Eigentlich wollten die Organisatoren (eine AG aus dem dänischen Landesverband und dem Vermarkter Infront) in Kopenhagen spielen. Aber die Stadt war nicht bereit, das Turnier zu alimentieren und die Mietkosten für die Arena waren viel zu hoch.
2018 hatte die WM in Kopenhagen als Hauptspielort und Herning als Nebenspielort noch 8133 Fans pro Partie angelockt. Diese Zahlen wird Herning als zweiter Spielort neben Stockholm bei weitem nicht erreichen. Bei der Hälfte der Partien war die Arena mit einem Fassungsvermögen von 10'500 Sitzen nicht einmal halb voll.
Nun wird halt in Herning gespielt. Eine sportverrückte Stadt mit gut 50'000 Bewohnenden, fast 400 Kilometer westlich von Kopenhagen. Weil die WM mit sage und schreibe zwei Millionen Euro aus der Stadtkasse subventioniert und die Arena praktisch kostenlos zur Verfügung gestellt wird, reicht es trotz miserablem Publikumsaufmarsch zu einem schönen Gewinn. Der dänische Verbandspräsident Henrik Bach Nielsen konnte schon ein Jahr vor dem Turnier, bevor ein einziges Ticket verkauft war, verkünden, dass die Zahlen schwarz sind.
Also haben die Organisatoren – wie beim Internationalen Verband (IIHF) gemurrt wird – den Werbeaufwand auf ein Minimum reduziert. Die Subventionierung durch die Steuerzahlenden hat zu – excusez l’expression – Faulheit geführt. Weil Eishockey in Dänemark neben Fussball und Handball bloss ein Nischensport ist, interessieren bloss die Spiele der Dänen. Diese Eishockey-WM ist in Dänemark vom allgemeinen Interesse etwa vergleichbar mit einer Basketball-WM in Bern.
Die Fans, die nach Herning gekommen sind, fühlen sich jedoch sehr wohl. Den Werbeaufwand mögen die Organisatoren gescheut haben. Aber nicht die Arbeit zum Wohle der Besucher. Sie sind freundliche, hilfsbereite Gastgeber und haben das Turnier in eine stressfreie «Wohlfühl-WM» verwandelt.
Die Fan-Zone in der Stadt und ums Stadion ist so grosszügig ausgelegt wie bei keiner anderen WM der Geschichte. Wegen des fehlenden Werbeaufwandes hält sich der Publikumsaufmarsch in Grenzen. Die Hockeyfans sind unter sich und feiern ihr alljährliches Klassentreffen. Friedlich und fröhlich und in der Art mahnen sie ein wenig an ein Eidgenössisches Schwingfest: Ordnungskräfte sind nicht da, um Ordnung zu schaffen. Sondern weitgehend nur, um den Weg zur nächsten Toilette oder Pizza-Stand zu weisen – und zu den Gratis-Parkplätzen in schier endloser Zahl. Es ist das vielleicht friedlichste globale Sportfest der Neuzeit.
Eine zentrale Rolle spielen gerade wegen des fehlenden einheimischen Publikumsinteresses die Fans aus der Schweiz. Noch bei jedem Spiel waren gut und gerne 1000 im Stadion.
Peter von Ballmoos («Vobi») organisiert seit 1999 Fan-Reisen zu den WM-Turnieren. Wie jedes Jahr kümmert er sich um eine rund 40-köpfige Reisegruppe und den Fan-Sektor mit 150 Fans. Einige kommen nur für zwei, drei Spiele, andere lediglich zu den Partien in Herning und andere buchen fürs ganze Turnier. «Wir sind gut aufgehoben», erzählt Peter von Ballmoos. «Es gibt hier halt ein paar besondere Regelungen.»
Dazu gehöre leider das Verbot, die grosse Schweizer Fahne, die mit den Massen von sechs mal zehn Metern den Fan-Sektor abgedeckt hätte, ins Stadion zu nehmen. «Die erste Begründung war, es könne nicht garantiert werden, dass beim Ausbreiten der Fahne vor dem Spiel auch jemand unter der Fahne sein konnte, der das nicht möchte. Natürlich fragten wir nach, wie das die tschechischen Fans mit ihrer grossen Fahne garantieren. Darauf folgte dann das Veto vom höchsten Brandschutzverantwortlichen.»
Ja, das wäre dann noch, wenn die Fahne Feuer gefangen hätte! «Trotz entsprechendem Zertifikat für die Feuerfestigkeit blieb es beim Nein. In der Folge blieb dann auch die tschechische Flagge bei der Sicherheitskontrolle hängen. Mit Vorschriften müssen und können wir in der Regel leben, sie sollten aber konsequent für alle Besucher gelten.»
Es seien einfach vorgängige Abklärungen erforderlich, zum Beispiel für die zahlreichen Glocken. «Dann funktioniert es gut.» Er nennt auch ein ganz besonderes Beispiel: «Janine ist stark sehbehindert und sie braucht einen Blindenhund. In der Schweiz darf sie den Hund beispielsweise in Bern nicht ins Stadion nehmen. Hier in Herning aber haben wir nach Vorabklärungen eine Bewilligung bekommen und der Hund darf mit. Er heisst Alf und bei der Eingangskontrolle hilft beim kritischen Blick denn auch das Codewort ‹Alf!› – und alles ist klar.» Alf schlafe bequem während des Spiels und der Lärm im Stadion störe ihn nicht. «Ausser, wenn Janine mit den anderen Fans zur Nationalhymne anstimmt. Dann steht er auf und jault ein bisschen mit …»
Was kostet denn bei ihm eine Reise hier nach Herning? Es gebe über die Jahre einen Kostenrahmen, der eigentlich in allen Ländern eingehalten werden könne. Egal, ob Bahn- oder Flugreise. «Eine Vorrunde mit 7 Spielen kostet für Unterkunft und Tickets etwa 1500 Franken. Oder pro Tag rund 100 Franken.»
Nach Ausbildung und über 20 Jahren beim Eisenbahnunternehmen BLS arbeitet Peter von Ballmoos heute hauptberuflich in der Disposition/Logistik im Inselspital Bern und «Vobi» hat die Organisation von WM-Reisen oder Reisen zu Länderspielen im Ausland zum Hobby gemacht.
Peter von Ballmoos dürfte mit seiner langjährigen Erfahrung und seinen direkten Kontakten mit den Fans und den Organisatoren mehr über die Besonderheiten von WM-Reisen wissen als viele noch so professionelle Reiseveranstalter. Seit 1999 hat er auch Trips zu schwierigen Destinationen wie etwa St.Petersburg (2000) oder Minsk (2014) mit aufwändigen Visa-Formalitäten gut über die Bühne gebracht.
Inzwischen hat «Vobi» in den Fan-Kreisen längst Kultstatus. Viele reisen seit Jahren mit ihm, die Fan-Gruppe Willifans bildet den eigentlichen «harten Kern» der WM-Fans. Die missglückte WM 1989 in Norwegen (die Schweiz verpasste den Aufstieg und war bei der WM 1990 in Bern und Fribourg nicht dabei) war die Geburtsstunde dieser Fan-Bewegung.
Einige der damaligen Mitreisenden sind auch heute noch dabei. Sie haben nicht nur viele Länder und Städte gesehen. Sie haben die verrückteste Reise mitgemacht, die es je im internationalen Eishockey gegeben hat: die Reise der Schweiz aus der Bedeutungslosigkeit einer B-WM bis hinauf in den WM-Final. Fast ein Eishockey-Märchen.