Die Weltnummer 1: Roger Federer kann es kurz nach dem Sieg gegen Juan Carlos Ferrero kaum glauben.Bild: AP
Unvergessen
Federer wird erstmals die Nummer 1 und sagt: «Ich bin der, den es zu schlagen gibt»
2. Februar 2004: Roger Federer steigt erstmals auf den ATP-Thron und wird mit dem Sieg beim Australian Open im zweiten Anlauf die 23. Nummer 1 der Welt. Da konnte noch niemand ahnen, dass der Baselbieter (bisher) 310 Wochen als König regieren wird.
Roger Federer kommt im Sommer 2003 so richtig in der Weltspitze an. Den ersten Grand-Slam-Titel gewinnt er in Wimbledon. Rund einen Monat später bietet sich ihm die erste Chance, Weltnummer 1 zu werden. Im Direktduell mit Andy Roddick könnte er im Halbfinal von Montreal den Thron erklimmen. Ein Sieg würde reichen. Nach einem 4:6 und 6:3 führt der Schweizer im Entscheidungssatz 4:2, verliert aber mit 6:7 im Tiebreak. Der Amerikaner gewinnt den Titel und bleibt die Nummer 1.
Federer nach der Niederlage gegen Roddick in Montreal.Bild: AP CP
Vorerst zumindest. Denn Federer bleibt «A-Rod» auch dank dem Sieg im Masters (heute World Tour Finals) auf den Fersen. Beim Australian Open kommt es so zum Dreikampf um die Topposition. Neben Federer und Roddick hat auch Juan Carlos Ferrero die Möglichkeit. Der Vorteil liegt beim Schweizer, der mit einem Sieg uneinholbar ist.
Roger Federer über seine erstmalige Eroberung der Weltnummer 1.Video: YouTube/SRF Archiv
Roddick verabschiedet sich im Viertelfinal mit dem Aus gegen Marat Safin aus dem Dreikampf. Es bleiben Ferrero und Federer. Der Zufall will es, dass die beiden den Platz auf dem Tennis-Thron im Halbfinal ausmarchen. 16'000 Fans in der Rod Laver Arena erwarten einen Thriller. Aber Federer hat keine Lust dazu. Er fertigt den angeschlagenen Spanier glatt mit 6:4, 6:1, 6:4 ab und ist um 21.20 Uhr Ortszeit offiziell der beste Tennisspieler der Gegenwart.
Der Moment, in dem Roger Federer erstmals die Weltnummer 1 wurde.Bild: AP
Das tennishistorische Ereignis kommentiert er überlegt: «Im Moment nach dem Matchball überkam mich ein wunderbares Gefühl. Nummer 1 der Welt, davon habe ich geträumt – wie vom Wimbledonsieg. Jetzt habe ich beides geschafft und bin für die ganze Arbeit belohnt worden.»
Die Weltrangliste vom 2.2.2004.screenshot: atpworldtour.com
TV-Interviewer John McEnroe fragt: «Du wirkst so cool auf dem Platz: Du hast wohl überhaupt keine Nerven?» Federers Antwort: «Mein Pokerface täuscht, es ist überhaupt nicht so, dass ich nicht nervös war vor diesem Halbfinal – und schon gar nicht bei den Matchbällen.» Aber das ist jetzt alles egal: Später schickt er auch noch einen Gruss in die Heimat: «Dort werden jetzt wahrscheinlich alle ausflippen. Erst der Sieg der Alinghi, dann die EM-Qualifikation der Fussballer – und jetzt auch noch ich auf Platz 1 der Welt. Das ist unfassbar.»
Federer will noch nicht gross feiern: «Ich werde diesen Meilenstein im kleinen Kreis sicher etwas feiern, aber dann gilt meine Konzentration wieder ganz dem Final vom Sonntag. Denn wenn ich den zweiten Grand-Slam-Titel verpasse, dann ärgert mich das fürchterlich – auch als Nummer 1.» Federer muss sich nicht ärgern: Er lässt Marat Safin beim 7:6, 6:4, 6:2 keinen Stich.
Roger Federer nach dem Sieg gegen Marat Safin 2004.Bild: AP
Safin ist die dritte ehemalige Weltnummer 1 (nach Ferrero und Hewitt), welche Federer in diesem Turnier bezwingt. Dazu kommt der Sieg gegen den ehemaligen Angstgegner David Nalbandian. Es war ein durch und durch überragender Auftritt Federers.
Tatsächlich bedeutet der Erfolg des 22-Jährigen für die Schweiz den Eintritt in eine neue Sphäre. Als erst fünfte Nation nach den USA, Spanien, Deutschland und der ehemaligen Tschechoslowakei hat man bei den Frauen und Männern nun mindestens eine Nummer 1 gestellt. Jüngster König wird Federer (22 Jahre 5 Monate) nicht, diese Bestmarke hält Lleyton Hewitt mit 20 Jahren 8 Monaten.
Roger Federer mit seiner ersten Trophäe in Melbourne.Bild: EPA AAP
2033 Tage nach seinem Profidebüt am 8. Juli 1998 in Gstaad steht der Baselbieter zuoberst von rund 60 Millionen Tennisspielern in 200 Ländern. 2001 setzte er mit dem Sieg gegen Pete Sampras in Wimbledon ein erstes Ausrufezeichen, als er die Siegesserie des Amerikaners nach 31 Siegen beendet. Der Major-Titel in Wimbledon 2003 war dann definitiv der Startschuss zur grössten Tenniskarriere aller Zeiten.
Alle sind sich einig, dass der Schweizer der kompletteste Spieler der Tour ist und verdient zuoberst steht. Doch jetzt ändert sich etwas: «Ich bin jetzt derjenige, den es zu schlagen gibt.» Niemand konnte da ahnen, dass der Schweizer unbeschreibliche 237 Wochen bis am 18. August 2008 zuoberst bleiben wird. Er pulverisiert damit den Rekord von Jimmy Connors (160 Wochen). Aktuell steht Federer bei 310 Wochen als König, auch das ein Rekord.
Kommentare nach dem Australian Open 2004:
«Roger Federer gehört im Kreis der jungen Wilden, die auf der ATP-Tour immer deutlicher das Geschehen diktieren, zu den Besten. Sein Tennis ist nicht nur äusserst attraktiv, sondern ebenso athletisch und ausgereift. Er ist auch psychisch so stark, dass er über eine lange Zeit eine dominierende Rolle wird einnehmen können.»
Mats Wilander
So feiert Federer seinen zweiten Majortitel.Bild: AP
«Die Nummer 1 ist und bleibt für Federer eine wunderbare Begleiterscheinung, ist aber bei weitem nicht das Wichtigste. Er kam hierher nach Australien, um dieses Turnier zu gewinnen. Das hat er auch immer wieder betont. Natürlich wird er und darf er über den Aufstieg zur neuen Nummer eins stolz sein. Aber wenn beispielsweise der Name Jimmy Connors fällt, taucht doch stets eher die Frage auf, wie viele Grand-Slam-Titel er gewonnen hat. Und nicht jene, wie und wann er die Nummer 1 geworden ist.»
Stefan Bürer (TV-Kommentator)
«Selbstverständlich hat Federer die Nummer 1 verdient. Man wird ja nicht die Nummer 1 mit durchschnittlichen Leistungen. Ich verfolge das internationale Tennis seit 25 Jahren. Federer ist für mich vom Talent her und angesichts dessen, was er bis anhin daraus gemacht hat, die klare Nummer 1. Talent alleine reicht nämlich noch lange nicht aus, um in diesem harten Geschäft erfolgreich zu sein. Aber der Schweizer hat sehr viel an sich gearbeitet und ist heute einer der komplettesten Spieler im Circuit. Er und Typen wie Roddick, Safin und Ferrero sind ausgezeichnete Botschafter für den Tennissport. Federer ist auch neben dem Platz ein Supertyp und jederzeit und überall ein Vorbild.»
Philippe Bouin (Tennischef der l'Equipe)
«Die Nummer 1 der Weltrangliste zu sein ist für Roger Federer sicher fantastisch. Es ist extrem wichtig für einen Spieler, vom Computer einmal als Nummer 1 ausgespuckt zu werden. Das wichtigste Ereignis in seiner Karriere wird es aber bestimmt nicht sein. Federer wird diesen Status nie vor einen Wimbledon-Titel stellen. Das Ranglisten-System hat sich in den letzten Jahren wesentlich verändert. Es wird viel mehr gespielt, und dadurch gibt es auch grössere Leistungsschwankungen in kürzerer Zeit – umso mehr, als es insgesamt mehr gute Spieler gibt. So gesehen sind die Grand Slams insgesamt sicher wichtiger. Es ist sensationell, dass Roger den Sprung ganz nach oben geschafft hat.»
Heinz Günthardt
Unvergessen
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