Was soll man noch schreiben über das geplante Stadion in Aarau? Es steckt weiter im Einsprache-Sumpf fest. In Zürich, geografisch und nach dem Hardturm-Debakel auch emotional genug weit weg vom Torfeld-Süd, staunt man derweil über die Aargauer Rechtsordnung: Sollte Beschwerdeführer Franz L. vor dem Verwaltungsgericht abblitzen, drohen ihm Kosten von rund 150'000 Franken, wie die «Aargauer Zeitung» vorrechnet.
150'000 Franken für die Wahrnehmung eines demokratischen Rechts? Die sogenannte Parteientschädigung entspricht den Anwaltskosten der Gewinnerseite, die von der Verliererseite bezahlt werden muss. Sie ist im «Dekret über die Entschädigung der Anwälte (Anwaltstarif)» geregelt. Dort steht unter Paragraf 8a: Im Beschwerdeverfahren beträgt die Parteientschädigung bei einem Streitwert über fünf Millionen Franken zwischen 20'000 und 100'000 Franken.
Der Streitwert im Fall eines Bauprojekts beträgt zehn Prozent der Bausumme, was den pauschalisierten Planungskosten entspricht, die lange vor dem ersten Spatenstich anfallen. Im Fall des Aarauer Stadions beträgt die Bausumme inklusive Mantel 145 Millionen Franken. Zehn Prozent davon entsprechen 14,5 Millionen und fallen demnach in die höchste Tarifstufe des Anwaltstarifs. Im Falle des Stadion-Verfahrens müssen zwei Parteien entschädigt werden, die Stadt und Bauherrin HRS. Hinzu kommen die Verfahrenskosten.
Die Gestaltung des Aargauer Anwaltstarifs, also Entschädigungen über die Streitsumme an die Bausumme zu koppeln, ist in der Schweiz einzigartig. Um gegen ein Grossprojekt wie das Stadion Aarau Einsprache zu erheben, muss man über das nötige Kleingeld verfügen. Über die finanziellen Verhältnisse von Franz L. sind keine gesicherten Informationen bekannt, doch wird davon ausgegangen, dass er ein solches Risiko nicht tragen kann.
Vielmehr gilt es als offenes Geheimnis, dass Franz L. unentgeltliche Rechtspflege bezieht. Diese bekommt laut den Aargauer Behörden, wer sich die Prozesskosten nicht «ohne erhebliche Beeinträchtigung des eigenes Lebensunterhalts» leisten kann und wenn der Prozess nicht vornherein aussichtslos erscheint.Sie deckt die eigenen Anwaltskosten, die Gerichtskosten, nicht aber die Parteientschädigungen an die obsiegende Partei ab. Die 150'000 Franken müsste Franz L. also in jedem Fall aus der eigenen
Die unentgeltliche Rechtspflege deckt die eigenen Anwaltskosten, die Gerichtskosten, nicht aber die Parteientschädigungen an die obsiegende Partei ab. Die 150'000 Franken müsste Franz L. also in jedem Fall aus der eigenen Tasche bezahlen. Letzte Hintertür: Er könnte den Fall ans Bundesgericht weiterziehen und dort gegen die Parteientschädigung klagen. Gleiches hat vor ihm schon der VCS gemacht und Recht bekommen, allerdings unter anderen Voraussetzungen, wie Anwalt Peter Heer im Interview mit watson erläutert.
In einer früheren Version stand, dass die unentgeltliche Rechtspflege nicht nur für die eigenen Anwaltskosten und die Gerichtskosten, sondern auch für die Parteientschädigungen der obsiegenden Partei aufkommt. Das ist nicht korrekt und wurde entsprechend korrigiert.
War der Urschweizer Gedanke noch sich gegen die Obrigkeit aufzulehnen, kauft sich die heutige Obrigkeit einfach das Recht