Daniel Yule ist der Slalom-Fahrer der Stunde. Er gewinnt den Klassiker in Kitzbühel und feiert den dritten Sieg in den letzten vier Rennen. Der Walliser schreibt damit ein bisschen Schweizer Ski-Geschichte.
Ein besonderer Ort war Kitzbühel für Yule schon immer. Hier hatte er vor acht Jahren im Weltcup debütiert. Mit der Startnummer 81 war er im ersten Lauf ausgeschieden. Hier hatte er zwei Jahre später mit Rang 7 seine erste Klassierung in den ersten zehn im Weltcup erreicht. Und hier hatte er vor allem im vorletzten Winter seinen ersten Podiumsplatz im Weltcup realisiert.
Dritter war Yule damals geworden, hinter Henrik Kristoffersen und Marcel Hirscher, und hatte sich dabei wie der heimliche Sieger gefühlt. Er sei der bestklassierte Mensch hinter zwei Ausserirdischen, sagte Yule nach seinem persönlichen Meilenstein. Der Norweger und der Österreicher hatten in jener Zeit die Slalom-Szene beherrscht und die Siege meist unter sich ausgemacht.
Mit drei Siegen in den letzten vier Rennen drückt Yule den Slaloms gegenwärtig in ähnlichem Ausmass den Stempel auf. Als «Ausserirdischen» sieht er sich gleichwohl nicht. «Ich bin von technischer Seite her nicht der Beste und habe auch nicht den allerschnellsten Schwung. Meine Stärke ist der Kopf, das Mentale.»
Diese Stärke war selbstredend auch am Sonntag gefragt. Lange hatte Yule das Klassement auch im ersten Lauf angeführt, bevor der überraschende Youngster Lucas Braathen mit der Nummer 34 seine Zeit um 33 Hundertstel unterbot. Der 19-jährige Norweger, der erst seinen sechsten Weltcup-Slalom bestritt, belegte im Schlussklassement hinter dem Österreicher Marco Schwarz und dem Vorjahressieger Clément Noël aus Frankreich gemeinsam mit Landsmann Kristoffersen Platz 4.
Für Yule machte es keinen Unterschied, zum zweiten Durchgang als Letzter oder Zweitletzter zu starten. Die Atmosphäre war elektrisierend, umso mehr mit Schwarz ein Einheimischer in Führung lag. Yule hatte also eine weitere schwierige Prüfung vor sich. Es war kein Leichtes, in diesem Hexenkessel vor rund 30'000 Zuschauern die Ruhe zu bewahren, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und seine normale Leistung abzurufen.
Yule aber hatte keine Probleme damit. Was andere hemmt, spornt ihn zusätzlich an. Eine Erklärung dafür kann und will er nicht abgeben. «Ich habe einfach das grosse Glück, dass es so ist. Das ist mein Charakter. Wenn es um etwas geht, kann ich den Knopf noch einmal aufdrehen. Deshalb liebe ich diese Atmosphäre und diesen Druck.»
Vor zwei Wochen in Adelboden hatte Yule als zweiter Schweizer den Slalom gewonnen, 13 Jahre nach dem Sieg von Marc Berthod. Nun sorgte er auch in Kitzbühel für ein seltenes Ereignis für unser Land. Als zuvor einziger Schweizer hatte Dumeng Giovanoli vor sage und schreibe 52 Jahren den Slalom am Fusse des Hahnenkamms für sich entschieden.
Der heute 79-jährige Bündner wurde in jenem Winter auch Disziplinen-Weltcupsieger. Die kristallene Trophäe gewann er ebenfalls als bisher einziger Schweizer. Für Yule ein gutes Omen? «Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich wusste heute vor dem Rennen nicht einmal über den Punktestand Bescheid.» Er müsse vor allem daran denken, schnell Ski zu fahren. «Wenn man gewinnt, geht das Punktkonto automatisch nach oben. Und gewinnen muss man oft, um am Schluss vorne zu sein, denn die Kristallkugel ist die Konsequenz einer guten Saison.» Eine gute Saison hat Yule bisher. Deshalb wird die Slalom-Wertung für ihn auf jeden Fall zum Thema. Nach sieben von zwölf Rennen liegt er als Zweiter 17 Punkte hinter Kristoffersen. (pre/sda)