge Aargauerin, bestickte Bluse, grauer Blazer, die Ärmel lässig nach hinten gekrempelt. Es ist Andrea Arezina, aufgewachsen in Brugg, später wohnhaft und als Einwohnerrätin engagiert in Baden, inzwischen abgewandert in die andere Limmatstadt, die mit Z.
Sie hat alles dafür getan, damit dieser 12. Februar für die Linke ein glückvoller wird: Als Co-Leiterin koordinierte sie mit Stefan Krattiger im SP-Zentralsekretariat die Nein-Kampagne.
Die Zeitungsseiten mit dem Foto werde sie nicht im Büro aufhängen, sagt sie im Gespräch mit der AZ: «Aber es sind schöne Erlebnisse, die bleiben. In der Linken haben wir diese ja etwas seltener als in der Rechten.»
Auf die Resultate im Aargau habe man genau geschaut: früh zeichnete sich ab, dass es einen deutlichen Sieg geben könnte. An einen solchen habe sie immer geglaubt – «als Kampagnenleiterin muss ich ein klares Ziel vor Augen haben» – aber dass er so deutlich ausfalle, habe auch sie überrascht.
Was sie berührt habe, sei «das Engagement der Zivilgesellschaft»: All die Leute, die auf die Strasse gingen, Flyer verteilten, Leserbriefe schrieben. «Für sie freue ich mich wahnsinnig. Wir haben gezeigt: Wenn man sich gemeinsam für eine Sache einsetzt, kann man etwas erreichen, auch mit wenig Budget.»
Natürlich sei Geld im Abstimmungskampf «nicht völlig irrelevant», doch bei der USR habe man schlicht die besseren Argumente gehabt. «Es gelang uns, aufzuzeigen, dass die Ausfälle vom Mittelstand hätten bezahlt werden müssen.»
Übrigens: Als sich Eveline Widmer-Schlumpf kritisch zur Vorlage äusserte, war Arezina «genauso überrumpelt wie die Befürworter», wie sie am Sonntag einem Fachblog verriet.
Zu viel des Lobes will die 32-Jährige ohnehin nicht für sich beanspruchen. Sie betont mehrmals, der Sieg sei nicht ihrer, sondern «der des Volks und unseres Teams»: «Alleine könnte das niemand erreichen.»
Wie man gemeinsam für ein Ziel kämpft, lernte die Schweizerin mit bosnischen Wurzeln bei der Juso. Im Personalbüro eines Konzerns hatte sie nach der KV-Lehre miterlebt, «wie ein 55-jähriger Familienvater die Kündigung erhielt, weil sein Vorgesetzter mehr Businessflüge buchen und sich ein fetteres Büro leisten wollte», wie sie 2009 der «WOZ» erzählte.
Vor allem politisiert hatte sie schliesslich, «dass Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, aber keinen Schweizer Pass haben, nichts zu sagen haben.» So freute sie sich am Sonntag auch über das Ja zur erleichterten Einbürgerung.
In Baden etwa setzte sie sich mit Cédric Wermuth für bezahlbaren Wohnraum ein, auch mittels Hausbesetzung im Bäderquartier. Später Mitarbeit in Ortspartei und Einwohnerrat, heute als Vizepräsidentin der SP Kanton Zürich.
Zur USR-Kampagnenleitung kam sie durch ihre Erfahrung als Campaignerin bei der 1:12-Initiative. Die USR III war ihr bislang grösstes Projekt.
Die Anstellung ist, wie immer in diesem Business, befristet. Nun analysiert das Team, was funktionierte, was man noch besser machen könnte. Ende Monat läuft der Vertrag aus. Was dann? «Puh», fährt es aus Andrea Arezina: «Ich hatte noch keine Zeit, darüber nachzudenken. Dafür auch nicht, um meinen Lohn auszugeben.»
Dass es eine nächste Kampagne geben wird, ist sicher. Aber zuerst gibt es Ferien. Zeit für Freundinnen und Familie, die zuletzt komplett auf ihre Andrea verzichten mussten. Dafür können sie sie jetzt in der Zeitung strahlen sehen.