Schweiz
Zürich

Strichplatz-Fahrer verweigert Aussage vor Zürcher Obergericht

Eine Besucherin informiert sich am Tag der offenen Tuer ueber die Sexboxen, am Samstag, 24. August 2013 am Depotweg in Zuerich. Am Montag, 26. August wird der neue Strichplatz eroeffnet. (KEYSTONE/Enn ...
Ein Besucher informiert sich über die Sexboxen auf dem Strichplatz.Bild: KEYSTONE

14 Jahre Gefängnis für Strichplatz-Fahrer

22.05.2023, 09:5922.05.2023, 16:00
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Vor 3 Jahren soll ein heute 21-Jähriger auf dem Zürcher Strichplatz eine Polizistin angefahren und weitere Personen gefährdet haben. Vor dem Zürcher Obergericht hat der Beschuldigte am Montag zuerst jegliche Aussage zu den ihm vorgeworfenen Taten verweigert – und sich dann entschuldigt.

Das Obergericht des Kantons Zürich hat am Nachmittag das Urteil eröffnet und ihn unter anderem der versuchten, vorsätzlichen Tötung schuldig gesprochen. Ausser der versuchten Tötung wurde der Mann der mehrfachen Gefährdung des Lebens schuldig gesprochen. Dazu kamen einige Raserdelikte.

Er bekommt 14 Jahre Freiheitsentzug. Die Schuldsprüche der ersten Instanz bezüglich weiterer Delikte waren nicht angefochten worden. Zusätzlich zur Freiheitsstrafe verhängte das Gericht eine Busse von 1200 Franken. Dem Opfer muss er eine Prozessentschädigung entrichten. Aus dem Verfahren kommen zudem hohe Kosten auf ihn zu. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig: Es kann ans Bundesgericht weitergezogen werden.

Im Strafvollzug hat der Mann eine ambulante Behandlung seiner dissozialen Persönlichkeitsstörung und seiner Drogensucht zu absolvieren. Ohne Behandlung sei die Rückfallgefahr als hoch einzuschätzen, hatte der Gutachter festgehalten.

Tod in Kauf genommen

Das Obergericht sah Eventualvorsatz zur Tötung der Polizistin. Das heisst, der Beschuldigte wollte deren Tod zwar nicht, nahm ihn aber in Kauf. Obwohl er die Frau gesehen habe, sei er auf sie zu gerast, sagte der Richter. Auch den Aufprall habe er «zweifellos bemerkt» und sei dennoch weitergefahren. «Sie wollten fliehen, koste es, was es wolle».

Auf seiner Fahrt habe der Beschuldigte mehrere Personen «in äusserste Lebensgefahr» gebracht. Einen Mordversuch bezüglich der Polizistin erkannte das Obergericht im Unterschied zum Ankläger allerdings nicht. Es lägen weder besondere Skrupellosigkeit noch besondere Grausamkeit vor. Auch sei die Tat nicht geplant gewesen.

«Gewisse Reue» gezeigt

Eine Verminderung der Schuldfähigkeit erachtete das Gericht nicht als gegeben. Berücksichtigt habe man dagegen die vom Gutachter festgestellte dissoziale Persönlichkeitsstörung des Beschuldigten, dessen Cannabis-Abhängigkeit, eine ADHS-Erkrankung sowie seine Jugend – bei der Tat war er gerade mal 18 Jahre alt. Zudem habe er eine «gewisse Reue gezeigt».

Der Beschuldigte sei heute noch sehr jung, sagte der Richter. Auch wenn er noch längere Zeit im Strafvollzug bleiben müsse, sei er auch bei seiner Entlassung noch jung. Was dann aus ihm werde, sei nicht absehbar. «Bisher haben Sie noch gar nichts Konstruktives auf die Beine gestellt.» Er habe jetzt Zeit darüber nachzudenken, «wie Sie künftig mit Ihren Mitmenschen umgehen wollen».

Ohne Ausweis im entwendeten SUV

Zur Tat gekommen war es am 28. Februar 2020. Mit Freunden fuhr der Beschuldigte, der keinen Führerausweis hat, im entwendeten SUV seines Vaters zum Zürcher Strichplatz. Dort können Sex-Arbeiterinnen in geschütztem Rahmen arbeiten.

Verbotenerweise fotografierten die jungen Leute aus dem Auto heraus Prostituierte, weshalb die Polizei sie kontrollieren wollte.

Dem wollte sich der Beschuldigte entziehen. Ohne Rücksicht auf die umstehenden Personen manövrierte er den Wagen und wandte sich mit Vollgas zur Flucht. Dabei erfasste der SUV eine Polizistin. Sie schlug auf die Motorhaube auf, rutschte ab, ihr Bein verklemmte sich im vorderen Radkasten, sie wurde fast 16 Meter mitgeschleift.

Die Frau erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Sie überlebte, hat gemäss ihrem Rechtsvertreter aber bis heute mit den Folgen des Vorfalls zu kämpfen.

Am Tag nach der Tat wurde der Vater einer heute sechsjährigen Tochter festgenommen. Seither sitzt er in Haft. Er befindet sich bereits im vorzeitigen Strafvollzug.

(yam/sda)

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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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International anerkannter Experte für ALLES
22.05.2023 14:32registriert Juli 2021
Auto klauen, Fahren ohne Ausweis, Polizisten über den Haufen fahren… Das weiss sogar ein 12-jähriger, dass das nicht Ok ist. Mit dem Alter zu argumentieren ist schon frech…
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Linus Luchs
22.05.2023 17:09registriert Juli 2014
"... bei der Tat war er gerade mal 18 Jahre alt."

"Am Tag nach der Tat wurde der Vater einer heute sechsjährigen Tochter festgenommen."

Folglich wurde er mit 15 Jahren Vater ... 🤔
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sickinga-tom
22.05.2023 13:34registriert August 2015
Zitat: "Der Verteidiger hob das jugendliche Alter seines Mandanten hervor. Auch mit 21 Jahren sei er noch weit entfernt davon, ein erwachsener Mann zu sein. Das müsse stärker gewichtet werden. ..." Interessante Taktik des Verteidigers, vermutlich mangels Alternativen.
Gleichzeitig wird für Stimmrecht ab 16 geweibelt.
Was jetzt? (wobei das Zweite meiner Meinung nach doch eher realistisch ist).
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