Wirtschaft
Gesellschaft & Politik

Der Kampf um Europa: Merkel gegen Putin

Keine Freunde: Angela Merkel und Wladimir Putin.
Keine Freunde: Angela Merkel und Wladimir Putin.
Bild: MAXIM SHEMETOV/REUTERS

Merkel gegen Putin: Der Kampf um Europa wird in Syrien ausgefochten

Am kommenden Gipfeltreffen der EU-Staatsoberhäupter sitzt der russische Präsident zwar nicht am Tisch. Aber mit seiner menschenverachtenden Syrien-Politik schwächt er die deutsche Bundeskanzlerin.
18.02.2016, 09:0719.02.2016, 11:25
Mehr «Wirtschaft»

Angela Merkel will die EU um jeden Preis zusammenhalten, Wladimir Putin setzt alles daran, sie zu zerstören. So kann man die aktuelle geopolitische Situation auf dem alten Kontinent zusammenfassen. Bisher hatte die deutsche Kanzlerin bessere Karten als der russische Präsident.

«Mit Moral können wir unsere Partner nicht überzeugen.»
Deutscher Spitzendiplomat

Putin hat sich bei seiner Invasion in die Ukraine und der Annexion der Krim verzockt, denn er hatte nicht mit der Entschlossenheit von Merkel gerechnet. Die Kanzlerin setzte in der EU eine harte Linie gegen Russland durch und verhängte zusammen mit den USA Wirtschaftssanktionen. Zusammen mit dem Kollaps des Ölpreises führte das zu einer schweren Rezession in Russland.  

Ausgebombt wie einst Grosny: die syrische Stadt Aleppo.
Ausgebombt wie einst Grosny: die syrische Stadt Aleppo.
Bild: ABDALRHMAN ISMAIL/REUTERS

Syrien scheint – zumindest vorläufig – Putins Weg aus der Sackgasse zu sein. Er setzt dabei auf die gleiche Taktik wie einst in Tschetschenien: Aleppo wird zu Grosny, will heissen: Die Stadt wird ohne Rücksicht auf Verluste auch der Zivilbevölkerung dem Erdboden gleich gemacht.

Die «Willkommens-Kultur» als Handicap

Putins Kalkül scheint aufzugehen. Das schon erledigte Assad-Regime erlebt einen zweiten Frühling. Gleichzeitig haben die russischen Bomben eine neue Flüchtlingswelle ausgelöst. Damit trifft Putin Merkel dort, wo es ihr derzeit am meisten wehtut, bei ihrer «Willkommens-Kultur».

Nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Europa hat Angela Merkel sich damit wenig Freunde geschaffen. Wenn sie am Donnerstag nach Brüssel an den EU-Gipfel der Staatsoberhäupter fährt, muss sie mit einer veränderten Konstellation rechnen. Im Kampf gegen Griechenland im letzten Jahr konnte sie mehr oder weniger mit der bedingungslosen Unterstützung der anderen Länder rechnen. Die stärkste Wirtschaftsmacht Deutschland war unbestritten die Führungsmacht in Europa geworden und die Kanzlerin zur ungekrönten Königin.

Der französische Premierminister Manuel Valls (links) hat sich in München auch mit dem russischen Premierminister Dimitri Medwedew getroffen.
Der französische Premierminister Manuel Valls (links) hat sich in München auch mit dem russischen Premierminister Dimitri Medwedew getroffen.
Bild: AP/POOL SPUTNIK GOVERNMENT

Diesmal sieht es ganz anders aus. Merkels «Willkommens-Kultur» stösst auf heftigen Widerstand, nicht nur bei den renitenten Ostländern. Auch Frankreichs Ministerpräsident Manuel Valls hat an der Sicherheitskonferenz in München unmissverständlich erklärt, dass sein Land keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen will.

Auch Schweden und Österreich machen die Schotten dicht

Italiens Premierminister Matteo Renzi befindet sich seit Wochen in einem Kleinkrieg mit Berlin und beklagt, dass seine Regierung wesentliche Entscheidungen der EU aus der Presse erfahren muss. Selbst Schweden und Österreich – bisher Merkels verlässlichste Partner – machen nicht mehr mit und haben Obergrenzen beschlossen.  

Wer solche Freunde hat, wer braucht da noch Feinde? Merkel befindet sich in einer ungemütlichen Position. «Mit Moral können wir unsere Partner nicht überzeugen» klagt ein hoher deutscher Diplomat in der «Financial Times». Aus Washington kommt diesmal auch keine Unterstützung. Die USA haben bloss eine symbolische Zahl von Flüchtlingen aufgenommen.

Bewohner auf der Insel Kos protestieren gegen ein geplantes Auffanglager für Flüchtlinge.
Bewohner auf der Insel Kos protestieren gegen ein geplantes Auffanglager für Flüchtlinge.
Bild: EPA/ANA-MPA

Nicht nur die «Willkommens-Kultur» ist zu einem schweren Handicap für Merkel geworden, es rächen sich auch die Sünden der Vergangenheit. Die Züchtigung Griechenlands im vergangenen Jahr war damals ein wirtschaftspolitischer Fehler. Jetzt zeigt sich, dass es auch eine sicherheitspolitische Dummheit war.

Satz, Spiel und Macht für Putin?

Griechenland ist nach wie vor das «Einfalltor» der Flüchtlinge aus dem Nahen Osten. Jetzt wird von Alexis Tsipras verlangt, dass er gleichzeitig eine verhasste und hauptsächlich von Deutschland diktiere Austeritätspolitik umsetzt und Auffanglager für die Flüchtlinge im grossen Stil aufbaut. Das wird nicht ganz einfach werden, und die Option, Griechenland aus dem Schengenraum auszuschliessen, ist eine Illusion.

Spiel, Satz und Match für Putin also? Nicht ganz. Angela Merkel ist angeschlagen, aber nicht am Boden. Trotz eines massiven Verlusts in der Wählergunst ist die Kanzlerin nach wie vor unbestritten die Nummer eins in Deutschland, und Deutschland ebenso unbestritten die Führungsmacht in Europa. In der Eurokrise hat Merkel zudem gezeigt, dass sie nicht nur die Kunst des Durchwurstelns beherrscht, sondern – wenn nötig –, auch hart ihren Standpunkt verteidigen kann.  

Das Spiel mit dem Feuer

Wie weit Putins Vorgehen sich auszahlen wird, muss sich weisen. Mit seinem zynisch-grausamen Vorgehen hat der russische Präsident der Welt einmal mehr bewiesen, dass er vor nichts zurückschreckt. Er legt sich dabei immer gefährlicher mit der Türkei an, einem NATO-Land und riskiert so, dass der Konflikt in Syrien ausser Kontrolle geraten könnte.

So tickt Putin – privat wie politisch

1 / 30
So tickt Putin – privat wie politisch
Text-Auszüge aus der Biografie «Putin – Innenansichten der Macht»: (Im Bild: Der achtjährige Wladimir 1960 auf einem Klassenfoto in Leningrad, das später St.Petersburg heissen wird.) Putins Jugend: Wohnraum ist knapp. In einer Kommunika, wie die städtischen Gemeinschaftswohnungen genannt werden, in denen mehrere Familien aufeinandersitzen, lebt auch Putin mit seiner Familie in einem Zimmer. ... ... Mehr lesen
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Du hast watson gern?
Sag das doch deinen Freunden!
Mit Whatsapp empfehlen

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
76 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Dä Brändon
18.02.2016 10:35registriert August 2015
Das Philipp ein schwerer Antirusse ist wissen wir ja mittlerweile alle. Was ich aber viel schlimmer finde ist das man nie darüber schreibt wie es eigentlich zu dieser Riesenkatastrophe gekommen ist. Wer den arabischen Frühling eingeleitet hat, wie Spezialkräfter der USA in der Ukraine Separatisten rekrutiert haben um die Regierung zu stürzen. Wie die USA alle Osteuropäischen Länder bis unter die Zähne bewaffnen obwohl gar keine Bedrohung seitens Russen besteht, nur in der Hoffnung das doch ein Krieg ausbricht und Russland auseinanderfällt um sich dann die Ressourcen unter den Nagel zu krallen.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Unkalmar
18.02.2016 10:57registriert Februar 2016
Frankreich, die USA und allen voran das Regime von Assad haben Syrien bombardiert lange bevor vor Russland einschritt. Die Flüchtlinge, die nun nach Europa strömen, sassen zum Teil seit Jahren in türkischen Flüchtlingslagern fest. Es ist also falsch, die gegenwärtige europäische Flüchtlingskrise Russland anzulasten. In Tat und Wahrheit hat die Türkei unter Erdogan die Flüchtlinge nach Europa "geschickt", um damit leider erfolgreich von der EU Geld zu erpressen und vermutlich ebenfaĺls, um den Rücken frei zu haben im Krieg gegen die Kurden besonders auch in Nordsyrien (YPG).
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Zeit_Genosse
18.02.2016 10:38registriert Februar 2014
Wer sich ein Zerfall der EU wünscht vergisst, das die EWG, EG aus einer Friedensinitiative nach den beiden Weltkriegen entstand. Wer miteinander verbunden ist fällt nicht über den anderen her. Die EU ist ein Machtblock, der die vielscichtigen Interessen von Europa vertreten kann. Zerfällt dieser, werden die Länder gegeneinder antreten und von Ost und West instrumentalisiert. Die Schweiz lebt mit der EU um sich recht gut und profitiert von einem einigermassen stabilen Europa. Verstehe nicht wie man sich freuen kann wenn es den Nachbarländer schlecht geht.
00
Melden
Zum Kommentar
76
Konsumentenstimmung weiter auf tiefem Niveau – steigt aber leicht an

Die Konsumentenstimmung in der Schweiz blieb auch im November eingetrübt. Der vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) monatlich erhobene Index der Konsumentenstimmung stagnierte im Vergleich zum Vormonat bei -37 Punkten.

Zur Story