Im Vorfeld der Aktion konnte ich mit den jungen Menschen reden, die hinter der Plakataktion stecken. Die ersten beiden Fragen beantwortete Nik per Mail. Den anschliessenden Dialog führte ich mit ihm im Facebook-Chat. Zum Schutz ihrer Privatsphäre geben sie nur ihre Vornamen bekannt.
«Wir sind ein Projektteam von vier Personen, bestehend aus Luca, Marie, Boris und mir.
Luca (21) ist das Mädchen für alles und hat sich um den Aufbau des Sets, Verpflegung, Betreuung der Freiwilligen, die Typografie usw. gekümmert. Er interessiert sich für Gestaltung und wird ab nächstem Jahr Industrial Design studieren. Er ist zudem engagierter Fasnächtler.
Marie (20) ist unsere Starfotografin und studiert zur Zeit an der ZHdK BA Kunst & Medien mit Vertiefung Fotografie. Sie beginnt demnächst ihr Auslandsemester in Norwegen.
Boris (17) hat sich der Bilder nach dem Shooting mit Photoshop angenommen, sie entsprechend bearbeitet und den Hintergrund retuschiert. Die abgebildeten Personen wurden nicht verändert. Er besucht aktuell noch das letzte Jahr an einem Basler Gymnasium und ist zur Zeit sehr schwer mit seiner Maturarbeit beschäftigt.
Ich (22) bin Berufsmaturand und arbeite nebenbei. Ins Projekt bringe ich Erfahrung aus der Werbebranche mit und bin / war vorwiegend für die Organisation und Kreation zuständig. Gleichzeitig aber auch Feuerwehr, und ich bin immer vor Ort, wenn ein Problem nach einer Lösung verlangt. Wir alle kennen uns aus der Schule, vom Zivildienst (Luca und ich) und aus der Freizeit. Basel ist eine kleine grosse Stadt.
Die auf den Plakaten abgebildeten Personen sind meistens Freunde und / oder Bekannte. Sie alle beteiligen sich freiwillig am Projekt und unterstützen unsere Aussage.»
«Mit diesem Kunstprojekt wollen wir die einfache Frage stellen: ‹Was ist schön?› Die Aussage ‹Ich will normal sein!› ist total abnormal. Spätestens seit Lady Gaga will jeder einzigartig sein und aus der Menge herausstechen. Oder etwa nicht?
Für uns ist klar: Jeder Mensch ist schön. Schönheit ist subjektiv und wird nicht an einem Ideal gemessen. Was wirklich zählt, sind nicht die angezeigten Kilos auf der Waage, sondern wie selbstbewusst du mit deinem Körper auftrittst. Deshalb haben wir uns entschieden die Personen auf den Plakaten nicht zu retuschieren. Der wahrscheinlich ehrlichste Aushang mit Personen, welche die APG jemals plakatieren durfte.
Auf eine Benennung der Sujets verzichten wir bewusst. Jeder soll sich Zeit nehmen und sich selber Gedanken machen, was dargestellt werden könnte und welche Aussage wir bezwecken. Sicherlich haben wir zu Beginn des Projekts auch an die unrealistischen, retuschierten H&M-Plakate gedacht und uns überlegt, die steigenden Zahlen der Schönheitsoperationen an jungen Menschen anzuprangern. Im Fokus steht für uns jedoch die Aussage ‹Du bist schön. Zeig es allen!›
Unser Projekt wird also keine Antworten liefern, sondern bekannte Fragen aufwerfen. Um die Beantwortung ist jeder selbst bemüht. Wir freuen uns jedoch auf Antworten und Kommentare.»
(Das nachfolgende Gespräch führte ich mit Nik im Facebook-Chat.)
Ihr nennt eure Plakataktion ein «Kunstprojekt». Ihr seid demnach Künstler, richtig?
Ja. Wir sehen uns als Künstler. Bei mir könnte man darüber diskutieren, ob Werbung Kunst ist, aber ich finde hinter Werbung kann auch Kunst stecken. Und sonst bleibt die Aussage: «Kunst ist subjektiv» ;-)
Mir gefällt es, dass ihr euch als Künstler definiert, obwohl ihr von der Ausbildung her keine «richtigen» Künstler seid. Oder hat jemand von euch bildende Kunst studiert?
Ich denke, die Definition «Künstler» kommt nicht durch ein Diplom zustande. Marie und Luca belegen bereits künstlerische Fächer an Fachhochschulen oder haben dies noch vor. In diesem Fall könnte man uns auch angehende Künstler nennen.
Durch ein Studium wird deine Kunst «amtlich», die Tiefe einer Arbeit oder eines Projekts ist nicht davon abhängig.
Ist die Bezeichnung «Kunstprojekt» auch eine Art Schutz vor verbalen Angriffen? Notfalls muss man Kunst nicht erklären.
Nein, es ist wirklich ein Kunstprojekt. Aber mit einer Aussage.
Das meinst du als Abgrenzug gegenüber rein ästhetischer Kunst?
Genau. Wir wollen mit unserem Projekt auch eine Message bringen und die Menschen / Passanten zum Nachdenken anregen. Zudem können der menschliche Körper und seine vielen Unterschiede als Kunst wahrgenommen werden.
Früher wie heute dient der menschliche Körper als Vorlage oder Inspiration für Kunst.
Gutes Stichwort! Dann wechseln wir mal von der Kunst zum Körper. Ich finde, dass ihr sehr wohlgeformte Körper ausgewählt habt. Dadurch unterscheiden sich eure Plakate nicht stark von anderen Werbeplakaten. Wenn ich als Frau die Brüste sehe, dann kann ich mich in meinem Unwohlsein bestätigt fühlen, weil meine Brüste (viel) grösser oder (viel) kleiner sind. Dasselbe bei den Penissen. Ich finde beide Männer ziemlich relativ gut bestückt.
Da hast du natürlich recht. Jedoch gibt es genügend Unterschiede, um unser Anliegen zu verdeutlichen. Uns ist es wichtig, die Einstellung zu vermitteln «Jeder ist schön. Sei selbstbewusst und zeige, wie du bist». Wir hatten in Betracht gezogen, die Unterschiede stärker zu zeigen, dachten dann aber daran, dass so Extreme noch unterstützt würden. Wir haben uns für den guten Mittelweg entschieden.
Die meisten Models werden stark retuschiert. Zum Beispiel die letzte Kampagne von H&M ist total unrealistisch. Unsere «Models» existieren so eins zu eins, nicht gephotoshopt.