Die Schweiz muss eine Energieversorgung mit einer CO2-Bilanz von Netto-Null bis 2050 erreichen, um die globale Erwärmung bei mindestens 1.5 Grad Celsius zu stoppen. Die Aufgabe sei in den letzten 10 Jahren aber nicht einfacher geworden, sagte Studienleiter Konstantinos Boulouchos von der ETH Zürich an der Präsentation des Berichts in Bern.
Zum einen hat die Elektrifizierung der Mobilität schneller Fahrt aufgenommen als gedacht, der Stromverbrauch wird deshalb schnell ansteigen. Parallel dazu war der Ausbau der Stromerzeugung in dieser Zeit ungenügend und das CO2-Gesetz ist vom Schweizer Volk abgelehnt worden. Zudem kämpfe man beim Bau neuer Kernkraftwerke mit hohen Kosten und Bauzeitproblemen.
Um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen, braucht es gemäss den ETH-Forschern deshalb fünf Konzepte. Zum ersten die Energiedienstleistungen reduzieren. «Braucht es so viele Fahrkilometer auf der Luft und der Strasse?», fragt Boulouchos.
Das zweite ist die Effizienzerhöhung. Diese sei wichtig, sie bringe zwar nicht Netto-Null, aber sie erlaube uns, das vorhandene CO2-Budget über eine längere Zeit auszuschöpfen. Der wesentlichste Beitrag ist aber der Ersatz von fossilen Energieträgern durch erneuerbare Energien und der Einsatz von CO2-freien Technologien. «Darauf werden wir unseren Fokus lenken», sagte Boulouchos.
Eine der Schwierigkeiten ist dabei die Gewinnung von Rohstoffen für Speicherung, Batterien und Elektromotoren. Deshalb ist die Rückgewinnung von Energie und Materialien ein weiterer Punkt im Gesamtkonzept. Am Schluss eher als Notnagel gedacht, kommt noch die technische Rückgewinnung von CO2 aus der Atmosphäre hinzu.
Das Wichtigste auf dem Netto-Null-Weg ist die CO2-neutrale Erzeugung von Energie. Dabei wird die Elektrizität zum Rückgrat der Energieversorgung, wenn fossile Treib- und Brennstoffe wegfallen. Dafür gibt es zwei Pfade. Der erste Pfad ist die direkte Elektrifizierung. Aus Sonne-, Wasser- und etwas Windkraft sowie Biomasse wird Strom. Dieser Strom treibt die Wärmepumpen in der Schweiz an und füllt die Elektroautobatterien.
Der zweite Pfad ist die Elektrolyse. Dabei wird mit erneuerbarer Energie künstlicher Treibstoff hergestellt. Zuerst Wasserstoff, der direkt genutzt oder auch zu Methan gemacht werden kann.
Bleibt die Frage, ob für den Verzicht auf Öl und Gas von alldem bis 2050 genug zur Verfügung stehen wird. Die Forscher haben dafür zwei Szenarien berechnet, für den schlechten Fall, dass sich keine Abkommen für gesicherte Stromimporte im Winter erreichen lassen. Alle möglichen Stromerzeugungsarten wurden auf ihre Potenzial- sowie ihre Vor- und Nachteile durchgerechnet.
Dabei zeigte sich, dass es 2050 tatsächlich möglich ist, ohne Stromimporte auszukommen. «Alles ausser Kerosin für die Luftfahrt können wir im Inland produzieren», sagte Boulouchos. Entscheidend sind dabei die Wasserkraft, die noch um etwa 10 Prozent ausgebaut werden kann und die Fotovoltaik mit ihrem grossen Potenzial, aber ihrem Winterproblem. «Als drittes Bein brauchen wir aber die erneuerbaren Brennstoffe», sagte der ETH-Professor. Wind und Geothermie nehme man gerne dazu, beide seien aber Gegenstand grösserer Konflikte.
Eine völlig autarke Energiesituation sei für die Schweiz nicht zielführend. Künstliche Brennstoffe werden im Ausland effizienter und günstiger hergestellt. Aber trotz allem werde man 2050 rund 70 Prozent weniger Energie importieren als heute und die Importe auf mehr Länder verteilen.
Für all das brauche es einen Masterplan, zudem seien Lenkungsabgaben besser als Subventionen. Die könnten im Einzelfall aber Sinn machen, so wie zum Beispiel bei der Solarenergie. Dazu brauche es neue Berufsleute, Solateure und Wärmepumpentechniker statt Kaminfeger und vieles mehr.
Der Umbau auf Netto-Null sei ein Generationenprojekt über 30 Jahre, sagte Boulouchos.
Wer jetzt noch ein falsches Kraftwerk baut, wird das 50 Jahre nicht mehr los. «Die energetische Effizienzsteigerung pro Jahr muss von heute 1 auf 2.2 Prozent steigen. Bei der Fotovoltaik brauchen wir mindestens ein Gigawatt Zubau pro Jahr. Bei den erneuerbaren Brennstoffen müssen wir alle fünf Jahre eine Verdoppelung haben», sagt Boulouchos.
Das sei sehr aufwendig und brauche grosse Investitionen der Wirtschaft. Ein Investitionsvolumen von 100 Milliarden Franken in 25 Jahren. Das könne nicht der Staat machen, dieser muss aber sicherstellen, dass die internationale Zusammenarbeit die Sicherung der Lieferketten garantiere.
(aargauerzeitung.ch)
4 Milliarden pro Jahr sollten bei einem BIP der Schweiz von 750 Milliarden gut machbar sein.