Unsere Hockey- und Fussballsaisons hatten soeben ihre jeweiligen Höhepunkte in der Zeitspanne von drei Tagen. Am Samstag holten die ZSC Lions durch ein 2:1 nach Penaltys in Kloten den Titel. Am Ostermontag gewann der FC Zürich durch ein 2:0 über den FC Basel den Cup.
Welch ein Unterschied! Die gesamte Eishockey-Finalserie zwischen den Lokalrivalen ZSC Lions und Kloten Flyers war ein Hockeyfest. Zelebriert von anständigen Fans und Spielern. In den vier Final-Partien jammerten die Trainer nicht ein einziges Mal über die Schiedsrichter.
Der Fussball-Cupfinal war hingegen ein beschämendes Schauspiel mit unanständigen Fans und unanständigen Trainern. Das Jammern über die Schiedsrichter ist ganz einfach lächerlich. Nur sagt im Fussball niemand mehr, wie viele Kaiser bei uns auf allen Ebenen ohne Kleider herumlaufen.
Die moderne Technik ermöglicht es uns, Entscheide der Unparteiischen in Zeitlupe zu studieren. Ich befasse mich zwar journalistisch wenig mit Fussball, habe aber Freunde, die in zentralen Positionen im Fussball-Business tätig sind. Weshalb ich mich sehr für das kurzhosige Sportbusiness interessiere.
Der ach so umstrittene Entscheid von Schiedsrichter Patrick Graf ist durchaus vertretbar. Die TV-Bilder lassen sich durchaus objektiv auch so interpretieren: Basels Giovanni Sio lässt sich ganz klar fallen. Es ist eine Schwalbe. Kommt dazu, dass er von Zürichs Jorge Teixeira wahrscheinlich ausserhalb des Strafraumes zurückgehalten wird. Die Verwarnung ist berechtigt, der Platzverweis ebenso. Wie gesagt: Die TV-Bilder können (aber müssen nicht) objektiv so gesehen werden.
Auch im Eishockey gibt es gelegentlich Chronisten, die mangels Sachkenntnis gegen die Unparteiischen polemisieren. Aber diese Einfaltspinsel haben keinen Einfluss. Die gesamten Playoffs sind im Eishockey ohne einen spielentscheidenden Schiedsrichter-Fehlentscheid und ohne Schiedsrichter-Polemik über die Bühne gegangen.
Der Respekt vor den Unparteiischen ist im Eishockey mit ganz wenigen Ausnahmen auf allen Ebenen – bei den Zuschauern, den Medien, den Präsidenten, den Sportchefs, den Trainern und den Spielern – im Quadrat grösser als im Fussball. Dazu trägt auch eine speditiv arbeitende, kompetente und gut funktionierende Liga-Justiz bei, die Missetäter eine Strafe zuführt. Das ist keineswegs selbstverständlich. Eishockey ist als Schauspiel auf und neben dem Spielfeld noch emotionaler als Fussball.
Die Auswirkungen der fehlenden Fussballkultur sind inzwischen nicht mehr zu übersehen. Die Trainer und Spieler haben sich im helvetischen Fussball so an Schiedsrichterkritik gewöhnt, dass es kaum noch jemand zu sagen wagt, wie lächerlich das ganze Theater geworden ist. Mit Folgen: Dass unsere Klubs in Europa – anders als im Eishockey – einfach noch nie auf einen grünen Zweig gekommen sind, hat durchaus mit dieser fehlenden Kultur zu tun.
In den europäischen Wettbewerben kümmert das Jammern über die Schiedsrichter halt niemanden. Die fehlende Disziplin der Spieler hat zuletzt direkt zum europäischen Scheitern des FC Basel geführt. Und das schäbige Verhalten der FCB-Fans hat die Schande eines Geisterspiels nach sich gezogen – und niemand regt sich mehr richtig darüber auf. Die FCB-Führung hat das Fehlverhalten der eigenen Fans in Salzburg nie öffentlich klar, unmissverständlich und mit aller Konsequenz verurteilt. Gott sei dank wird unsere Fussball-Nationalmannschaft von Spielern getragen, die im Ausland Fussball-Anstand gelernt haben.
Es ist letztlich kein Wunder, dass nicht einmal mehr bei einem Cupfinal-Klassiker wie Basel gegen den FCZ das Stadion gefüllt werden kann. Die berechtigte Angst vor dem pöbelnden Fans dürfte manch anständigen Familienvater davon abgehalten haben, am Ostermontag nach Bern zu fahren. Es gibt ohnehin ja kaum mehr ein Schlüsselspiel ohne die Furcht vor Fan-Saubannerzügen. Wir müssen uns wegen gewisser Auswüchse unseres Klubfussballs schämen.
Ein zentrales Merkmal einer Sportkultur ist der Respekt gegenüber den Schiedsrichtern auf allen Ebenen – und der Anstand der Fans. In diesen Bereichen ist es, wie dieser beschämende Cup-Final wieder einmal gezeigt hat, im Schweizer Klubfussball nicht gut bestellt. Es ist erstaunlich, dass die Klub-, Verbands- und Liga-Führungen gegen diese Missstände nicht energisch einschreiten.
Weder die Klubs noch eine Verbands- oder Liga-Führung können eine heile Fussball-Welt erschaffen. Aber es wäre sehr wohl möglich, die Schiedsrichter viel besser zu schützen, die motzenden Trainer zu bestrafen und das Fehlverhalten der Fans härter zu sanktionieren und unsere Fussball-Kultur zu verbessern.
So, habe fertig. Ende der Polemik.