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Wie CNN seine Identität sucht – und sich von seinem Chef getrennt hat

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CNN-Mitarbeitende posieren für ein Gruppenfoto im Juni 2023.Bild: keystone

Wie CNN seine Identität sucht – und sich von seinem Chef getrennt hat

Chris Licht, der Chef des weltweit empfangbaren Nachrichtensenders CNN, hielt es in seinem Job nur gerade 13 Monate aus. Dann wurde er gefeuert. Das hat mit Fehlern zu tun, die der begabte Fernsehmann gemacht hat. Aber auch mit der Zeitenwende in der TV-Branche.
09.06.2023, 09:1909.06.2023, 09:49
Renzo Ruf, Washington / ch media
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Er galt als Wunderkind der Fernsehbranche. Bei CNN aber, dem ältesten Nachrichtensender der USA, hielt es Chris Licht nur gerade 13 Monate lang aus. Dann kam am Mittwoch das abrupte Ende seines Gastspiels als Geschäftsführer des Kanals, dessen Programme weltweit empfangbar sind. Sein Vorgesetzter, der Chef des Medienkonzerns Warner Bros. Discovery (WBD), gab in einer dürren Stellungnahme die Ablösung von Licht bekannt. «Aus mehreren Gründen hat es nicht geklappt, und das ist bedauerlich», sagte WBD-Chef David Zaslav an der Morgensitzung von CNN.

Einer dieser Gründe: Licht, 51 Jahre alt, hatte das Vertrauen seiner Untergebenen verloren, der Journalistinnen und Journalisten, die das Programm des Nachrichtensenders prägen. Das hatte damit zu tun, dass er seinen Vorgänger Jeff Zucker scharf anging. Licht warf dem intern immer noch beliebten Zucker vor, CNN habe sich während der Amtszeit des amerikanischen Präsidenten Donald Trump (2017–2021) «auf einer Mission» befunden – und in der atemlosen Berichterstattung über Trump oder die Corona-Pandemie die Objektivität eingebüsst.

Also kamen seit Lichts Amtsantritt im Mai 2022 auf CNN wieder rechte Sprachrohre zu Wort, die spätestens nach der turbulenten Präsidentenwahl 2020 verbannt worden waren. Zuletzt strahlte der Nachrichtensender gar eine Sendung aus, in der Trump höchstpersönlich absurde Behauptungen verbreiten konnte. Moderatorin Kaitlin Collins widersprach dem Präsidentschaftskandidaten zwar so gut es ging. Angefeuert von einem Publikum, in dem vor allem Republikaner sassen, setzte sich Trump aber gegen alle Einwände hinweg. «Sie sind ein übler Mensch», sagte er vor laufenden Kameras zu Collins.

FILE - Chris Licht attends the 16th annual CNN Heroes All-Star Tribute on Dec. 11, 2022, in New York. Licht's year-long tenure at the network's helm hit a low point last week with publicatio ...
Geht: Chris Licht.Bild: keystone

Solche Szenen sorgten intern für Unruhe; und weil Journalistinnen und Journalisten oft meinungsstark sind, kam Kritik an Lichts Führungsstil auch einflussreichen Reportern zu Ohren. Ein Porträt des «Atlantic»-Journalisten Tim Alberta, das am vorigen Freitag veröffentlicht wurde, widerspiegelte in 15'000 Wörtern, in welcher Sackgasse sich der CNN-Chef befand. Mit seiner Kurskorrektur, weg vom «outrage porn» der Trump-Jahre, hatte der in der Westschweiz geborene Licht sowohl das Stammpublikum als auch seine Angestellten vor den Kopf gestossen.

CNN brechen die Einnahmen weg

Das eigentliche Problem, unter dem CNN leidet, lässt sich allerdings auch mit einer Auswechslung des Geschäftsführers nicht lösen. Das hat mit dem Geschäftsmodell von Nachrichtensendern zu tun, das von Branchenbeobachtern infrage gestellt wird.

In aller Kürze: CNN finanziert sich nicht in erster Linie über Werbesendungen, so wie das zum Beispiel deutsche Privatsender tun. Die Haupteinnahmen stammen vielmehr von Netzbetreibern, die Gebühren bezahlen, damit sie ein Programm wie CNN in die Angebotspalette aufnehmen können. Diese Gebühren sind hoch; im vergangenen Jahr erhielten die führenden US-Nachrichtensender gegen 4 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Die Werbeeinnahmen beliefen sich im gleichen Zeitraum auf 2.6 Milliarden Dollar, gemäss Berechnungen des Finanzdienstlers S&P.

Weil sich das Konsumverhalten des amerikanischen Publikums aber ändert, Online-Streaming immer beliebter wird und die Zahl der Haushalte mit einem Kabelanschluss in den vergangenen Jahren um fast 30 Millionen gesunken ist, geraten CNN, Fox News und Konsorten unter Druck. Sinkende Einschaltquoten und tiefere Einnahmen müssen bei den Ausgaben kompensiert werden. Unter den Sparmassnahmen leidet das Angebot und die Qualität der Berichterstattung, was sich wiederum negativ auf die Kundenbindung auswirkt.

Diese Entwicklung konnte auch ein TV-Wunderkind wie Chris Licht nicht aufhalten.

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