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Mit Stefan Schärer bricht im Schweizer Eishockey eine neue Ära an

Head coach Patrick Fischer of Switzerland reacts during the group B match between Latvia and Switzerland at the ice hockey world championship in Riga, Latvia, Tuesday, May 23, 2023. (AP Photo/Roman Ko ...
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Eine neue Ära im Hockey – Nationaltrainer Patrick Fischer sitzt wieder sicher im Sattel

Am Montag beginnt in unserem Hockey eine neue Ära. Die Handballlegende Stefan Schärer (58) beginnt seine Amtszeit als neuer Verbandspräsident. Er und Nationaltrainer Patrick Fischer (48) werden das neue Power-Duo unseres Hockeys. Persönliche Veränderungen könnte es eher in den Verbandsbüros geben.
09.09.2023, 13:5109.09.2023, 14:36
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Einem guten Nationaltrainer ist es herzlich egal, wer unter ihm Verbandspräsident ist. Der Verband ist zwar sein Arbeitgeber, formell der Verbandsvorsitzende also sein Boss, der ihn des Amtes entheben kann. Aber in der Praxis tanzen die Verbandspräsidenten nach der Pfeife eines charismatischen Nationaltrainers. Weil der Nationaltrainer für das Publikum die höchste Hockey-Autorität im Lande ist.

Verbandspräsidenten kommen und gehen, gute Nationaltrainer bleiben. Am Montag bekommt Patrick Fischer mit Stefan Schärer nach Marc Furrer und Michael Rindlisbacher schon den dritten Chef. Eine neue Ära beginnt. Wie soll mit einem neuen Verbandspräsidenten eine neue Ära beginnen, wenn es doch keine Rolle spielt, wer unter dem Nationaltrainer Verbandspräsident ist?

Pfadi Winterthurs zuruecktretender Teamleader Stefan Schaerer balanciert am 30. April 1998 in Aarau den Meistserpokal, zur Freude seines Trainers Morten Schoenfeldt, links. Die Schweizer Handballmeist ...
Hier balanciert Stefan Schärer gerade den Handball-Meisterpokal auf dem Kopf, 1998.Bild: KEYSTONE

Nun, mit Stefan Schärer kommt zum ersten Mal seit dem ersten Zuger Meisterpräsidenten Fredi Egli (2003 bis 2008) wieder ein charismatischer «Macher» mit hoher Affinität für den Sport ins höchste Hockey-Amt. Der ehemalige Handball-Internationale weiss nicht nur wie der Teamsport tickt. Als Unternehmer ist er ein Macher, gewohnt, Veränderungen durchzusetzen.

Das neue Power-Duo im Schweizer Eishockey

Die Leidenschaft für den Sport hat ihn zur Sportpolitik gebracht und nicht das reine Karrieredenken wie bei seinem Vorgänger Michael Rindlisbacher, einem freundlichen, geduldigen Apparatschik und «Berufsverwaltungsrat» ohne Charisma, aber einem Machiavelli im Büchergestell, den er vorwärts und rückwärts gelesen hat. Der Sport wird endlich wieder wichtiger als der Machterhalt einer abgehobenen und bisweilen arroganten Funktionärskaste.

Die Chancen stehen sehr gut, dass aus Stefan Schärer und Patrick Fischer ein Power-Duo unseres Hockeys wird. Beide ticken sehr ähnlich. Zwei charismatische Persönlichkeiten. Stefan Schärer ist als Unternehmer ein dynamischer Mache, etwas hemdsärmliger als Patrick Fischer und ohne die Prise Spiritualität, die auch zum Charisma des Nationaltrainers gehört. Beide waren einst Leitwölfe in Meisterteams (Patrick Fischer in Lugano und Davos, Stefan Schärer bei Amicitia und Pfadi Winterthur), beide haben an Olympischen Spielen teilgenommen und Stefan Schärer war 1996 in Atlanta sogar Fahnenträger, beide haben über 150 Länderspiele bestritten, beide waren bei den bisher grössten internationalen Erfolgen in ihrer Sportart aktiv dabei: Patrick Fischer als Assistent von Sean Simpson bei der Silber-WM 2013 und als Nationaltrainer bei der Silber-WM 2018, Stefan Schärer als Spieler beim 4. Platz an der Handball-WM 1993.

Michael Rindlisbacher, Praesident SIHF, anlaesslich der Swiss Ice Hockey Awards, am Freitag, 29. Juli 2022 in Bern. (KEYSTONE /Marcel Bieri)
Michael Rindlisbacher tritt ab.Bild: keystone

Damit ist auch die Frage nach der Zukunft von Patrick Fischer bereits beantwortet: Er wird Nationaltrainer bleiben und sitzt sicherer im Sattel denn je. Es wird in den nächsten Wochen lediglich darum gehen, wie sein Mandat ausgestaltet werden soll. Die Idee ist eine leistungsorientierte, vorzeitige Verlängerung. Unter bestimmten Voraussetzungen (Halbfinal 2024?) eine Prolongation bis und mit dem Olympischen Turnier 2026.

Der Verband geht auf Versöhnungskurs

Klar ist auch die neue politische Ausrichtung unter dem neuen Präsidenten. Der Sport rückt nun wieder in den Mittelpunkt und der Verband wird wieder das, wofür dieser Verein (der Verband ist als Verein konstituiert) gegründet worden ist: Ein inspirierendes Dienstleistungszentrum für unser Hockey.

Der neue Präsident sagt, die enge Zusammenarbeit auf allen Ebenen sei ihm wichtig, um die Kräfte unseres Hockeys zu bündeln. Unter seinem Vorgänger Michael Rindlisbacher ist der Verband zwischen 2017 und heute immer mehr auf Konfrontationskurs mit der höchsten Liga eingeschwenkt und hat dadurch die juristische Eigenständigkeit der National League provoziert, mehr und mehr Energien in fruchtlosen Streitereien, in einem bisweilen kafkaesken Formalismus und im Erstellen von blutleeren, wolkigen Konzepten verloren. Bezeichnend dafür ist die notorische Unfähigkeit der Crew um Michael Rindlisbacher, die strukturellen und wirtschaftlichen Probleme der Swiss League (sie steht, anders als die National League, unter der Führung des Verbandes) zu erkennen und zu lösen.

Stefan Schärer stellt als sportlich versierter Quereinsteiger unvoreingenommen die richtigen Fragen und ist politisch neutral und unangreifbar, weil er aus dem Handball kommt. Er hat keinen Klub-Stallgeruch. Besser könnte seine Ausgangslage nicht sein: Der Verband steht vor allem dank der Einnahmen aus der abgesagten (aber von der Versicherung entschädigten) WM 2020 auf einer wirtschaftlich soliden Basis. Dem Geld muss der neue Vorsitzende nicht hinterherrennen. Er kann sich darauf konzentrieren, als Integrationsfigur die enormen Energien unserer föderalistisch strukturierten, in ihrem Kern gesunden und starken Hockeykultur zu bündeln.

Das Team ist entscheidend

Dabei wird Patrick Fischer sein wichtigster Verbündeter sein und dafür braucht er Diplomatie, Begeisterungsfähigkeit, aber auch Autorität und Durchsetzungskraft in der richtigen Balance. So wie es einst US-Präsident Theodore Roosevelt auf den Punkt gebracht hat: «Speak softly and carry a big stick; you will go far.» («Sprich sanft und trage einen großen Knüppel, dann wirst du weit kommen»).

Stefan Schärer kann seine Vorstellungen einer sportlichen Leistungskultur, einer Verbesserung der Ausbildung, einem Zusammenrücken von Amateur- und Profihockey nur mit Leuten durchsetzen, die so ticken wie er, denen er bedingungslos vertrauen kann und auf den verschiedenen Ebenen eine hohe Akzeptanz haben. Sportdirektor Lars Weibel und Verbandsdirektor Patrick Bloch tickten zuletzt nicht ganz so wie der neue Präsident: Beide haben sich bei den Bürogenerälen der National League und vieler Klubs der höchsten Liga unbeliebt gemacht, ja teilweise heillos zerstritten.

Will Stefan Schärer unseren Verband in seinem Sinne gestalten und nicht von den gut bezahlten Angestellten der unter Michael Rindlisbacher weiter ausgebauten (Kritiker sagen: aufgeblähten) Verbands-Administration gestalten, dann wird er um einen «Big Stick» in der Personalpolitik nicht herumkommen.

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46 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Olavus Cunctator
09.09.2023 14:06registriert Juli 2021
Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Albert Einstein.
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Nummy33
09.09.2023 14:45registriert April 2022
schade, wäre ein guter Zeitpunkt gewesen für ein Neuanfang
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Alain Müri
09.09.2023 14:25registriert März 2022
Schade, hätte mir neue Inputs gewünscht. Nun werden wieder die gleichen 20 von 23 Spielern aufgeboten. Der Biss fehlt das verlierergen bleibt. Die letzten 3 WMs wars immer die selbe leier...
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