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Gefängnis aber keine Verwahrung nach Tötung und Leichenschändung

Gefängnis aber keine Verwahrung nach Tötung und Leichenschändung

11.05.2022, 20:21
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Das Bezirksgericht Zürich hat am Mittwoch einen 38-jährigen Mann der vorsätzlichen Tötung und der Störung des Totenfriedens schuldig gesprochen. Es verhängte eine Freiheitsstrafe von 13,5 Jahren, ordnete aber keine Verwahrung an, wie sie der Ankläger gefordert hatte.

Der Erweiterungsbau Baesslergut II in Basel am Donnerstag, 18. Dezember 2019. Der Kanton Basel-Stadt hat mit dem Neubau 78 Plaetze fuer Strafvollzug-Inhaftierte geschaffen. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
13,5 Jahre muss der 38-Jährige ins Gefängnis.Bild: KEYSTONE

Der Schweizer IV-Rentner hatte im September 2016 in seiner Sozialwohnung in Zürich seine Untermieterin erwürgt und sich anschliessend an der Leiche vergangen. Der Mutter und den drei Schwestern des Opfers hat er nun Schadenersatz von insgesamt knapp 17'000 Franken zu bezahlen, der Mutter zudem 20'000 Franken Genugtuung. Dazu kommen weitere Kosten aus dem Verfahren.

Auf die Anordnung eine Verwahrung verzichtete das Gericht. Die Voraussetzungen für diese einschneidende Massnahme seien nicht gegeben, sagte der vorsitzende Richter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann ans Zürcher Obergericht weitergezogen werden.

Keine Notwehr, kein Vorsatz

Der Staatsanwalt hatte eine Freiheitsstrafe von 18.5 Jahren sowie die Verwahrung des Beschuldigten gefordert. Nur so könne die Gesellschaft vor ihm geschützt werden. Der Verteidiger – es ist bereits der fünfte in diesem Verfahren – plädierte auf Freispruch. Er machte Notwehr geltend. Das Gericht war anderer Ansicht und verneinte die Notwehrsituation.

Mehr als sechs Jahre nach seiner Verhaftung stand ein fr
Das Zürcher Bezirksgericht hat ein Urteil gefällt.Bild: KEYSTONE

Es attestierte dem Beschuldigten, er habe nicht mit direktem Tötungsvorsatz gehandelt. Aber er habe gewusst, dass das Würgen zum Tod führen könne und werde, und habe dies in Kauf genommen. Fahrlässigkeit liege nicht vor – dafür «haben Sie zu lange gedrückt».

Der Mann habe die 28-Jährige «aus nichtigem Grund» getötet. Sein Verschulden dabei stufte das Gericht als erheblich ein, bei der Leichenschändung als sehr schwer.

Wiederholung nötig

Der Fall beschäftigte das Bezirksgericht bereits zum zweiten Mal. 2018 hatte es ihn – in anderer Zusammensetzung – entsprechend einem psychiatrischen Gutachten für schuldunfähig beim Tötungsdelikt eingestuft. Es ordnete eine stationäre Massnahme an. Bei der Leichenschändung nahm es verminderte Schuldfähigkeit an und bestrafte den Mann mit 22 Monaten Freiheitsentzug.

Das Obergericht bestätigte das Urteil. Das Bundesgericht stellte jedoch grobe Verfahrensfehler fest und der Fall ging zurück an die Staatsanwaltschaft. Ein zweites Gutachten ging von einer vollen Schuldfähigkeit des psychisch gestörten Mannes aus, dem es keine gute Prognose stellte.

Wie der Richter nun in der mündlichen Urteilsbegründung ausführte, ist dieses Gutachten aus verschiedenen Gründen allerdings nicht verwertbar, weder für die Frage der Verwahrung, noch für jene der Schuldfähigkeit. Niemand habe aber die Schuldfähigkeit des Beschuldigten in Frage gestellt.

Auch habe der Beschuldigte dem Gericht nicht den Eindruck gemacht, schuldunfähig zu sein. Das Gericht sei deshalb von seiner vollen Schuldfähigkeit ausgegangen, erklärte der Richter.

Zu Lasten des Beschuldigten wertete das Gericht einige Vorstrafen, zu seinen Gunsten die lange Verfahrensdauer. Weil er immer nur das zugegeben habe, was die Ermittler ohnehin herausgefunden hatten, könne kein eigentliches Geständnis berücksichtigt werden.

Von Anfang an Streit

Zur Tat war es im September 2016 gekommen. Die IT-Spezialistin aus Paris hatte wenige Monate vorher eine neue Stelle in Zürich angetreten und hatte erst mal ein Zimmer gemietet, beim Beschuldigten. Von Anfang an kam es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen.

Am Tattag waren die beiden wieder einmal in Streit geraten. Der Mann nahm die Frau in den «Schwitzkasten» und drückte so lange zu, bis sie tot war. Anschliessend verging er sich an der Leiche.

Um den Verdacht von sich abzulenken und einen Zusammenbruch beim Sport vorzutäuschen, drapierte er ein Springseil über der Leiche. Dann informierte er sich im Internet nach einem Lieferwagen, mit dem er die Leiche wegschaffen wollte. Schliesslich meldete er dem Notruf, seine Mitbewohnerin liege leblos am Boden. (sda)

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