In Krisen werden Notmassnahmen eingeführt, die eigentlich befristet sind. Aber dann bleiben sie und werden ein selbstverständlicher Teil unseres Alltages. Ein gutes Beispiel ist die «Wehrsteuer». Sie wurde 1940 als Bundessteuer auf die Einkommen von natürlichen Personen und auf den Gewinn von Firmen eingeführt. Um die Armee kriegstüchtig zu machen. Bei der Einführung dieser Steuer durch den Bundesrat ist hoch und heilig versprochen worden, dass sie auf die Dauer des Krieges befristet bleiben wird. Der Krieg ist 1945 zu Ende gegangen und eigentlich hätte diese Steuer 1945 abgeschafft werden müssen. Auf fragwürdiger rechtlicher Grundlage ist sie beibehalten und erst in den 1980er-Jahren ins ordentliche Recht überführt worden. Heute heisst sie «direkte Bundessteuer» und ist neben der Mehrwertsteuer die wichtigste Einnahmequelle des Bundes. Und ein Ärgernis für den Steuerzahler.
Was hat dieser Exkurs in die jüngere Geschichte mit dem Eishockeystart in Zeiten der Krise zu tun?
Sehr viel.
Jahrelang haben die Manager und Präsidenten der Klubs die Hände verworfen, wenn von der Einführung personalisierter Tickets und Sitzplätzen auf Kosten der Stehplatzrampe die Rede war. Unmöglich! Nicht machbar! Viel zu teuer! Dabei wären personalisierte Tickets und die Verbannung der Stehplätze ein einfaches, sehr wirksames Mittel, um Ruhe und Ordnung in den Stadien zu haben. Mit personalisierten Tickets, wenn der Klub weiss, wer auf welchem Platz sitzt, ist Schluss mit dem Stadion als rechtsfreiem Raum. Missetäter sind rasch ermittelt und können ins Recht gefasst werden.
Und nun haben wir zum Saisonauftakt am Donnerstag und am Freitag gesehen, dass es sehr wohl funktioniert. Niemand mehr ist anonym ins Stadion gekommen. So wie auch niemand anonym ein Flugzeug besteigen kann. In unserem digitalen Zeitalter ist ein personalisiertes Ticket kein Problem mehr.
Wir wissen noch nicht, wie lange diese Krise dauert und ob alle Klubs diese Krise überstehen werden. Aber eines können wir jetzt schon sagen: Die personalisierten Tickets werden überall und die Sitzplätze auf Kosten der Stehplatzrampe in den meisten Stadien bleiben. So wie die Wehrsteuer geblieben ist.
Mit dieser Überwachungsmassnahme, die George Orwell schon 1948 in seinem weltberühmten Roman «1984» vorausgesehen hat, können in den beiden höchsten Ligen mehr als fünf Millionen Franken Sicherheitskosten und Entschädigungen an den Staat für Polizeipräsenz eingespart werden. Aber die personalisierten Tickets und die Abschaffung der Stehplätze werden zu einer tiefgreifenden Veränderung des Hockeypublikums und damit unserer Hockeykultur führen.
Unser Hockeybusiness ist ein geschäftliches Hybridmodell. Die Verzehnfachung der Budgets in den letzten 30 Jahren ist einerseits durch eine Verzehnfachung der TV-Einnahmen und durch Werbung (Sponsoring) und VIP-Plätze (Logen) erzielt worden. Aber das «Proletariat» – die Stehplatz-Zuschauer auf den billigen Plätzen – spielen nicht nur bei der Finanzierung eine wichtige Rolle. Sie prägen unsere Hockeykultur stark und machen einen grossen Teil des Erlebniswertes eines Livespiels im Stadion aus. Unsere National League erzielt ausserhalb der NHL die höchsten Zuschauerzahlen und die sind nur dank der Stehplätze erreichbar.
Was passiert, wenn wir durch personalisierte Tickets nur noch die Braven und die besser Verdienenden, die sich einen Sitzplatz leisten können, ins Stadion lassen? Ist es dann noch möglich, Stadien zu füllen, die nur noch Sitzplätze haben? Entziehen wir unserem Hockey mit personalisierten Tickets und der starken Reduktion der Stehplätze die Basis? Gar die Seele?
Mit solchen Fragen werden sich die Hockeymanager in den nächsten Monaten intensiv auseinandersetzen müssen. Sie haben «dank» der Virus-Krise vom «Baum der Erkenntnis» genascht. Sie wissen jetzt, dass die totale Überwachung möglich ist. Dass sich die Zuschauerinnen und Zuschauer sehr viel Kontrolle ohne zu murren gefallen lassen. Sie werden der Versuchung nicht widerstehen können, diese Überwachung und Gängelung beizubehalten.
SCB-Manager Marc Lüthi betont bei jeder Gelegenheit ausdrücklich, dass die grösste Stehplatzrampe der Welt in seiner Arena nicht verschwinden wird. Die SCB-Fans müssen damit rechnen, dass er seine Meinung nach ausgestandener Krise ändern wird.
Das ist das gefährliche Erbe der Virus-Krise.
Wie genau kommt Zaugg auf die Einsparnis von 5 Mio?
Die Abschaffung der Stehplätze nach der Krise wäre der Todesstoss für manche Clubs
Wohl noch nie im Hallenstadion auf dem 3 Rang gewesen?
So brav sind die dort auch nicht und die Tickets Kosten fast gleich viel wie andernorts ein Stehplatz.
Wobei: für mich ist ein Verzicht auf die Stehplätze nicht vorstellbar. Wieso denn auch? Selbst wenn nach überstandener Pandemie die personalisierten Tickets bleiben, muss deswegen doch nicht auf die Stehplätze verzichtet werden.
Warten wir einfach mal ab.