Alex «Sascha» Zverev hat keine einfache Zeit hinter sich: Eigentlich galt er nach seinem Sieg bei den ATP-Finals in London im letzten Herbst als grösster Herausforderer der «Big 3» und kommender Grand-Slam-Sieger. Doch statt durchzustarten, rutschte die damalige Weltnummer 3 in eine tiefe Krise. Als Auslöser gilt der Rechtsstreit mit seinem Ex-Manager Patricio Apey.
Nach der Niederlage in der Startrunde von Wimbledon gegen die Weltnummer 124 Jiri Vesely erklärte der Deutsche: «Mein Selbstvertrauen ist gerade unter Null.» Ende Juli folgte die Trennung von Trainer Ivan Lendl, doch der drastische Schritt hatte nicht die gewünschte Wirkung – im Gegenteil.
Wie schon zwischendurch im Frühling hat Zverev seither beim zweiten Aufschlag komplett den Faden verloren. Vor Cincinnati servierte er in vier Partien 36 Doppelfehler, der Negativ-Höhepunkt folgte gestern beim Auftakt in Ohio gegen den Qualifikanten Miomir Kecmanovic (ATP 58).
Mio-MY! 🙌
— Tennis TV (@TennisTV) August 14, 2019
Miomir Kecmanovic notches his first career Top 10 win, 6-7(4) 6-2 6-4 over Alexander Zverev at #CincyTennis pic.twitter.com/Zeyp7YvD70
Bei der 7:6, 2:6, 4:6-Niederlage unterliefen dem 22-jährigen Deutschen unfassbare 20 Doppelfehler. Er schrammte damit nur knapp am Negativ-Weltrekord des Argentiniers Guillermo Coria vorbei, der das Ranking für ein Spiel über zwei Gewinnsätze mit 23 Doppelfehlern anführt.
«Es ist unfassbar, was da mit Zverev passiert», erklärte TV-Experte Jim Courier bei «Tennis Channel». Kecmanovic reichten am Ende 98 Punkte zum Sieg, mehr als einen Fünftel davon wurden ihm von Zverev also geschenkt. Neben den Doppelfehlern gab er bei eigenem Aufschlag nur 18 weitere Punkte ab.
Doppelfehler-Orgien sind im Tennis keine Seltenheit, immer wieder schlagen sich Topspieler beim Aufschlag mit einem besonderen Phänomen herum: «Yips». Bei dieser motorischen Störung treten bei hoher Konzentration unwillkürliche und ruckartige Muskelzuckungen auf, die sich beim Service natürlich extrem störend auswirken.
Einmal von «Yips» betroffen, müssen diese aber nicht ständig auftreten – der mentale Stress beim Wettkampf scheint die Erkrankung aber zu verstärken. Anna Kurnikowa litt ebenfalls unter der Störung und stellte deswegen 1999 den traurigen Tour-Rekord von 31 Doppelfehlern in einem Spiel auf.
Die Italienerin Sara Errani traf es Anfang dieses Jahres. Beim zweitklassigen WTA-Turnier in Bogota servierte sie in ihren ersten drei Partien 54 Doppelfehler, worauf sie zu einem drastischen Mittel griff. Die 32-Jährige servierte gegen Bibiane Schoofs beim zweiten Aufschlag von unten und gewann schliesslich klar. Doch immer funktioniert das nicht: Die einstige Weltnummer 5 ist in der Weltrangliste mittlerweile auf Rang 241 abgerutscht.
En serio que voy a empezar a practicar el saque de @SaraErrani XD #copawta #ClaroOpenColsanitas #SaraErrani #errani #WTA pic.twitter.com/mMHt9eAu8h
— Maritza (@maritzag_123) April 12, 2019
Ob auch Zverev an «Yips» leidet, ist allerdings nicht klar. Bislang hat sich das deutsche Nervenbündel nicht öffentlich zu seiner Doppelfehler-Orgie geäussert. «Es hat mit den ganzen Themen zu tun, die es ausserhalb des Courts gab», versuchte Zverev seine Formkrise zuletzt zu erklären. «Yips» oder eine mentale Blockade? So schnell wird die aktuelle Weltnummer 6 seine Probleme nicht lösen können.
Immerhin kann sich Zverev damit trösten, dass er auf dem Weg zum Doppelfehler-König des Jahres noch einen harten Konkurrenten hat. Benoit Paire hat in seinen 45 Matches der bisherigen Saison schon 293 Doppelfehler produziert. Damit liegt er noch einen vor Zverev (47 Matches). Den Allzeit-Rekord stellte in dieser Sparte übrigens Nikolay Davydenko auf: Der Russe – wie Zverev einst Sieger der ATP-Finals – produzierte im Jahr 2001 unfassbare 476 Doppelfehler.