Wenn man an der Langstrasse durch die Unterführung Richtung Limmatplatz läuft, prangt da eine riesige Werbewand.
Seit neustem hängt dort ein Plakat der Firma Electrolux, einem Produzenten von Haushaltsgeräten sowohl für den Privathaushalt als auch für grössere Institutionen.
Im ersten Moment ist das Werbeplakat nichts Besonderes: Ein Foto von einem Pärchen, welches sich in einer Küche Essen zubereitet. Sie wirken glücklich. Doch dann fällt der Blick auf den Spruch auf dem Plakat:
Dieser Spruch hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
Ausgerechnet an der Langstrasse, dem bekanntesten Rotlichtviertel der Schweiz, hängt ein Werbeplakat mit dieser Botschaft.
Aber es geht nicht nur um die käufliche Liebe. Am Wochenende treffen an der Langstrasse Menschen aus dem ganzen Land aufeinander und feiern in hippen Bars oder coolen Clubs. Für das leibliche Wohl sorgen 24-Stunden-Shops und Essensstände, die sich aneinanderreihen.
Auf diesen Aspekt der Langstrasse beziehe sich auch die Werbung, so der Mediensprecher von Electrolux gegenüber watson:
Doch nicht nur für die Partys ist die Langstrasse berühmt, sondern eben auch für das berüchtigte Rotlichtmilieu. Das Sexgewerbe ist und bleibt ein fester Bestandteil der Langstrasse. Obwohl hier eigentlich gar nicht angeschafft werden darf, hat sich das Geschäft gehalten. Und die Realität der Frauen, welche Sexarbeit leisten, ist oft grausam.
Peter Widmer, Gründer des gemeinnützigen Heartwings Vereins, setzt sich seit über 15 Jahren für Frauen in der Prostitution ein. Zum Plakat sagt er:
Heartwings hat schon einiges erlebt und gesehen. Widmer meint: «Das Party-Bild ist verankert. Schaut man hinter die Kulissen, sieht man Gewalt, Selbstmord, Selbstverletzung, Drogen und finanzielle Abhängigkeit. Es ist ein System, welches Frauen ausnützt.»
Wie viele Frauen freiwillig Sexarbeit leisten, kann Widmer nicht sagen: «Die Geschichte beginnt oft im Kindesalter. In ihrer armutsbetroffenen Heimat werden die Frauen fügig gemacht und mit 18 kommen sie in die Schweiz. So viele Jahre Missbrauch machen einen kaputt. Fragt man die Frauen also, ob sie sich freiwillig prostituieren, sagen sie meistens ‹ja›». Die Frauen hätten zwei Möglichkeiten: Mitmachen oder Konsequenzen, «entweder Zuckerbrot oder Peitsche», so Widmer.
Im Büro von Heartwings steht eine riesige Wand. Mit grossen Buchstaben steht dort: «I have a Dream», «Ich habe einen Traum».
«Hier können die Frauen ihre Träume niederschreiben», sagt Jael Schwendimann zu watson. Auch sie arbeitet für den Heartwings Verein. Der Verein begleitet Frauen, die sich eine Veränderung wünschen, in eine neue berufliche Perspektive.
«Ich habe meinen Traum zum Beruf gemacht», würden laut Schwendimann viele Frauen in der Öffentlichkeit sagen. Aber die Realität sei anders. «Aufschreiben tun sie: Ich will Mami werden oder eine Lehre abschliessen. Wieder eine andere schreibt, dass sie ein Kinderheim aufmachen möchte», so Schwendimann. Und noch eine andere schreibt: «Eine Stimme sein für alle schwachen Frauen da draussen.»