Zeit seiner Karriere in der Schweizer Nationalmannschaft ist Pascal Zuberbühler höchst umstritten. Das hat einerseits damit zu tun, dass der Thurgauer bei GC und beim FC Basel spielt, den beiden erfolgreichsten, aber auch am meisten gehassten Klubs des Landes. Andererseits mag man «Zubi» nicht, weil er kein Mann der leisen Töne ist, oft wirkt er arrogant. Und nicht zuletzt ist er umstritten, weil er bei Gegentoren immer wieder eine unglückliche Figur abgibt.
Dabei ist es weniger eine Überheblichkeit, sondern viel eher eine Verbissenheit, welche ihm letztlich auch zur grossen Karriere verholfen hat. Denn Zuberbühler galt nicht als ausserordentliches Talent, seine Erfolge hat er sich erarbeitet.
Als er im Herbst 2005 in der WM-Qualifikation im Tor der Schweizer Nati steht, ist Zuberbühler bereits 34-jährig und hat so manchen Sturm überstanden. Doch was in diesen Tagen über ihn hereinbricht, ist in seinen Augen keine sanfte Brise, sondern ein Hurrikan.
Gegen Israel holt die Schweiz in Basel bloss ein enttäuschendes 1:1. Alex Frei schiesst die Nati früh in Führung, doch nach 20 Minuten fällt der Ausgleich. In der Hauptrolle: Pascal Zuberbühler.
Als Zuberbühler die Zeitung aufschlägt, ärgert er sich masslos:
Im Boulevardblatt ist von einem «Flop» die Rede – ein Wort, das Zuberbühler hasst wie die Pest. Er greift zum Handy, schickt zwei Journalisten des «Blicks» böse SMS. Ein Fehler, denn nun wird der Goalie erst recht zum Thema.
Der Goalietrainer der Nati, Erich Burgener, steht hinter seinem Schützling. Fünfmal habe er die Bilder gesehen und analysiert, sagt der Walliser, und für ihn ist deshalb klar:
Die Nati befindet sich mittlerweile auf Zypern, morgen findet schon das nächste Qualifikationsspiel für die WM 2006 in Deutschland statt. Pascal Zuberbühler steht seinen Mann, gibt Interviews, nimmt auch Stellung zum Gegentor vom Samstag. Kritik gehöre zum Fussball, sagt «Zubi», jeder dürfe kritisiert werden. Aber dass von einem Flop geschrieben worden sei, das sei daneben.
Ob die Kritik seine Leistung gegen Zypern vielleicht beeinflusse, wird Zuberbühler gefragt. «Das werden wir ja dann sehen», sagt der Thurgauer, lacht, und ergänzt: «Nein, im Ernst, ich denke nicht.»
Der «Blick» legt am Matchtag nochmals ein Scheit ins loderne Feuer. Er druckt vier Fotos, auf denen Pascal Zuberbühler die Augen geschlossen hat:
Einem Leser war aufgefallen, dass der Goalie sie schliesse, wenn er zum Ball gehe. «Und siehe da, die Behauptung hat sich erhärtet», schreibt die Zeitung, nachdem sie ihr Bildarchiv durchforstet hat. «Es ist ganz einfach, solche Fotos zu finden.» Bei Oliver Kahn sei es ungleich schwieriger, auf solche Bilder zu stossen.
In einem Kommentar reicht der Sportchef der Zeitung dem Goalie dennoch die Hand. Er schliesst seinen Text mit den Worten:
Die Schlagzeile wird nie gedruckt werden. Denn auf Zypern leistet sich der Natigoalie einen richtig groben Aussetzer. Aus 70 Metern kommt ein weiter Ball eines Zyprioten auf ihn zugeflogen, Zubi schätzt die Situation falsch ein, der Aussenseiter gleicht die Partie aus:
Immerhin gewinnt die Schweiz trotz des zwischenzeitlichen Ausgleichs noch mit 3:1. Philippe Senderos und Daniel Gygax sorgen mit ihren Toren dafür, dass die Nati auf WM-Kurs bleibt und dafür, dass Zuberbühlers Schnitzer letztlich keine Konsequenzen hat.
Nach dem Spiel dreht der Goalie in den Katakomben auf. Im Live-Interview mit dem Schweizer Fernsehen echauffiert er sich über die Berichterstattung des «Blicks», spricht von einer «Riesenfrechheit». Das gehe auch an ihm nicht spurlos vorbei.
Seit eh und je bewertet der «Blick» die Leistungen der Nationalspieler mit Schulnoten. Nach dem Auswärtssieg auf Zypern gibt es indes nicht für jeden Spieler eine Zensur:
Zuberbühler verteidigt seine Aktion, nach dem Schlusspfiff offen anzusprechen, was ihn gestört hat. Auf den Einwand, er hätte auch anders, kühler reagieren können, antwortet er:
Er würde denjenigen gerne sehen, der souverän über der Sache stehe, wenn er so unsachlich angegriffen werde wie er in den letzten Tagen, so Zubi weiter. Er sei in den letzten 15 Jahren als Profi schon sehr oft kritisiert worden und wisse schon, wie das sei.
Auf Fragen zu seiner Zukunft im Tor der Nationalmannschaft will der 1,97 m grosse Hüne nicht eingehen. «Das interessiert mich nicht, kein bisschen. Ich tue alles, um im Tor zu bleiben.»
Zuberbühler steht einen Monat später auch beim 1:1 gegen Frankreich in Bern und beim 0:0 in Irland im Kasten. Die Schweiz verpasst die direkte WM-Qualifikation, muss stattdessen in die Barrage gegen die Türkei. Dort gewinnt die Nati das Hinspiel im Wankdorf mit 2:0 und reist wegen der Auswärtstor-Regel trotz einer 2:4-Niederlage in Istanbul nach Deutschland.
An der Weltmeisterschaft steht «Zubi» bei allen vier Schweizer Spielen im Tor, er muss kein einziges Mal hinter sich greifen. Im Penaltyschiessen gegen die Ukraine gibt er seinen Kollegen sogar einen Bonus mit auf den Weg, indem er den Elfmeter von Stürmerstar Andrej Schewtschenko hält. Streller, Barnetta und Cabanas können diese Steilvorlage nicht ausnutzen. Aber das ist eine andere Geschichte …