Er galt als Wunderkind der Fernsehbranche. Bei CNN aber, dem ältesten Nachrichtensender der USA, hielt es Chris Licht nur gerade 13 Monate lang aus. Dann kam am Mittwoch das abrupte Ende seines Gastspiels als Geschäftsführer des Kanals, dessen Programme weltweit empfangbar sind. Sein Vorgesetzter, der Chef des Medienkonzerns Warner Bros. Discovery (WBD), gab in einer dürren Stellungnahme die Ablösung von Licht bekannt. «Aus mehreren Gründen hat es nicht geklappt, und das ist bedauerlich», sagte WBD-Chef David Zaslav an der Morgensitzung von CNN.
Einer dieser Gründe: Licht, 51 Jahre alt, hatte das Vertrauen seiner Untergebenen verloren, der Journalistinnen und Journalisten, die das Programm des Nachrichtensenders prägen. Das hatte damit zu tun, dass er seinen Vorgänger Jeff Zucker scharf anging. Licht warf dem intern immer noch beliebten Zucker vor, CNN habe sich während der Amtszeit des amerikanischen Präsidenten Donald Trump (2017–2021) «auf einer Mission» befunden – und in der atemlosen Berichterstattung über Trump oder die Corona-Pandemie die Objektivität eingebüsst.
Also kamen seit Lichts Amtsantritt im Mai 2022 auf CNN wieder rechte Sprachrohre zu Wort, die spätestens nach der turbulenten Präsidentenwahl 2020 verbannt worden waren. Zuletzt strahlte der Nachrichtensender gar eine Sendung aus, in der Trump höchstpersönlich absurde Behauptungen verbreiten konnte. Moderatorin Kaitlin Collins widersprach dem Präsidentschaftskandidaten zwar so gut es ging. Angefeuert von einem Publikum, in dem vor allem Republikaner sassen, setzte sich Trump aber gegen alle Einwände hinweg. «Sie sind ein übler Mensch», sagte er vor laufenden Kameras zu Collins.
Solche Szenen sorgten intern für Unruhe; und weil Journalistinnen und Journalisten oft meinungsstark sind, kam Kritik an Lichts Führungsstil auch einflussreichen Reportern zu Ohren. Ein Porträt des «Atlantic»-Journalisten Tim Alberta, das am vorigen Freitag veröffentlicht wurde, widerspiegelte in 15'000 Wörtern, in welcher Sackgasse sich der CNN-Chef befand. Mit seiner Kurskorrektur, weg vom «outrage porn» der Trump-Jahre, hatte der in der Westschweiz geborene Licht sowohl das Stammpublikum als auch seine Angestellten vor den Kopf gestossen.
CNN's CEO Chris Licht just stepped down after only one year.
— Tierney (@MaggiePeggy1234) June 7, 2023
The fact that President Trump destroyed CNN in their own town hall had to be a major factor.
Licht thought it would be a good idea to have lightweight Kaitlin Collins viciously attack Trump.
EPIC FAILURE. pic.twitter.com/NvOTI9PQeI
Das eigentliche Problem, unter dem CNN leidet, lässt sich allerdings auch mit einer Auswechslung des Geschäftsführers nicht lösen. Das hat mit dem Geschäftsmodell von Nachrichtensendern zu tun, das von Branchenbeobachtern infrage gestellt wird.
In aller Kürze: CNN finanziert sich nicht in erster Linie über Werbesendungen, so wie das zum Beispiel deutsche Privatsender tun. Die Haupteinnahmen stammen vielmehr von Netzbetreibern, die Gebühren bezahlen, damit sie ein Programm wie CNN in die Angebotspalette aufnehmen können. Diese Gebühren sind hoch; im vergangenen Jahr erhielten die führenden US-Nachrichtensender gegen 4 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Die Werbeeinnahmen beliefen sich im gleichen Zeitraum auf 2.6 Milliarden Dollar, gemäss Berechnungen des Finanzdienstlers S&P.
Weil sich das Konsumverhalten des amerikanischen Publikums aber ändert, Online-Streaming immer beliebter wird und die Zahl der Haushalte mit einem Kabelanschluss in den vergangenen Jahren um fast 30 Millionen gesunken ist, geraten CNN, Fox News und Konsorten unter Druck. Sinkende Einschaltquoten und tiefere Einnahmen müssen bei den Ausgaben kompensiert werden. Unter den Sparmassnahmen leidet das Angebot und die Qualität der Berichterstattung, was sich wiederum negativ auf die Kundenbindung auswirkt.
Diese Entwicklung konnte auch ein TV-Wunderkind wie Chris Licht nicht aufhalten.