Die Kritik war laut, als der ÖV-Branchenverband Alliance Swisspass im Dezember 2023 das Halbtax Plus vorstellte. Dieses hat den Charakter eines Zahlungsmittels: Kundinnen und Kunden bezahlen einen Betrag ein, erhalten je nach Höhe zusätzliches Guthaben geschenkt und können damit in der SBB-App Tickets kaufen oder mit der Check-in-Funktion reisen.
Nur wenige Stunden nach der Präsentation der neuen Abos kritisierte die Stiftung für Konsumentenschutz das Angebot, weil es nur auf digitalen Kanälen verfügbar sei.
CH Media bezeichnete das Halbtax Plus als gut gemeint, aber zu komplex. Weiter ging der «Tages-Anzeiger»: Er nannte es «unnötig wie ein Minidisc-Player» und prophezeite, dass es sich bald selbst überleben werde.
Neue Zahlen zeigen aber: Die Branche scheint den richtigen Riecher gehabt zu haben.
Das Halbtax Plus verkauft sich besser als erwartet. Per 9. September wurden bereits 141'015 Pakete verkauft, teilt die Alliance Swisspass auf Anfrage mit. In den nächsten Wochen könnte wohl die Grenze von 150'000 Abos geknackt werden.
Zum Vergleich: Die Zahl der Generalabos (GA) stieg zwischen 2010 und 2019 um 95'000 auf den Höchststand von 500'000 Exemplaren an. In den Coronajahren sackte die Zahl auf 401'000 Ende 2021 ab, um danach wieder zuzunehmen. Ende 2023 waren aber mit 447'000 GA noch immer deutlich weniger GA im Umlauf als vor der Coronakrise.
Viele Pendlerinnen und Pendler dürften seither auf das Halbtax Plus umgestiegen sein, das besonders für jene attraktiv ist, die wegen Homeoffice nicht mehr jeden Tag ins Büro fahren müssen.
Gut möglich ist deshalb, dass das GA die Marke von 500'000 Abos auf längere Zeit nicht mehr knacken wird. Der Erfolg des Halbtax Plus hätte für die SBB und anderen Bahn- und Busbetriebe dann einen bitteren Beigeschmack: Zwar dürfte es tendenziell zu einem Wachstum der Zahl der ÖV-Passagiere geführt haben. Das GA aber ist wegen seines höheren Preises ertragreicher. Neue Zahlen zum GA kommuniziert die Branche erst wieder Ende Jahr.
Bereits im Juni vergangenen Jahres hatte die Branche zudem neue Angebote für Jugendliche lanciert, wie etwa das GA Night. Dieses ermöglicht die freie Fahrt ab 19 Uhr für Menschen im Alter bis 25 Jahre. An Wochenenden gilt es gar bis 7 Uhr morgens.
Das GA Night ersetzte das Vorgänger-Abo Seven 25, das als Flop in die ÖV-Geschichte eingeht. Gerade einmal 20'000 Stück davon hatte die Branche verkauft, was auch am höheren Preis von 390 Franken pro Jahr gelegen hatte. Das Vorgänger-Abo Gleis 7 war auf etwa 60'000 Abos gekommen.
Das GA Night ist beliebt: Im Juli wurde die Grenze von 100'000 verkauften Abos überschritten, heisst es bei der Alliance Swisspass. Damit dürfte etwa jede siebte Person im Alter zwischen 16 und 25 Jahren in der Schweiz ein solches Abo besitzen. Um mehr Jugendliche in den öffentlichen Verkehr zu locken, hatte die Branche gleichzeitig auch die Friends – und Tandem-Tageskarten lanciert.
Mit ersteren können bis zu vier Jugendliche und junge Erwachsene für 80 Franken einen Tag im Schweizer GA-Bereich herumreisen. Innerhalb eines Jahres wurden 50'000 solcher Tageskarten verkauft. Mit der Tandem-Tageskarte wiederum können Inhaberinnen und Inhaber eines GA Jugend für 20 Franken pro Tag eine Begleitperson im Alter von unter 25 Jahren auf eine ÖV-Reise mitnehmen. Von diesem Angebot wurden gar über 100'000 Stück innerhalb von zwölf Monaten verkauft.
Die Erträge dieser Jugend-Angebote sind zwar relativ gering, doch die Branche schielt auf einen nachhaltigen Effekt. Oft entscheiden sich Menschen an wichtigen Übergängen in ihrem Leben für oder gegen ein Verkehrsmittel und bleiben diesem danach treu. Zu diesen Schlüsselmomenten gehören die Familiengründung oder die Pensionierung – und im Fall der Jugendlichen der Eintritt ins Berufsleben.
Wenn junge Menschen zu diesem Zeitpunkt positive Erfahrungen mit dem öffentlichen Verkehr sammeln und diesen rege nutzen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie in ihren Zwanzigern weiterhin auf Bahn und Bus setzen. Die günstigen Angebote sind also eine Investition in die künftige Kundschaft. Zurzeit sieht es so aus, als dass diese Rechnung aufgehen könnte.
(aargauerzeitung.ch)
Und nein, ich gehöre nicht zu dieser Altersklasse. Aber wer das Angebot in der Jugend schätzen lernt, wird später zahlender Kunde.