Sven Bärschi ist zwar in Langenthal ausgebildet worden. Aber im Sommer 2010 hat er die Schweiz verlassen. Noch bevor er nur eine einzige Partie in der höchsten Liga gespielt hat. Bis heute kam er auch nur zu einem einzigen Länderspiel: Die erste Partie der WM 2014 gegen Russland (0:5). Er stürmte neben Luca Cunti und Denis Hollenstein. Aber es blieb bei 7:05 Minuten Eiszeit. Eine Verletzung beendete Sven Bärtschis WM- und Länderspieldebüt vorzeitig. Seither war er nie mehr ein Thema für ein Titelturnier. Es gibt also keine Erfahrungswerte über seine Tauglichkeit auf den breiten europäischen Eisfeldern.
In Nordamerika hat Sven Bärtschi eine schöne Karriere gemacht: NHL-Erstrundendraft (2011 Nr. 13 Calgary) und zeitweise lokalen (nicht ligaweiten) Starstatus in der NHL.
Insgesamt hat Sven Bärtschi gut 10 Millionen Dollar brutto verdient (davon geht die Hälfte an den Steuervogt). Inzwischen ist klar, dass es für ihn in der NHL keine Zukunft mehr gibt. Die letzten drei Jahre hat er fast ausschliesslich in der Farmteamliga AHL verbracht. Diese Saison muss er sich mit 750'000 Dollar brutto begnügen – und auch davon geht die Hälfte durch Steuern weg. Die Zeit für eine Heimkehr ist gekommen. Und klar ist auch: Sein Marktwert ist im Frühjahr 2022 so hoch, wie er nie mehr sein wird. Jetzt muss er sein Talent mit einem langfristigen Vertrag kapitalisieren.
Die zwei alles entscheidenden Fragen: Welche Rolle kann Sven Bärtschi in der National League spielen und wie viel Geld ist er wert? Die Salärforderung: Mehr als 700'000 Franken brutto und ein Mehrjahresvertrag. Das ist viel Geld und der Grund, warum sich sein Agent André Rufener mit dem SCB noch nicht geeinigt hat.
Ist Sven Bärtschi 700 000 Franken pro Saison wert? Für die sportliche Führung in Zug, Lugano, Zürich und Biel ist klar: Nein. Die Verantwortlichen dieser Klubs, die im Ressort Sport etwas zu sagen haben, bestätigen, keine Verhandlungen mehr zu führen und nicht mehr interessiert zu sein. Sven Bärtschi wird also nächste Saison nicht für Zug, Lugano, die ZSC Lions oder Biel stürmen. Es sei denn, der Chronist ist brandschwarz angelogen worden. Interessant sind die Begründungen für die Absage. Wer welche Begründung vorgebracht hat, ist unerheblich und bleibt unter uns Pfarrerstöchtern.
Diese Zweifel werden stark vereinfacht wie folgt erklärt: Sven Bärtschis Hockey-DNA sei auf den kleineren Eisfeldern in Nordamerika geprägt worden. Also durch ein Spiel, das ganz auf das Tor zentriert ist und das Kreisen draussen in den Ecken kaum kennt. Er habe sehr gute Hände und dazu die Standfestigkeit, Schlauheit und Kaltblütigkeit, die guten Torschützen eigen ist und die es braucht, um sich im «Infight» vor dem gegnerischen Tor zu behaupten und dort auch für seine Mitspieler Torchancen zu kreieren. Aber er sei läuferisch nicht gut genug für das offene Eis. Für unser Tempo und Laufhockey. Also sozusagen ein Grégory Hofmann mit hölzernen Füssen und ohne defensives Gewissen. Oder noch ein Vergleich: Sven Andrighetto, gleich alt wie Sven Bärtschi und mit einer ähnlichen Postur, dürfte der läuferisch bessere, komplettere, aber im Abschluss weniger effizientere Stürmer sein, der Flügel und Center kann. Seine NHL-Bilanz: 227 Spiele, 31 Tore, 52 Assists. Sven Bärtschis Statistik: 293 Spiele, 66 Tore, 72 Assists.
Dazu ist zu sagen: Sven Bärtschi ist wahrscheinlich der kaltblütigste, unberechenbarste und kreativste Skorer mit Schweizer Pass. Aber er ist kein kompletter Stürmer. Er ist ein einseitig auf den Abschluss «reduzierter» Flügel. Setzt er seine Qualitäten um, wird er mehr als 30 Tore erzielen. Die Frage ist eben, ob er auf den grossen Eisfeldern diese Qualitäten umsetzen kann. Eine Antwort erhalten wir erst, wenn er da ist.
Wäre Sven Bärtschi ein Kanadier oder Amerikaner, so wäre er nicht sonderlich begehrt. Die letzten drei Jahre fast nur noch im Farmteam? Da finden wir ganz sicher bessere nordamerikanische Stürmer. Aber für Sven Bärtschi braucht es keine Ausländer-Lizenz. Das macht seinen Marktwert.
Ist Sven Bärtschi 700'000 Franken wert? Für den SCB kurzfristig sehr wohl: Sein Transfer wird die positive Neuigkeit sein, die den zweifelnden SCB-Fan dazu bringt, das Saisonticket doch wieder zu beziehen. 13'000 sollten ja wieder verkauft werden. Langfristig ist Sven Bärtschi bei nüchterner Abwägung allerdings 700'000 Franken eher nicht wert.
SCB-Sportchef Andrew Ebbett bestätigt das vitale Interesse. Dass er auf die Rückkehr von André Rufener aus den Ferien warte, um die Verhandlungen fortzusetzen und baldmöglichst erfolgreich mit einer Unterschrift zu krönen. Nun wird sich zeigen, wie gut der Kanadier verhandelt. Zug, Lugano, die ZSC Lions und Biel sind aus dem Rennen. Da Sven Bärtschi eigentlich nicht nach Lausanne will, gibt es keinen Klub mehr, der 700'000 Franken zu zahlen bereit ist. Also muss es sein Ziel sein, Sven Bärtschi für vier oder fünf Jahre und durchschnittlich weniger als 500'000 pro Saison zu bekommen. Auf dieser Basis müssten die Verhandlungen beginnen – und dann ist es ja problemlos möglich, noch etwas nachzulegen.
Wenn nicht noch der Münsterturm in den Bärenpark fällt, wird Sven Bärtschi beim SCB unterschreiben. Offen ist für welches Salär und für wie viele Jahre. Es ist Berns heikelster Transfer der Klubgeschichte.