Beginnen wir mit einer harmlosen, dafür umso lustigeren Geschichte. Als Mario Balotelli mit Manchester City in der Europa-League-Saison 2010/2011 gegen Dynamo Kiew antreten musste, bekundete der Italiener seine Probleme damit, den Überzieher, nun ja, überzuziehen. Die sind aber auch blöd gemacht …
Es war nicht das einzige Mal, dass Balotelli die Kleidung Probleme bereitete. In diesem Fall war es aber aus einem anderen Grund. Als der Stürmer noch bei Inter Mailand unter Vertrag stand, erschien er in einem AC-Milan-Trikot am Drehort einer Fernsehsendung. Vorsichtig gesagt: Die Fans von Inter zeigten sich darüber nicht gerade erfreut.
2010 : Alors joueur de l'Inter, Mario #Balotelli débarque sur le plateau de l'émission Striscia la Notizia avec un maillot du Milan pic.twitter.com/v1PYZ9lm2i
— FrSerieA (@FrSerieA) August 24, 2017
Noch eine T-Shirt-Geschichte. Versprochen, es ist die letzte. Vor dem Derby gegen Manchester United in der Saison 2011/12 ging Balotelli zum damaligen Materialwart Les Chapman und wollte sein Unterleibchen bedrucken lassen. «Er hatte ein, zwei Ideen, die aber nicht wirklich angemessen waren», erzählte Chapman später. Dann sei dem Italiener aber der Slogan «Why Always Me?» eingefallen. «Es war die perfekte Idee, zum perfekten Zeitpunkt für die perfekte Person», meint Chapman.
So druckte er diesen auf das Kompressionsshirt und natürlich traf Balotelli dann im Old Trafford auch. Sofort hob er sein Trikot, woraufhin der Slogan zu sehen war. In einem Interview mit dem «Guardian» erklärte Balotelli diesen: «Es war für alle Leute, die immer schlecht über mich reden. Sie kennen mich nicht, deshalb die Frage: ‹Wieso immer ich?›» City gewann das Spiel übrigens 6:1, Balotelli traf doppelt.
9 years ago today, Mario Balotelli's 'Why Always Me' Shirt Was Born
— Booster99 (@betBooster99) October 23, 2020
💥 It was a mauling from start to finish, with goals from Sergio Aguero, David Silva, Edin Dzeko (2) and Mario Balotelli (2). pic.twitter.com/zuvj7cWjOR
Das berühmteste Bild von Mario Balotellis Karriere ist zweifelsohne jenes nach dem 2:0 im EM-Halbfinal 2012 gegen Deutschland. Der damals 21-Jährige entledigte sich nach seinem zweiten Treffer seines Trikots und posierte im deutschen Strafraum.
Eine bestimmte Erklärung für den Jubel gab es laut Balotelli nicht. Er habe einfach gedacht, dass «die Kritiker meinen Körper sehen und wütend und eifersüchtig werden». Im Final unterlag Italien dann aber Spanien 0:4.
Der Halbfinal gegen Deutschland war nicht das einzige Spiel, in dem Balotelli mit einem speziellen Torjubel auf sich aufmerksam machte. Als er im Jahr 2019 ein Tor für Olympique Marseille gegen Saint-Étienne erzielte, ging er zur Bande, wo ihm jemand ein Handy reichte. Der Torjubel war dann live auf Instagram zu sehen. «Er hat uns davon bereits in der Woche erzählt, und wir fanden es eine super Idee», erzählte ein Mitspieler. Es scheint ein gutes Omen zu sein, wenn Balotelli einen speziellen Jubel plant. Merkt euch das, liebe Sittener.
The internet was broken with this one...
— Olympique de Marseille 🇬🇧 🇺🇸 (@OM_English) March 4, 2019
...And we've got it from every angle. There's only ☝️ @FinallyMario, and he's an Olympien 👇 pic.twitter.com/AmX19lLs5d
Dass Balotelli aber nicht alles gelingt, was er sich vornimmt, zeigt unter anderem diese Episode. In einem Vorbereitungsspiel gegen Los Angeles Galaxy läuft der damalige City-Stürmer alleine auf den gegnerischen Torhüter zu. Er könnte versuchen, den Ball an Josh Saunders vorbeizuschieben. Oder einen Querpass zu Edin Dzeko zu spielen. Oder er dreht sich um 180 Grad und schiebt den Ball mit der Hacke am Tor vorbei. Dreimal dürft ihr raten, für welche Option Balotelli sich entschieden hat.
Dies gefiel weder seinen Mitspielern noch dem Trainer oder den Fans. Roberto Mancini ersetzte Balotelli umgehend durch James Milner, was dem «Bad Boy» überhaupt nicht gefiel. Unter Buhrufen und in Richtung des Trainers gestikulierend, verliess Balotelli das Feld.
Mancini war aber nicht der einzige Trainer, dem sich Balotelli nicht immer ganz unterzuordnen vermochte. Vor der Weltmeisterschaft 2014 kursierten Bilder aus dem Training des italienischen Nationalteams. Dabei waren die Spieler während Kraft- und Dehnübungen zu sehen. Nur Balotelli hatte nicht so ganz Lust darauf. An der WM schied das Team von Cesare Prandelli nach Niederlagen gegen Uruguay und Costa Rica in der Vorrunde aus.
Balotelli during Italy training session "Why always Me" i would love to see him at arsenal. pic.twitter.com/YfYFqUB9eJ
— Mwangi (@Dennoh11Gooner) June 8, 2014
Mario Balotelli in Italy training.. pic.twitter.com/xUTDrXktM6
— FootballFunnys (@FootballFunnnys) June 24, 2014
Bei Inter Mailand hatte Balotelli einen Trainer, der ebenso polarisiert wie der Spieler selbst: José Mourinho. Der Portugiese sagte Jahre später in einem Interview mit CNN: «Die problematischsten Spieler waren immer die lustigsten.» Dazu zählt er auch Balotelli, über den er auch gleich eine Anekdote erzählt. In einem Champions-League-Spiel in Kasan fehlten Mourinho mehrere Stürmer verletzt.
Balotelli stand in der Startaufstellung, auf der Bank sass kein Ersatz für den Angriff. Weil Balotelli in der ersten Halbzeit Gelb sah, flehte Mourinho ihn in der Pause an: «Mario, ich kann dich nicht ersetzen. Berühre niemanden. Wenn wir den Ball verlieren, keine Reaktion, wenn dich jemand provoziert, keine Reaktion. Bitte, Mario.» Er habe 14 der 15 Minuten nur mit Balotelli gesprochen. Und trotzdem: «In der 46. Minute holte er Rot», sagt Mourinho und lacht sich kaputt.
Ganz korrekt ist das zwar nicht. Balotelli flog erst in der 60. Minute vom Platz. Lustig ist es trotzdem. Zumal es ein eher unnötiger Zweikampf war. Auch deshalb sagt Mourinho: «Ich könnte ein Buch mit 200 Seiten über die zwei Jahre mit Mario schreiben. Aber es wäre kein Drama, sondern eine Komödie.»
Das frühere Toptalent leistete sich aber auch einige Ausrutscher. Im Alter von 20 Jahren war ihm wohl langweilig, als er auf dem Trainingsgelände von Manchester City einen Dartpfeil auf einen Jugendspieler warf. Glücklicherweise verletzte sich dabei niemand. Dafür musste Balotelli eine Strafe von 100'000 Pfund bezahlen – so viel verdiente er damals in einer Woche.
Doch anscheinend war es nicht das einzige Mal, dass Balotelli mit ungewöhnlichen Wurfgeschossen auf andere Personen zielte. Wie ESPN schreibt, habe ein ehemaliger Mitspieler aus der italienischen U21 von einem weiteren Vorfall berichtet. Salvatore Bocchetti, zu der Zeit Verteidiger von Spartak Moskau, erzählte in einer russischen Fernsehsendung, dass Balotelli einen Teller Pasta ins Gesicht von Mitspieler Marco Motta geworfen habe. Auch das Gerücht, dass er mal einen Trainer mit Tomaten beworfen habe, hielt sich hartnäckig.
Eine weitere kuriose Geschichte ereignete sich im Dezember 2012, als Balotelli aus Manchester nach London musste. Weil er den Weg nicht kannte, hatte er einen Taxifahrer beauftragt, vor ihm herzufahren, damit er sich nicht verfahren konnte. Dafür bezahlte Balotelli angeblich 1000 Euro.
Doch nicht alle Geschichten vom Autofahrer Balotelli waren so harmlos wie diese. Angeblich wurde der Maserati des Italieners in Manchester 27-mal abgeschleppt und für Parkbussen habe er über 10'000 Euro bezahlt. Dazu kam ein Unfall mit seinem Audi R8.
Fast schon wahnsinnig lässt Sions Neuzugang diese Episode erscheinen. Vor dem Manchester-Derby im Oktober 2011 hatte die Feuerwehr in den frühen Morgenstunden einen Einsatz beim Haus von Balotelli. Der Fussballprofi hatte mit Freunden versucht, Feuerwerk aus dem Badezimmerfenster abzufeuern und dabei ein Feuer entfacht.
Balotelli kam unverletzt davon und musste in einem Hotel übernachten. Wenige Stunden später erzielte er den Führungstreffer und zeigte das Shirt mit dem Aufdruck «Why Always Me?». Kurios: Kurz darauf wurde er das Gesicht einer Kampagne für Sicherheit im Umgang mit Feuerwerk.
Es gibt aber auch genügend Anekdoten, die zeigen, dass Balotelli auch ein gutes Herz hat. Nach einem grossen Casino-Gewinn schenkte er einem Obdachlosen, der sich vor dem Glücksspielanbieter in Manchester aufhielt, 1000 Pfund. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Balotelli anderen Leuten Bargeld schenkt. Angeblich habe er beim Einkaufen regelmässig 50-Pfund-Noten verteilt.
Einmal brachte er zudem einen Schüler, der schwänzte, weil er gemobbt wurde, zurück in die Schule und konfrontierte den Täter. Er sprach gar mit dem Schulleiter und vermittelte zwischen den beiden Schülern, um deren Probleme zu beseitigen.
Doch noch eine Trikot-Geschichte. Sorry, aber es gibt einfach zu viele. Als die Italiener in einem Länderspiel erstmals das kurz zuvor präsentierte, neue Trikot trugen, hatte Balotelli andere Pläne. Nach der Pause kam er im alten Dress zurück aufs Feld, angeblich, weil ihm das neue nicht gefiel. Dem Schiedsrichter fiel dies erst auf, als er ihn fünf Minuten später verwarnte und ihn zum Umziehen schickte.
LOOOL Balotelli wears the old Italy jersey to the game because he didn't like the new one pic.twitter.com/TRkTL4oA
— Maan Almofadhi (@TheMaan94) October 30, 2012
In Brescia, wo die Famile, in deren Obhut Balotelli aufwuchs, wohnte, sorgte der zu dem Zeitpunkt 20-Jährige mit seinem Bruder Enock mit einem Besuch im Frauengefängnis für Aufsehen. Wie ein Gefängniswärter gegenüber der «Gazzetta dello Sport» sagte, seien die beiden Brüder mit ihrem Auto durch das Tor gefahren. Als sie diese anhielten, sagte Ballotelli, dass er das offene Tor gesehen habe und nicht gedacht hätte, dass er eine spezielle Zulassung brauche. «Besonders der Fakt, dass es ein Gefängnis für Frauen war, hat die beiden neugierig gemacht», sagte der Wärter.
Die lustigen und kuriosen Anekdoten sollen aber nicht davon ablenken, dass Balotelli ein enorm talentierter Fussballer ist. Vielleicht hat er nicht so viel aus seinen Fähigkeiten gemacht, wie er dies mit einer anderen Mentalität gekonnt hätte, doch muss er sich für seine Karriere keineswegs verstecken.
Insgesamt 287 Partien absolvierte er in Serie A (141 Spiele), Ligue 1 (76) und Premier League (70). Dabei schoss er 114 Tore (52, 41, 21). Dazu kommen acht Tore in 32 Champions-League-Spielen sowie elf Treffer in 21 Europa-League-Partien. Mit Inter Mailand gewann er drei Meistertitel und in der Saison 2009/10 auch den Cup und die Champions League. Auch in England wurde er mit den «Citizens» Meister.
So sehr er also auch immer wieder belächelt wurde, und der Transfer zum FC Sion momentan vor allem wegen des Glamour-Faktors beachtet wird, so sehr kann er einem Super-League-Team immer noch weiterhelfen.
Er ist sicherlich nicht die hellste Kerze, aber damit ist er als Fussballer definitiv nicht alleine. Bei vielen Fussballern muss man froh sein können sie wenigstens gegen einen Ball treten.
Balotelli musste in Italien aufgrund seiner Hautfarbe wohl viel Mist über sich ergehen lassen, sowas hinterlässt Spuren. Er hatte nie eine Chance es jemandem recht zu machen.