Der französische Präsident Emmanuel Macron und der deutsche Aussenminister Heiko Maas haben in den letzten Tagen einmal mehr die Einheit Europas beschworen. Der alte Kontinent müsse eine wichtigere Rolle in der Geopolitik spielen, betonten beide.
Daran gibt es nichts zu deuteln. Donald Trump ist die Abrissbirne der liberalen Weltordnung und Xi Jinping traut man nicht wirklich über den Weg. Will Europa nicht zwischen der alten und der aufstrebenden Supermacht zerrieben werden, muss es sich zusammenraufen. Nur ein geeintes Europa kann den USA und China Paroli bieten.
In der Theorie besteht darüber kein Zweifel. In der Praxis ist und bleibt die EU ist zerstrittener Haufen. Schuld daran ist nicht nur Flüchtlingspolitik. Seit der Finanzkrise hat die Austeritätspolitik Euroland fest im Griff, mit verheerenden Folgen.
So hat eine Studie der University of Warwick kürzlich aufgezeigt, dass die harte Austeritätspolitik der konservativen Regierung von David Cameron den Brexit-Befürwortern einen Schub von rund zehn Prozent der Stimmen verliehen hat. Auch die aktuelle Sparpolitik von Theresa May ist selbst bei den Konservativen unbeliebt geworden.
Kein Wunder: Regionale Regierungen und Städte müssen Bibliotheken schliessen, Lehrer entlassen und können Strassen nicht mehr flicken, weil nur so die Vorgaben aus London eingehalten werden können.
Rund um das Mittelmeer hat die Austeritätspolitik die Wirtschaft abgewürgt und Italien eine rechtspopulistische Regierung beschert. Selbst in Deutschland sieht es alles andere als rosig aus: Jeder fünfte Arbeitnehmer lebt in prekären Verhältnissen.
Erst 2015 wurde ein moderater Mindestlohn eingeführt. «Deutschland hat heute den grössten Tieflohnsektor in Westeuropa, grösser noch als derjenige im Vereinigten Königreich», stellt Anke Hassel in der «Financial Times» fest. Die Folgen davon waren soeben wieder in Chemnitz zu sehen.
Lange haben die Deutschen ihre Austeritätspolitik als Vorbild für Europa angepriesen. Davon ist man abgekommen. Es wird nicht mehr darüber gesprochen, aber es wird auch nichts dagegen getan. Geht es um konkrete Massnahmen, schweift Aussenminister Maas auf Nebenschauplätze aus. Man müsse ein eigenes System für den Zahlungsverkehr der Banken aufziehen, um von der amerikanischen Abhängigkeit loszukommen, hat er kürzlich vorgeschlagen. Das ist nett, aber nicht wirklich matchentscheidend.
Ein geeintes Europa kann es nur geben, wenn die leidige Euro-Frage bereinigt wird. Diese wurde jedoch einmal mehr auf die lange Bank geschoben. Nach wie vor will man in Berlin von einer europäischen Bankenunion mit einer Einlageversicherung nichts wissen. Beim Thema Eurobonds bekreuzigen sich alle.
Nur mit diesen Massnahmen kann sich jedoch der Euro zu einer glaubhaften Alternative zum Dollar entwickeln. Das Bedürfnis danach ist weltweit vorhanden. Die Europäer sind nicht die einzigen, die nicht glücklich sind mit der Abrissbirne Trump. Doch in Berlin stellt man sich nach wie vor taub.
Genauso uneinsichtig sind die Deutschen in Sachen Export. Auch dieses Jahr wird der Export-Überschuss wieder rund 300 Milliarden Dollar betragen. Nicht nur Trump tobt deswegen. Auch in der EU würde man es begrüssen, wenn die deutschen Arbeitnehmer höhere Löhne erhielten und Deutschland deutlich mehr in seine marode Infrastruktur investieren würde.
Beides würde dazu beitragen, dass das Ungleichgewicht innerhalb von Euroland abgeschwächt würde. Solange jedoch die «schwarze Null», ein ausgeglichener Staatshaushalt, das Mass aller Dinge der deutschen Politik ist, wird sich daran nichts ändern.
Die verzweifelten Briten träumen einen absurden Traum, gegen Europa zu bestehen wie einst gegen Hitler. Italiens starker Mann Matteo Salvini erinnert immer stärker an Mussolini. Deutschland steckt den Kopf in den Sand. Trump und Xi können sich die Hände reiben.