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EM 2024: Ausländisches Lob für Schweizer Fussball geht runter wie Honig

epa11445747 Head coach Murat Yakin of Switzerland celebrates after winning the UEFA EURO 2024 Round of 16 soccer match between Switzerland and Italy, in Berlin, Germany, 29 June 2024. EPA/CLEMENS BILA ...
Murat Yakin feiert mit den Schweizer Fans den Triumph über Italien.Bild: keystone
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Das geht uns alles runter wie Honig

Wir waren ein Niemand mit unserer Fussball-Nati. Wir hatten ein Team, das da war, um das Teilnehmerfeld aufzufüllen. Das ein sicherer Wert war, wenn es darum ging, früh auszuscheiden. 2024 ist alles anders.
04.07.2024, 16:02

Einfach nur verrückt ist das. Wenn die Schweiz am Samstag (18 Uhr) im Viertelfinal der Fussball-EM antritt, dann macht sie das in den Augen vieler Experten als Favoritin. Verrückt ist das vor allem auch, wenn man den Gegner kennt: England. Das Mutterland des Fussballs.

Englische Studenten brachten den Fussball einst vor rund 170 Jahren in die Schweiz. Unsere Fussballsprache ist bis heute von ihren Begriffen geprägt, die anders sind als die deutschen. Wir tschutten (to shoot) und erzielen dabei kein Tor, sondern ein Goal, womöglich nach einem Corner (Eckball).

Dieses Mutterland hat uns auf dem Fussballplatz oft vermöbelt. Nie verlor unser Nationalteam ein Länderspiel höher als 1909, als es gegen England analog der Jahreszahl eine 0:9-Niederlage absetzte. Von 31 Vergleichen gewann die Schweiz ganze drei, zuletzt 1981 unter Paul Wolfisberg mit seiner «Abbruch GmbH».

Und nun sagt einer wie Gary Lineker, 48-facher Länderspieltorschütze und längst Englands meistbeachteter Fernseh-Analyst, vor dem Viertelfinal gegen die Schweiz: «Ich glaube jetzt nicht mehr, dass wir die Favoriten sind.»

Natürlich schwingt in solchen Aussagen der Frust darüber mit, wie uninspiriert die Engländer bislang an diesem Turnier aufgetreten sind. Es ist aber auch ganz viel Lob dabei für die Schweizer Spieler, die Murat Yakin zu einem Spitzenteam formte. Die taktisch, spielerisch und kämpferisch glänzen und die im Achtelfinal den (an diesem Tag zugegebenermassen schwachen) Riesen Italien an die Wand spielten.

Switzerland players celebrate after Ruben Vargas scored his side's second goal during a round of sixteen match between Switzerland and Italy at the Euro 2024 soccer tournament in Berlin, Germany, ...
Die Nati präsentiert sich an diesem Turnier als eine eingeschworene Truppe.Bild: keystone

Natürlich kann man einwenden, dass die Experten auf der Insel versuchen, mit ihren Aussagen ein wenig Druck von den Spielern zu nehmen. Aber die wird es eh nicht gross jucken, was über sie gesagt und geschrieben wird. So wie die Schweizer Spieler die Meinung von Aussenstehenden nicht kümmern muss.

Die Fans hingegen dürfen das geniessen. Es tut der Schweizer Fussball-Seele doch einfach nur gut, wird unsere Nati endlich einmal von allen ernst genommen. Endlich sind mal wir in der Rolle des Underdogs, der alle überrascht und manch einen gar das Fürchten lehrt. Und das alles noch mit einer attraktiven Spielweise, nicht mit destruktivem Rumpel-Fussball. Das geht runter wie Honig. So muss es sich wohl als Brasilianer anfühlen.

Die Engländer haben keine Schweizer Ausdrücke in ihren Fussball übernommen. Vielleicht lernen sie bald eine unserer Redewendungen kennen. Wenn die Nati so auftritt wie an dieser EM gegen Ungarn, Deutschland und Italien, kann sie auch die Engländer schlagen. Wenn sie sich daran hält, weiterhin alles für den Erfolg zu tun: «Nöd lugg loh gwünnt.»

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56 Kommentare
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Linus Luchs
04.07.2024 16:25registriert Juli 2014
Österreich sollte uns eine Warnung sein. Dort sprachen schon die ersten vom Titel, dann kam das Aus gegen die Türkei. Ja, die Auftritte der Nati waren stark, und England war schwach, aber England lernt dazu. Der Gedanke "wir sind die Favoriten" darf in keinem Schweizer Spielerkopf aufpoppen. Selbstvertrauen ist super, Hochmut führt zum Fall.
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Tsherish De Love aka Flachzange
04.07.2024 16:10registriert September 2020
Wird Zeit das es endlich losgeht. Ist eine gefühlte Ewigkeit, zwischen Achtel- und Viertelfinale.
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Paul Badman
04.07.2024 17:38registriert November 2015
Ich bin ziemlich abergläubisch. Nur wenn Xhaka's Adduktoren halten, Schär kein (Eigen-)tor schiesst und ich die Glücksunterhose trage, haben wir eine Chance. Für letzteres sorge ich.
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