Das extreme Wetter der letzten Wochen könnte zum Alltag werden, warnte der Weltklimarat IPCC am Montag in seinem neusten Bericht.
Und am Mittwoch bringt Umweltministerin Simonetta Sommaruga einen direkten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative in den Bundesrat. Sie will in die Verfassung schreiben, dass die Schweiz per 2050 klimaneutral werden muss. Das machte die «NZZ am Sonntag» bekannt.
Die Klimakrise ist damit das Thema der Stunde. Sommarugas Vorhaben stösst allerdings bei den Parteien auf erstaunlich wenig Gegenliebe.
Die SVP spricht sich aus grundsätzlichen Überlegungen dagegen aus, Netto Null 2050 in die Verfassung zu schreiben. «Oberste Priorität hat eine CO2-freie Energieversorgung der Schweiz», sagt SVP-Nationalrat Christian Imark. Er hatte grossen Anteil daran, dass das CO2-Gesetz an der Urne scheiterte. «Die Energieversorgung ist bereits in der Bundesverfassung geregelt. Netto Null ist deshalb in der Verfassung weder realistisch noch sinnvoll.»
Auch ihre eigene Partei – die SP – nimmt Sommarugas Pläne nicht gerade mit Begeisterung auf. Es sei zwar gut, dass der Bundesrat einen Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative wolle, «der in die gleiche Richtung geht», sagt SP-Fraktionschef Roger Nordmann. «Die Situation ist extrem dringend und schlimm.» Das zeige der Bericht des Weltklimarats.
«Ich finde aber, es braucht eher eine Gesetzesvorlage als einen Verfassungsartikel», betont Nordmann. Für einen Verfassungsartikel brauche es das Ständemehr. Und darin sieht der SP-Fraktionschef eine hohe Hürde. «Was bringt es uns, wenn er mit 54 Prozent Ja-Stimmen angenommen wird – aber am Ständemehr scheitert?», fragt er sich. «Es ist nicht der Moment, um Spiele zu spielen.»
Damit deutet sich eine unheilige Allianz an aus SVP und SP gegen die Verfassungspläne. Der Gesamtbundesrat hat sie im September 2020 grundsätzlich gutgeheissen, als er den Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative in die Vernehmlassung schickte. Diese fordert, dass die Schweiz ab 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstossen soll, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können. Ab 2050 sollen auch keine fossilen Brenn- und Treibstoffe wie Öl, Gas, Benzin oder Diesel mehr in Verkehr gebracht werden dürfen.
Vorbehalte gegenüber Sommarugas Plänen gibt es aber auch bei der Partei «Die Mitte». «Ich halte nicht viel davon, wenn man Dinge beschliesst, die kein Preisschild haben», sagt Mitte-Nationalrat Nicolo Paganini. Mit einer Deklaration in der Bundesverfassung löse man das Problem nicht. «Wir müssen den Leuten reinen Wein einschenken und brauchen deshalb konkrete Massnahmen.»
Selbst Grünen-Präsident Balthasar Glättli wünscht sich taktisch ein anderes Vorgehen. «Ich tendiere immer noch zur Haltung, dass der Bundesrat oder das Parlament der Gletscherinitiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber stellen sollte», sagt er.
Das Pariser Klimaabkommen sei im Rat ratifiziert worden, die Referendumsfrist unbenutzt verstrichen. Nachdem das CO2-Gesetz keine Mehrheit gefunden habe, stehe das Parlament in der Pflicht, die Ratifizierung mit alternativen Massnahmen umzusetzen. «Am schnellsten geht das mit einem indirekten Gegenvorschlag», sagt Glättli. «Und Geschwindigkeit zählt.»
Von den Bundesratsparteien steht nur die FDP klar hinter Sommarugas Vorgehen. «Ich begrüsse es, wenn der Bundesrat einen direkten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative macht», sagt Ständerat Ruedi Noser. Das werde auch der Freisinn tun. «Er hat sich an einer Delegiertenversammlung klar für das Netto-Null-Ziel bis 2050 ausgesprochen.»
Auch ein Leitautor des IPCC-Berichts wünscht sich Netto Null 2050. «Persönlich würde ich es sehr begrüssen, wenn die Schweiz einen ambitionierten Weg wählt und versucht, die Treibhausgas-Emissionen bis 2035 zu halbieren und die CO2-Emissionen bis 2050 auf Netto Null zu senken», sagt Gian-Kasper Plattner, Senior Scientist und Leiter des Forschungsprogramms bei der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL.
«Die Schweiz hat die technologischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Mittel dafür und könnte so ausserdem wirtschaftlich-technologisch weniger entwickelten Ländern helfen, gewisse fossil-basierte Entwicklungsschritte zu überspringen.» (aargauerzeitung.ch)
Siehe z. B. Alpeninitiative: die Zahl der alpenquerenden Lastwagenfahrten ist jedes Jahr zu hoch, trotzdem passiert nichts. Konsequenterweise müsste man jeden LKW über den 650'000 erlaubten Fahrten an der Grenze zurückweisen und auf den Zug schicken. Die Rollende Autobahn auf der Schiene fährt aber stattdessen die Hälfte der Zeit halb leer rum...