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Er hadert aber meiner Meinung nach tatsächlich zu stark mit den Schiedsrichtern und sollte versuchen sich mehr um sein Team zu kümmern.
Ein Trainer hat, stark vereinfacht gesagt, zwei Möglichkeiten: Er kann seine besten Kräfte zusammenfassen, stark forcieren und so die Entscheidung erzwingen. Dabei wird die Mannschaft hierarchisch gegliedert: in Stars, die alle taktischen Privilegien und Eiszeit nach Belieben bekommen und in Hinterbänkler, die strikte taktische Defensivaufgaben zu erfüllen haben und dankbar sind, wenn sie etwas Eiszeit bekommen. Es ist die offensive, die typisch nordamerikanische Coaching-Philosophie.
Sie hat einen Nachteil: Kein Spieler der Welt beklagt sich darüber, wenn er zu viel Eiszeit bekommt.
Luganos drei Schweden werden Doug Shedden nie sagen, dass es vielleicht besser wäre, die dritte und vierte Linie stärker zu forcieren. So etwas muss der Coach schon selber merken. Lugano ist so gut über vier Linien besetzt wie der SC Bern. Das Problem ist lediglich, dass Doug Shedden diesen Vorteil bis jetzt nicht ausgenützt hat. Guy Boucher ist übrigens in Bern mit der gleichen Philosophie gescheitert.
Die zweite Variante ist die europäisch-schweizerische. Oder besser: die bernische. Die Philosophie von SCB-Sportchef Sven Leuenberger war es schon immer, seit seinem Amtsantritt 2007, eine möglichst ausgeglichene Mannschaft zusammenzustellen.
Die hat er bis zu seinem Rücktritt durchgezogen und die zahlt sich jetzt aus. Weil sein Bruder Lars die Strategie der Abnützung umsetzt: nicht die Entscheidung durch die Zusammenfassung der besten Kräfte erzwingen, sondern durch die Zermürbung der besten gegnerischen Linien herbeiführen.
Marc Lüthi wollte ja Patrick Fischer als Nachfolger des gefeuerten Guy Boucher. Sven Leuenberger setzte seinen Bruder durch – aber erst, als er dafür sein Amt als Sportchef opferte. Marc Lüthi wollte nicht ein Brüderpaar in den Positionen des Cheftrainers und des Sportchefs. Der Sportchef, der sich für seinen Bruder opfert und so den Weg zum Titel öffnet – Hollywood könnte es nicht besser erfinden.
Den EV Zug hat Doug Shedden in sechs Jahren fünfmal in die Halbfinals geführt (2008 bis 2014). Und doch erinnern sich die Zuger mit einer leisen Enttäuschung an diese wilden Jahre: Eigentlich hätte der Kanadier auch mal den Final erreichen oder vielleicht sogar Meister werden können. Einige sagen sogar: werden müssen. Doug Shedden sieht das anders: «Die Mannschaft war einfach nicht gut genug fürs Finale.»
So einfach ist das. Und dann bleibt ja immer noch die Ausrede vom Lottergoalie. Die Frage, ob Doug Shedden in Zug gut genug war für den Final, hat noch niemand gestellt. Nun müssen wir sie stellen. Und nicht nur das: Wenn er diesen Final verliert, dann ist es seine Niederlage. Dann hat Lugano an der Bande verloren.
Der Kanadier hat in Lugano eine Mannschaft, die gut genug ist für den Titel. Aber wieder droht das Scheitern. Die Kritik an Doug Shedden ist die gleiche wie einst in Zug: zu extremes Forcieren der besten Kräfte.
Das ist gegen einen SCB verhängnisvoll, der die Belastung auf vier Linien verteilt. Und es gibt, anders als damals in Zug, auch die Ausrede vom Lottergoalie nicht. Elvis Merzlikins hat Lugano in jeder Partie im Spiel gehalten und ist an allen drei Niederlagen unschuldig. Ja, er ist ein tragischer Held: Er hat seinen Vorderleuten dreimal den Sieg auf dem Silbertablett dargereicht – und sie waren nicht fähig, diesen Sieg einzufahren.
Oder besser: Ihr Coach hat nicht die richtige Strategie gefunden. Wenn Doug Shedden sagt, es sei nicht möglich, ein Spiel zu gewinnen, wenn die sechs besten Skorer nicht treffen, dann hat er recht. Aber wir müssen auch die Frage stellen: Warum treffen sie nicht?
Ein Grund: Weil sie vom Trainer im Laufe der Play-offs zu stark forciert worden sind. Mit Lars Leuenbergers Strategie würde Lugano jetzt 3:1 führen und könnte am Dienstag Meister werden. Mit Lars Leuenberger an der Bande wäre Lugano mit ziemlicher Sicherheit Meister.
Doug Shedden ist einer der wichtigsten Architekten der Renaissance des HC Lugano. Der Rückkehr an die Spitze unseres Hockeys. Des ersten Finals seit 2006. Aber er war bisher im Final noch nicht der «Innenarchitekt», der den meisterlichen Rohbau mit Detailarbeit so vollendet, dass es zum krönenden Abschluss reicht. Nun hängt sein Schicksal davon ab, ob es ihm gelingen wird, seine offensiven Stars, denen er bisher alle Privilegien gewährt hat, zu einer Extraleistung, zu einem Schlussspurt zu motivieren.
Alles andere bei Lugano funktioniert. Die Abwehr und der Torhüter sind mindestens so gut wie beim letzten Meisterteam von 2006.
Wenn Doug Shedden mit seiner risikoreichen offensiven Strategie doch noch die Wende erzwingt, dann ist er in unserer Liga einer der grössten, charismatischsten nordamerikanischen Bandengeneräle aller Zeiten. Wenn er scheitert, dann hat er bis zum Gewinn einer Meisterschaft den Schwefelgeruch eines Verlierers in den Kleidern.
Aber es wäre in diesem Final eine ehrenvolle Niederlage. Er wäre ja von Lars Leuenberger ausgecoacht worden – und der SCB-Trainer war ja in diesen Play-offs schon smarter als Stanley-Cup-Sieger und Meistertrainer Marc Crawford und Kulttrainer Arno Del Curto.