Tatort Fussballstadion. Es ist wieder einmal etwas passiert.
Nach einer Ecke seitfallzieht Mario Balotelli den Ball herrlich in die Maschen. Doch statt in einem ekstatischen Jubelhaufen zu versinken, weist der Italiener seine Kollegen an, von ihm abzulassen. Dann lässt er sich von einem Kameramann ein Smartphone reichen. Nach ein paar Swipes ist es dann so weit: Mario jubelt auf Knopfdruck. In die Smartphonekamera. Nicht mit den Fans im Stadion, dafür mit all seinen Followern auf Instagram.
Es ist schon ein bisschen zum Schmunzeln, dass ausgerechnet eine App namens Instagram den Instant-Gefühlsausbruch von Balotelli verhindert, verhindert, dass sich der Italiener das Shirt vom Leib reisst (verboten), das Absperrgitter zu den Fans hinaufklettert (verboten) und sich dort von der Anhängerschaft frenetisch feiern lässt (verboten).
Nein. Vor der Gefühlsexplosion noch ein bisschen Swipen. Fehlt nur noch, dass sich Balotelli eine Lesebrille aufsetzt. Pure Emotionen im Stadion. Da fühlt der Star noch mit.
Man kann die Geste des Italieners als harmlosen und hoffentlich einmaligen Gag abtun. Mir aber steht die Galle beim Fussballschauen eh schon kurz unter dem Halszäpfchen. Da braucht es nicht mehr viel.
Die Selbstdarstellung hat im Fussball ein unerträgliches Mass erreicht. Ein selbstzerstörerisches Mass. Ich habe die These in einer älteren Tirade einmal aufgestellt und wiederhole sie gerne wieder: Mit zunehmender Exzentrik der Frisur verringert sich die Chance, dass ein Spieler vor dem Tor dem besser postierten Mann querlegt.
Und Social Media macht das noch schlimmer.
Social Media bietet Fussballdiven schier unendliche Mittel, ihre Egos zu salben – und das hat Konsequenzen. Auch auf dem Platz. Spieler, die sich eh schon schwer taten, Mitspieler in Szene zu setzen, werden sich nun noch mehr zieren. Es gibt ja nicht nur die Likesucht – es gibt auch den Likeneid.
Und wie ignorant ist Balotellis Aktion gegenüber den Fans im Stadion? Gegenüber denen, die Marseille über 90 Minuten zum Sieg schrien? Früher kamen die Stars noch zum Jubeln in die Fanecke. Heute darf man ihnen bei der Social-Media-Selbstbefriedigung zuschauen. Ein paar Dinge waren früher halt schon besser.
Anyway.
Es bleibt die Hoffnung, dass sich am Ende die Qualität durchsetzen wird. Ein Indikator dafür ist bereits gefunden: Wunderkind Balotelli spielt seit Jahren nicht mehr für echte Spitzenteams. Man mag es ihm leider irgendwie gönnen.
Aber eben. Medienhäuser sind wohl auch in dieser Welt gefangen. Es gibt ja nicht nur die Klicksucht – es gibt auch den Klickneid. Nach dem Motto: «Lieber klickst du bei uns auf hirnloses Zeug anstatt woanders…»
Schlussendlich sind es ja auch die Medien, welche auf so bescheuerte Züge aufspringen und kräftig bei der Verblödung der Gesellschaft mithelfen. :-)
Sind doch alles nur VIPs und Touristen, welche mal an ein Spiel gehen, um sich auf Social Media im Stadion zu präsentieren.
Insofern gleicht es sich aus, geschlossener Kreislauf :)
Die echten Fans sitzen in der Kneipe bei einem Bier und schauen sich das Spiel im TV an - weil sie sich das Ticket nicht mehr leisten können.
PS: Mir ist schon bewusst, dass dieser Kommentar sicher ein bisschen überspitzt ist und auch nicht überall so zutrifft.