Schweiz
Kommentar

Energiekrise: Stromspar-Appell muss jetzt kommen

Kommentar

Der Stromspar-Appell muss jetzt kommen, lieber Bundesrat

Der Bundesrat verzichtete nach den Sommerferien auf einen öffentlichen Auftritt. Ein solcher wäre aber angesichts der Energiekrise dringend nötig.
18.08.2022, 18:27
Mehr «Schweiz»

Glaubt man den Schlagzeilen der vergangenen Wochen, so muss man davon ausgehen, dass uns in der Schweiz ungemütliche Wochen drohen: Die Energiekrise führe dazu, dass Strom und Öl teurer werden. Wir müssten uns auf Strommangellagen einstellen und schon mal genügend Kerzen einkaufen, heisst es vom Chef der Schweizer Elektrizitätskommission.

Die Realität ist tatsächlich besorgniserregend: Die Schweiz ist in Energiefragen abhängig vom Ausland. Nicht nur bei fossilen Brennstoffen, sondern auch beim Strom. Dieser droht europaweit knapp zu werden, wenn der Winter eisige Temperaturen mit sich bringt und die Menschen wegen hoher Heizölpreise aufs Elektro-Öfeli setzen. Knapper Strom bedeutet instabile Netze. Fällt irgendwo noch ein Kraftwerk aus, so drohen schnell Stromausfälle.

Eine solche Krise ist zwar hausgemacht, sie lässt sich aber nicht von heute auf morgen lösen. Die Infrastruktur kann nicht innerhalb weniger Monate komplett umgestellt werden. Vor allem dann nicht, wenn politische Entscheidungen über Jahre hinweg blockiert wurden. Die Energiekrise kann aber halbwegs geordnet überstanden werden, wenn Vertrauen, Sensibilität und ein Verantwortungsgefühl geschaffen werden. Die Bevölkerung soll ihren Teil beitragen und sich vorbereiten, während die Politik und die Behörden im Hintergrund Notfalllösungen entwickeln.

Bundesraetin Simonetta Sommaruga, rechts, und Bundesrat Guy Parmelin erscheinen an einer Medienkonferenz ueber Gasreserve 2022 / 2023 und Vorbereitungsmassnahmen f
Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) und Energieministerin Simonetta Sommaruga (SP): Beide sind in der drohenden Krise gefordert.Bild: keystone

Bei letzterem kann man getrost sagen: Ja, in Bundesbern und in anderen europäischen Hauptstädten wird gehandelt. So kündigte der Bundesrat am Mittwoch an, dass er – entgegen Klimaschutz-Anstrengungen und jeglicher ökologischer und ökonomischer Logik – für das Worst-Case-Szenario ein Gas- und Öl-Kraftwerk aufstellen will. Dieses soll im Winter 2022/2023 über 300 Megawatt Leistung erbringen können. Also fast so viel, wie das abgeschaltete Atomkraftwerk in Mühleberg leistete. Gleichzeitig wird am koordinierten Einsatz von Notstromaggregaten geplant. Ob es zeitlich und auch mengenmässig reichen wird, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.

Die Ankündigung dieses Mammutprojekts kam aber mit einer knappen Notiz: «Keine Medienkonferenzen zur heutigen Bundesratssitzung.» Zu viele Fragen hätte man nicht beantworten können, liest man als Begründung dafür bei SRF.

«Keine Medienkonferenzen zur heutigen Bundesratssitzung.»
Bundeskanzlei gegenüber Bundeshaus-Journalisten

Diese Haltung des Bundesrats ist höchst problematisch. Nicht etwa, weil Medienschaffende an solchen Pressekonferenzen gerne Fragen stellen. Der Bundesrat hätte aber diese Pressekonferenz dafür nutzen können, in rhetorisch überlegter Art und Weise der Bevölkerung ins Gewissen zu reden.

Die Erfahrung aus der Pandemie zeigte, dass Herr und Frau Schweizer durchaus einen gewissen Beitrag zur Bewältigung einer Krise leisten wollen. Menschen wuschen sich häufiger die Hände, hielten Abstand zueinander und halfen sich in Quartieren aus. Nicht, weil es staatliche Massnahmen anordneten, sondern weil mit proaktiver Kommunikation ein grosses Vertrauen und damit eine starke Sensibilität fürs Problem geschaffen wurde.

Eine solche Politik wäre in der Energiekrise dringend nötig. Das Verhalten der Menschen wird im Alltag durch Gewohnheiten bestimmt. Es wäre zielführender, diese bereits jetzt in Richtung Stromsparen und Vorsorge zu verändern, bevor die Krise echt wird. Dann ist es für vertrauensbildende Massnahmen nämlich zu spät.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
115 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Cerebra
18.08.2022 18:57registriert April 2016
Sorry aber nein
Die Wirtschaft muss sparen und nicht der Verbraucher.

Wieso muss jedes Gebäude Beleuchtet werden?
Jede Kirche wird angestrahlt als suchen sie Bomber aus dem 2
Weltkrieg.
Effizient Strom sparen ja aber nach der Pandemie nicht wider auf dem Rücken des Bürgers austragen
11725
Melden
Zum Kommentar
avatar
Töfflifahrer
18.08.2022 18:57registriert August 2015
Es ist also nicht möglich Strom zu sparen, wenn der BR keinen Appell publiziert?
Immerhin dominiert dieses Thema seit Wochen die Medien und jeder sollte mittlerweile selbst auf die Idee gekommen sein, Strom zu sparen. Sind wir so unselbständig geworden, dass ohne Anweisung nicht mehr selbständig gehandelt werden kann oder darf?
819
Melden
Zum Kommentar
avatar
Barth Simpson
18.08.2022 19:59registriert August 2020
Vor allem müsst ihr unbedingt jetzt schon ein genaues Auge auf die sehr ineffizienten Elektro-Öfelchen werfen. Ganz wichtig!

Durch die Reduktion der Wohnungstemperaturen in Mehrfamilienhäusern oder Wohnblöcken seitens den Vermietern, werden Elektroöfelchen in der kalten JAhreszeit mit Sicherheit zu Zehntausenden verwendet und ein grosses Problem werden.

Diese Stromschleudern werden aktuell verkauft wie frisch geschnitten Brot.
283
Melden
Zum Kommentar
115
Wegen «Handgemenge»: Strafbefehl gegen Priester des Bistums Chur

Ein im Bistum Chur angestellter Priester ist per Strafbefehl für eine Rangelei mit dem Mitglied eines kirchlichen Rates verurteilt worden.

Zur Story