Die «Berner Zeitung» hat daraus die Titelgeschichte gedrechselt: Franz A. Zölch wegen Betrugs angeklagt! Was für ein Ereignis!
Stark vereinfach gesagt: Der flotte Franz hat bei Freunden und Fremden Darlehen aufgenommen und nicht mehr zurückbezahlt.
Um diese Geschichte und die Berner zu verstehen, müssen wir kurz zurückblenden. In den 1990 Jahren ist Franz A. Zölch einer der bekanntesten Berner der Zeitgeschichte. Brigadier, Gatte der Regierungsrätin und SVP-Prinzessin Elisabeth Zölch, Starjurist, Hochschuldozent und Präsident der Eishockey-Liga.
Damals haben sich unsere Wege zum ersten Mal gekreuzt. Denn er war ja ab 1995 bis 2006 der Boss der Hockey-Klubbosse. Und fortan waren wir uns in herzlicher Abneigung zugetan, einen Gang vor Gericht inklusive. Denn nach zehn Minuten war mir klar: Franz A. Zölch ist Berns Hauptmann von Köpenick. Und ich habe mich jahrelang gewundert, warum niemand darauf gekommen ist. Oder besser: ich habe dank Franz A. Zölch einen noch tieferen Einblick in die wahre Mentalität der Berner gewonnen.
Kurz eine Erklärung zum Hauptmann von Köpenick: Friedrich Wilhelm Voigt (1849 – 1922) war ein Schuhmacher. Er wurde als Blender unter dem Namen Hauptmann von Köpenick weltberühmt. Durch seine spektakuläre Besetzung des Rathauses der Stadt Köpenick bei Berlin, in das er am 16. Oktober 1906 als Hauptmann verkleidet mit einem Trupp gutgläubiger Soldaten eindrang, den Bürgermeister verhaftete und die Stadtkasse plünderte. So ist der blinde Glaube an Uniform und Autoritäten der Deutschen wohl nie entlarvt worden.
Nun denken wir: So etwas Ähnliches wäre in der Schweiz oder gar in Bern unmöglich. Falsch. Es war möglich. Franz A. Zölch ist der Hauptmann von Köpenick der Berner.
Tief in der DNA der Berner schlummert das «Ancien Régime». Die stolze Arroganz einer kleinen Elite, die Bern in den 1600er und 1700er Jahren zum mächtigsten Stadtstaat Europas machte und die von sich sagte: «Uns schaudert es, wenn wir daran denken, wie reich und vornehm wir sind.»
Die Rats- und Geschäftsherren unterhielten beste Beziehungen zu allen Höfen Europas, ihre Söhne dienten als hohe Offiziere oder Diplomaten den Kaisern und Königen.
Diese Herrlichkeit ist zwar mit dem Einfall der Franzosen 1798 hinweggefegt worden. Seither ist auch der Staat Bern eine Demokratie, in der vor dem Gesetz und auch sonst alle gleich sind.
Nur wer die Berner besser kennt, wer Zwischentöne vernimmt, spürt nach wie vor das stolze, alte Bern. «Ja, im Himmel sind wir alle gleich. Aber hier in Bern ist noch Ordnung.» Das sagte die legendäre, 1980 verstorbene Louise Elisabeth de Meuron-von Tscharner, besser bekannt als Madame de Meuron zu einem Gottesdienstbesucher, der mit dem Hinweis, vor Gott seien alle gleich, ihr im Münster nicht Platz machen wollte.
Vor Uniformen, hohen Regierungsämtern verbeugen sich die Berner innerlich immer noch so tief sie es vermögen. Und Franz A. Zölch hat die Berner entlarvt.
Dabei war es so einfach, ihn zu durchschauen. Er galt in Bern einst als hoch angesehener «Fürsprecher». Das ist die alte bernische Bezeichnung für einen Anwalt.
Aber er war zweimal durch die Anwaltsprüfung geflogen. Nach Praktika beim berühmten Hans W. Kopp in Zürich. Franz A. Zölch war tatsächlich ein «Fürsprecher». Er sprach immer und ausschliesslich für sich selbst. Als ich sein fehlendes Anwaltspatent 1995 in einem ersten Portrait über den neuen Boss der Hockey-Bosse enthüllte, begann unsere herzliche Abneigung. Sie hält bis heute an.
Es gibt schon berühmte Berner, die ihn früh durchschaut haben. Ein Hockey-Manager, dessen Name mir soeben entfallen ist, pflegte auf meine Fragen, warum er denn gegen die Spesen-Exzesse des Liga-Präsidenten bei der Ligaversammlung nichts unternehme, händeringend zu sagen: «I cha doch nid – wägem Lisebethli!». («Ich kann doch nicht – wegen der Elisabeth.») Gemeint war Franz A. Zölchs damalige Gattin Elisabeth Zölch, Regierungsrätin und lange Zeit SVP-Bundesratskandidatin.
Wohl war. Es wäre schwierig, ein grosses Hockey-Unternehmen im Bernbiet zu managen, wenn man die einflussreichste Regierungsrätin gegen sich hat.
Franz A. Zölch war, soweit ich ihn kennengelernt haben, kein Betrüger. Sondern eine charmante, eloquente und freundliche bernische Ausgabe des Hauptmannes von Köpenick.
Er nützte schlau den Respekt vor Amt und Uniform. Es kam ab und an vor, dass er eine Ligaversammlung in der Uniform des Brigadiers leitete. Oder sonst in diesem schmucken militärischen Ehrengewand auftrat. Es war jeweils zu spüren, wie selbst tüchtigste Hockeypräsidenten innerlich die Hand an die Hosennaht legten. Ein Brigadier! Den Dienstgrad hatte Franz A. Zölch allerdings «nur» als Armee-Informationschef. Ein entsprechendes Truppenkommando hat er nie geführt. Aber Brigadier ist Brigadier. Punkt.
Seine Spesen-Abenteuer sind nachgerade legendär. Pro Fotokopie verrechnete er beispielsweise schon in den 1990er Jahren dem Hockeyverband einen Franken das Stück. Und er fotokopierte sozusagen im Akkord. Er hat unzählige Arbeitsgruppen gebildet und Projekte und Studien im Hockey verfasst, die nichts als die Luft erwärmten. Aber immer legal. Seine Anträge pflegte er bei der Ligaversammlung charmant mit einem Nebensatz zu beenden: «Miner Herre – äs choschtet de öppis.» («Meine Herren – es kostet dann etwas»).
Als genialer Machiavellist manövrierte er seine Gegner aus. Der Gatte der einflussreichsten Berner Regierungsrätin pflegte zu den Granden der Berner Politik beste Beziehungen und während er freundlich lächelnd einen Kritiker begrüsste, hatte er längst «obiche» die Sache in seinem Sinne geregelt.
Da er kein Anwaltspatent hatte, konnte er seine Klienten nicht vor Gericht vertreten. Er spezialisierte sich darum Kraft seiner exzellenten Beziehungen auf juristische Beratungen, Konzepte, Arbeitsgruppen im Bereich Medien, Werbung, Verwaltung, Militär und Sport. Zudem war er Hochschuldozent für Medienrecht – alles einträgliche Mandate.
Diese herrlichen Zeiten sind längst Vergangenheit. Seine Gattin liess sich 2005 scheiden und stieg 2006 aus der Politik aus. Seither steht Franz A. Zölch ohne politische Protektion da, als Kaiser ohne Kleider quasi. Die Zeit der lukrativen Mandate ist vorbei. Der Hauptmann von Köpenick hat keine Uniform mehr. Und Geld verdienen ist ohne Anwaltspatent halt auch schwieriger als mit.
Also soll Franz A. Zölch in den letzten Jahren bei Freunden und Bekannten immer wieder Darlehen aufgenommen haben. Mit der Versicherung, das Geld gleich wieder zurückzuzahlen. Ich gehe davon aus, dass er eigentlich gerne zurückgezahlt hätte. Wenn er dazu in der Lage gewesen wäre.
Viele haben ihm vertraut. Wenn man einem ehemaligen Regierungsratsgatten, Hochschuldozenten, Brigadier und persönlichen Bekannten von Adolf Ogi im Bernbiet nicht mehr glauben und vertrauen kann – wem dann noch!
Allerdings haben ihn viele durchschaut. So soll er einem hohen Hockeyfunktionär telefoniert und ihn um Geld gebeten haben. Er müsse in Genf eine Millionensumme eines arabischen Geschäftsfreundes heute noch herauslösen und sei dummerweise gerade nicht flüssig. Der kluge hohe Hockey-Funktionär, im Hauptberuf Weinhändler, hatte eine wunderbare Ausrede. «Ich würde Dir gerne helfen Franz. Aber ich habe zufälligerweise grad heute ein Auto gekauft und bin auch nicht flüssig…»
Die in der «Berner Zeitung» aufgeworfene Frage, wo denn das Geld von Franz A. Zölch geblieben sei, ist einfach zu beantworten. Nichts ist teurer als die laufende Renovierung von Luftschlössern. Das Bild des Franz A. Zölch von Welt, den Brigadier, den Starjuristen, kurzum die hohe soziale Stellung zu wahren, kostet halt viel, viel Geld. Und seit der Scheidung ist seine hoher sozialer Status nur noch ein Luftschloss.
Interessant ist die Frage, ob als Jurist ohne Anwaltspatent eine ähnliche Karriere auch ausserhalb des Bernbietes möglich gewesen wäre. Meine Antwort: auf diese Art und Weise mit ziemlicher Sicherheit nicht. Erst die Kombination aus tiefem bernischen Respekt vor staatlichen Autoritäten und militärischen Graden und dem Beziehungsnetz in den staatlichen und halbstaatlichen Administrationen – in Bern sind Beziehungen in den Verwaltungen das, was in Zürich das Geld ist – hat Berns «Hauptmann von Köpenick» möglich gemacht.
Der wahre «Hauptmann von Köpenick» ist seinerzeit vom Kaiser begnadigt worden. Seine Majestät soll herzlich gelacht haben.
Noch gilt für Zölch die Unschuldsvermutung, aber ob die Berner Richter am Ende auch lachen werden, ist noch nicht sicher.
Mir fehlen die vermeintlichen Exzesse des Partylöwen im Text. Oder war da der Eismeister selbst zu gegen und es gilt, dass ein Gentleman schweigt und geniesst?