An Grossanlässen wie Welt- und Europameisterschaften im Fussball oder bei Olympischen Spielen liefern nicht nur die Sportlerinnen und Sportler Höchstleistungen. Jeder Wettkampf wird auch von dutzenden Fotografen begleitet, von denen jeder hofft, dass genau ihm jenes Bild gelingt, das auf den Frontseiten der Online-Portale publiziert und in den Zeitungen abgedruckt wird.
Zum Job des Redaktors gehört es, dieses Bild aus einer Flut an Bildern herauszufischen. Das klingt einfacher, als es ist. Schliesslich bietet alleine eine Agentur, auf die watson zählt, rund 350 Bilder von Remo Freuler im EM-Achtelfinal gegen Italien an. Der Zürcher schoss wenige Minuten vor der Pause das Schweizer 1:0.
Dieses Bild ist für mich das beste:
Der italienische Fotograf Nicolò Campo hat im richtigen Moment abgedrückt.
Remo Freulers Gesicht zeigt nichts als pure Entschlossenheit. Seine Augen sind noch scharf auf den Ball fokussiert, die Stirn ist in tiefe Konzentrationsfalten gelegt. In Freulers Blick sind der unbedingte Wille und die Zielstrebigkeit zu erkennen, die in diesem Moment zum Ausdruck kommen.
Freulers Körperhaltung ist der Inbegriff von Dynamik. Sein Oberkörper ist kraftvoll nach vorne geneigt, die Arme sind ausgebreitet, um das Gleichgewicht zu halten. Seine Muskeln sind deutlich angespannt, soeben haben sie die volle Energie in den Schuss übertragen. Die Spannung in Freulers Beinmuskeln ist sichtbar und deutet darauf hin, dass er den Schuss mit aussergewöhnlicher Kraft und Präzision abgegeben hat.
Verstärkt wird die Wirkung des Bilds durch die Präsenz des Italieners Gianluca Mancini. Die Augen hat der Verteidiger geschlossen, als ihm der Ball zwischen den Beinen hindurchgeht. Als ahne er, dass sein Einsatz am Ende vergeblich ist.
Mancini kommt den entscheidenden Bruchteil einer Sekunde zu spät. Sein verzweifelter Sprung verstärkt die Dynamik des Bilds, das voller Intensität und Bewegung ist. Wer es betrachtet, kann die Wucht von Remo Freulers Schuss förmlich spüren.
Ich habe noch ein zweites Bild des Treffers, das mir ausgesprochen gut gefällt, weil es lebt. Es stammt aus der Kamera von Nick Potts und fasst aus der Hintertorperspektive zusammen, was soeben geschehen ist. Der Ball ist hinter der Linie, die Schweiz in Führung.
Freuler, dank Fotografen-Glück perfekt zentriert in einer Masche des Tornetzes, schliesst seine Schussbewegung ab. Gemeinsam mit Verteidiger Mancini blickt der Schweizer dem Ball hinterher. Und der italienische Goalie Gianluigi Donnarumma, mit seinem rechten Fuss war er noch am Ball dran, muss zusehen, wie es hinter ihm eingeschlagen hat.
Das Tor war am Samstagabend im Berliner Olympiastadion der Türöffner. Gleich nach Wiederbeginn schoss Ruben Vargas das 2:0 für die Schweiz, die eine äusserst souveräne Leistung zeigte und den Titelverteidiger aus dem Turnier warf.
So werden die vielen EM-Fotografen noch einmal Schweizer Akteure vor der Linse haben: im Viertelfinal am nächsten Samstag in Düsseldorf. Gegner wird dann England oder die Slowakei sein.
Aber das Foto hier ist natürlich toll.